Klage

[92] Jüngling aus kristallnem Munde

Sank dein goldner Blick ins Tal;

Waldes Woge rot und fahl

In der schwarzen Abendstunde.

Abend schlägt so tiefe Wunde!


Angst! des Todes Traumbeschwerde,

Abgestorben Grab und gar

Schaut aus Baum und Wild das Jahr;

Kahles Feld und Ackererde.

Ruft der Hirt die bange Herde.
[92]

Schwester, deine blauen Brauen

Winken leise in der Nacht.

Orgel seufzt und Hölle lacht

Und es faßt das Herz ein Grauen;

Möchte Stern und Engel schauen.


Mutter muß ums Kindlein zagen;

Rot ertönt im Schacht das Erz,

Wollust, Tränen, steinern Schmerz,

Der Titanen dunkle Sagen.

Schwermut! einsam Adler klagen.


Quelle:
Georg Trakl: Das dichterische Werk. München 1972, S. 92-93.
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