3. In eines andern Namen, der seinen Abschied verschweigen muste

[97] 1.

Liebgen sol ich jetzt verschweigen

Oder offenhertzig seyn,

Sol ich mich und dich betriegen

Oder sag ich meine Pein,

Welche mich mit Uberdruß

Nach und nach verzehren muß.


2.

Nein ich wil den Mund bezwingen

Denn ich kan es nimmermehr

Uber dieses Hertze bringen,

Wann es noch so häfftig wär,

Daß ich dir mit meiner Pein

Wolte so beschwerlich seyn.[97]


3.

Dann so fern ich muß verreisen,

Wirstu meiner Traurigkeit

Keinen grossen Dienst erweisen

Durch erregtes Hertzenleid:

Ach es ist genug daran,

Daß ich mich nicht trösten kan.


4.

Ich soll alle Lust vergessen

Welche meine Seele liebt,

Da die Jahrs-Zeit dir indessen

Neuen Fug zur Freude gibt,

Und dein süsses Mündgen lacht,

Weil mein Kopff Calender macht.


5.

Niemand wird es wol vermeinen,

Daß ich auff dem Sprunge steh;

Doch der Tag wird bald erscheinen,

Welcher mein betrübt Ade,

Das noch itzt im Hertzen girrt,

Offentlich bekennen wird.


6.

Drum so sprech ich in Gedancken:

Liebstes Seelgen lebe wohl!

Und wofern ich von dir wancken

Und dich gantz verlassen soll,

So bedanck ich allezeit

Mich vor deine Freundlichkeit.


7.

Und wo mein gehäuffter Schmertzen

Keine Reden übrig hat,

Ach so nimm in deinem Hertzen

An des letzten Grusses statt,

Dann ich dir nicht geben kan

Meinen letzten Seuftzer an.

Quelle:
Christian Weise: Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken, Halle a.d.S. 1914, S. 97-98.
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