Pommernbank-Alphabet

[582] Ein großer Aufwand schafft Verdacht,

Wenn man ihn nicht für Kirchen macht.


Der Bau der Kirche war berlinisch,

Und trotzdem durchaus byzantinisch.


Blamage ist in hohen Sphären

So gut wie unten zu entbehren.


Ein allzu großes Christentum

Gereicht nicht immerdar zum Ruhm.


Dementis sind nicht stets bequem,

Verspätung wirkt nicht angenehm.


Der Eifer für die Kirche ist

Ein glattes Eis für manchen Christ.


Das Frommsein, was man oben schätzt,

Hat durch die Folgen uns verletzt.


Nach Herkunft frägt die hohe Welt

Nur einen Mann, niemals das Geld.


Vor dem Gesetz sind alle gleich;

Der Glaube stimmt mich weh und weich.


Die Heiligkeit befördert schnell,

Nicht jede Hofbank ist reell.


Das Irdische, wenn auch voll Schmutz,

Gereicht dem Himmlischen zu Nutz.
[582]

Von Mirbach achtet nicht den Spott;

Er tat es für den lieben Jott.


Der Königliche Titel ziert,

Und mancher wird dadurch verführt.


Nicht jeder, der im Glauben leuchtet,

Ist mit Erkenntnistau befeuchtet.


Bei M da denkt man so herum

An Mirbach, Mammon, Muckertum.


Im Bankprozeß weht eine Luft,

Nicht ganz so schön wie Nardenduft.


Man ist sich Oben noch nicht klar,

Doch uns ward manches offenbar.


Nicht jeder Adelsschild ist blank,

Der Fleck kam von der Pommernbank.


Wer frägt nach Qualität beim Geld,

Wenn nur das Quantum wohlgefällt?


Streng ist man gegen die, die streiken,

Doch sanft mit Schultz und mit Romeiken.


Mit Schultzen war man sehr intim,

Jetzt kam ein böses Interim.


Die Titel kriegt man nach Tarif,

Es kostet viel und geht oft schief.


Es kämen noch das U, V, W,

Das X in diesem Abc,

Doch die Blamage langt wohl schon

Auch ohne Z und Y.

Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 6, München 1968, S. 582-583.
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