[289] Nathan Prophet, Davidt.
NATHAN.
Vom herrn ich sol dir sagen an:
Inn einer stadt ein reicher man
Gesessen was, der het auch viel
Schaff und auch vihe noch seinem wil;
Des gleich ein armer war, ich mein,
Het nur ein einigs scheffelein,
Das het er lieb, erzogen zart,
Gekaufft, und as sein brodt alfahrth
Bey ihm alzeit den kinden gleich
Und tranck aus seinem becher reich.
Es schlieff alzeidt inn seinem schos,
Er hets sehr lieb an alle mos.
Dem reichen aber kam ein gast,
Vorschont er seiner schaff auch fast,
Dem armen nam sein scheffelein
Und schlachts, das bracht ihm schwere pein.
Wie dünckt dich, Davidt, um den man?
Hat er auch recht und wol gethan?
DAVIDT.
Vorwar, ich sag zu dieser frist,
Das solcher auch des todes ist
Und sal bezalen auch das schaff[289]
Vierfeltig, das sol sein die straff.
NATHAN.
Dieser reich du auch selber bist,
Entpfangen hast zu aller frist
Von dem herrn gros gut und ehr,
Hat dich erlöst aus al beschwer
Und auch von Saul, dem König dein,
Und dir geben die weiber sein,
Darzu viel guts und grosse hab.
Wie bistu dann gefallen ab
Von Gottes wort inn solche last!
Uriam du erwürget hast,
Sein weib gehönet und geschent,
Darumb bistu des todes behendt.
DAVIDT.
Ich hab gesündiget so schwer
Wider Gott, meinen schöpffer her.
Darumb ich bit aus hertzen grundt:
Ach, Nathan, bit zu dieser stundt
Vor mich auch Gott, den herren mein,
Das er mir wol genedig sein,
Das ich nicht sterb inn solcher noth,
Mich nicht ergreiff der ewig todt.
NATHAN.
Weil du dein sünd bekennest schir,
So hat sie Gott vorgeben dir,
Das du auch itzt nicht sterben must,
Weil du dein sünd Gott melden thust.
Aber das sol die straffe sein,
Das sterben sol der sohne dein,
Und wil erwecken zu der fart
Aus deinem hause unglück hart,
Das man dein weiber höhnen sal
Am liechten tage zu dem mal,
Darzu sol ewiglich das schwerdt[290]
Zu deinem hause sein gekert,
Dann Uria weib genomen hast,
Darumb bleibstu inn solcher last,
Das dich dein eigen son vortreib,
Beschlaffe auch dein kebes weib
An heller sühn, am lichten tag.
Das sal auch sein dein straff und plag.
DAVIDT.
Ich danck dir, Gott im höchsten tron,
Das du mir hast mein sünde nohn
Vorgeben durch barmhertzigkeit;
Hilff, das ich forder allezeidt
Erken dein straff inn rechter huldt,
Die alzeit leide mit geduldt;
Behüte mich an allem ort,
Darzu erhalt bey deinem wort,
Mich tröste des inn aller noth!
Das bit ich dich, mein lieber Gott.
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