[22] 1.
Mein Glücke schläfft nun lange Zeit
Und will noch nicht erwachen,
Und meine Furchtsamkeit
Kan sich gar wenig Hoffnung machen:
Denn wenn es helffen soll,
So schnarcht es mir die Ohren voll.
2.
Der gantze Leib ist außgestreckt,
Der Mund ist zugeschlossen,
Die Augen sind versteckt,
Die Krafft der Sinnen ist zerflossen;
Nur in der blossen Brust
Treibt noch der Athem seine Lust.
3.
Ich stoß, und brauche was ich kan
Die Kräffte meines Lebens,
Ich schrey die Ohren an,
Doch Müh und Arbeit ist vergebens:
Denn mein Verhängniß spricht,
Dein Glücke schläfft und hört dich nicht.
4.
Wolan mein Glücke schlaff nur fort,
Ich werde zwar indessen
Noch manchen lieben Ort
Vnd manche Lustigkeit vergessen,
Ich werde noch der Pein
Der Ungewißheit dienstbar seyn.
5.
Doch wer zu lange schlaffen muß
Der kan auch lange wachen,[22]
Vnd kan den Vberfluß
Der späthen Nacht zum Tage machen,
Wenn er die Lager-Statt
Nun lang genug gedrücket hat.
6.
Darum mein Glücke schlaff nur auß,
Vnd bringe mir den Segen
Hernachmals in das Haus,
Itzt will ich dich nicht mehr bewegen,
Die Noth kan nicht bestehn,
Sie muß doch auch zu Bette gehn.
7.
Wo sie mich in der Jugend läst
Bey der Gewonheit bleiben,
So werd ich wol den Rest
Des Alters mehr beglückt vertreiben,
Inzwischen wird die Schuld
Des Glückes leichter durch Gedult.
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Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica
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