Deutsche Richtergeneration 1940

[30] Zum Hakenkreuz erzogen,

das damals Mode war,

vom Rektor angelogen –

So wurdst du Referendar.


Du warst im tiefen Flandern

Etappenkommandant.

Du spucktest auf die andern

auch hier, im Vaterland.


Ihr spieltet Wilhelms Stützen;

das Korps ersetzt das Heer.

Gäbs keine ohne Mützen:

ihr wäret gar nichts mehr.


Nach steifen Amtsvisiten,

der Landgerichtsstation

kam dann nach alten Riten

die Doktorpromotion.


Es kam das Staatsexamen.

Ihr seid emporgerückt.

Ihr setzt nun vor den Namen

den Titel, der euch schmückt.


Nun, deutsche Jugend, richte!

Hier Waage! Da das Schwert!

Räch dich für die Geschichte!

Zeig dich des Kaisers wert!


Würg mit dem Paragraphen!

Benutz den Kommentar!

Du mußt den Landsmann strafen,

der kein Teutone war.[30]


Setz auf das Samtbarettchen!

Das Volk es glaubt an dich.

Justitia, das Kokettchen,

schläft gern beim Ludewich.


Du gibst dich unparteilich

am Strafgesetzbuchband . . .

Du bist es nicht. Nur freilich:

Juristen sind gewandt.


Du wirst des Rechtes Künder.

Dich kriegt man nicht – für Geld.

Gott gnade dem armen Sünder,

der dir in die Finger fällt!


Ich grüße dich, wunderbare

Zukunft der Richterbank!

Du nennst das einzig Wahre:

Rechtspruch nach Stand und Rang!


Ihr wählt euch eure Zeugen!

Ihr sichert den Bestand!

Wo sich euch Rechte beugen,

ist euer Vaterland!


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 05.05.1921, Nr. 18, S. 536.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 3, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 30-31.
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