Dritte Szene


[433] Sachs ist, in leichter Hauskleidung, von innen in die Werkstatt zurückgekommen. Er wendet sich zu David, der an seinem Werktische verblieben ist.


SACHS.

Zeig her! – 's ist gut. – Dort an die Tür

rück mir Tisch und Schemel herfür.

Leg dich zu Bett, steh auf beizeit:

verschlaf die Dummheit, sei morgen gescheit!

DAVID.

Schafft Ihr noch Arbeit?

SACHS.

Kümmert dich das?

DAVID während er den Tisch und Schemel richtet, für sich.

Was war nur der Lene? – Gott weiß, was! –

Warum wohl der Meister heute wacht?

SACHS.

Was stehst noch?

DAVID.

Schlaft wohl, Meister!

SACHS.

Gut Nacht!


David geht in die der Gasse zu gelegene Kammer

ab. – Sachs legt sich die Arbeit zurecht, setzt sich an der Tür auf den Schemel, läßt aber die Arbeit wieder liegen und lehnt, mit dem Arm auf den geschlossenen Unterteil des Türladens gestützt, sich zurück.


Was duftet doch der Flieder

so mild, so stark und voll! –

Mir löst es weich die Glieder,

will, daß ich was sagen soll.

Was gilt's, was ich dir sagen kann?

Bin gar ein arm einfältig Mann!

Soll mir die Arbeit nicht schmecken,

gäbst, Freund, lieber mich frei:

tät besser, das Leder zu strecken,

und ließ alle Poeterei!


Er nimmt heftig und geräuschvoll die Schusterarbeit vor. Läßt wieder ab, lehnt sich von Neuem zurück und sinnt nach.


Und doch, 's will halt nicht gehn: –

Ich fühl's und kann's nicht verstehn, –

kann's nicht behalten, – doch auch nicht vergessen:

und faß ich es ganz, kann ich's nicht messen! –

Doch wie wollt ich auch messen,

was unermeßlich mir schien.

Kein' Regel wollte da passen, –

und war doch kein Fehler drin.[433]

Es klang so alt, – und war doch so neu, –

wie Vogelsang im süßen Mai!

Wer ihn hört

und wahnbetört

sänge dem Vogel nach,

dem brächt es Spott und Schmach: –

Lenzes Gebot,

die süße Not,

die legt es ihm in die Brust: –

nun sang er, wie er mußt,

und wie er mußt, so konnt er's, –

das merkt ich ganz besonders.

Dem Vogel, der heut sang,

dem war der Schnabel hold gewachsen;

macht er den Meistern bang,

gar wohl gefiel er doch Hans Sachsen! –


Er nimmt mit heitrer Gelassenheit seine Arbeit vor.


Quelle:
Richard Wagner: Die Musikdramen. Hamburg 1971, S. 433-434.
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