12. Die verliebten Nahmen

[126] 1.

Nunmehr bedarff sie einen Nahmen

Den sie dem neuen Liebsten gibt,

Dann alles heist doch ja und Amen,

Und was sie denckt, das ist verliebt,

Derhalben muß ein Wort allein

Der neuen Freundschafft Zeuge seyn.


2.

Mein Schatz ist vor die Handwercks-Leute,

Vor diesem wars ein hübsches Wort:

Mein Liebgen schickt sich auff die Freythe,

Doch nach der Hochzeit muß es fort:

Mein Schätzgen taugt fürwar nicht viel,

Als wann ich sie vexieren wil.


3.

Mein Lämmgen steht nicht so den Büfgen,

Als wohl den lieben Mädgen an:

Mein Schneutzgen, das bedarff ein Brieffgen,

Daß man es recht verstehen kan:

Mein Engel trifft gar selten ein,

Dann niemand wil der Flügel seyn.


4.

Mein Hertzgen ist das Allerbeste,

Wann Knecht und Mägd beysammen sind:

Mein Vatter kömmt zu Ehrenveste,

Und reimt sich auff kein junges Kind:

Mein Zuckerbild, mein Nelcken-Strauß,

Das sieht mir so Poetisch auß.


5.

Mein Kind das läst sich endlich hören,

Wann man es nicht zu offte sagt:

Mein Seelgen läst sich fein mit schweren,

Wann man es sonst nicht gerne wagt:

Mein Spaßgalan, mein Courtisan,

Steht nur den Löffel-Kätzgen an.


6.

Mein Haußwirth war vor alten Zeiten

Der schönste Titul von der Welt:[126]

Mein Freund kan alle mit bedeuten,

Wer sich ein bißgen freundlich stellt:

Mein Tröster ist ein süsser Hohn,

Es schwatzt sich nur nicht wohl davon.


7.

Mein Hampelmann ist vor das Bette,

Doch vor den Leuten taugt es nicht:

Mein Hähngen ist bißweilen wette,

Wann er zuvor mein Hühngen spricht:

Mein Gümpel das ist immer fort

Nicht mehr als nur ein Huren-Wort.


8.

Mein Mahlgen ist zwar gut zu schertzen,

Doch der Verstand ist vielerley:

Mein Herr, das geht ihr nit von Hertzen,

Man denckt doch immer Narr dabey;

Mein Mann steht schlecht wie michs bedünckt,

Dieweil mein Weib so garstig klingt.


9.

Ich kan ihr nichts vor Augen mahlen,

Was sie vor Reden führen sol,

Sie lerne nur fein niedlich thalen,

Ein freundlich Wort das find sich wohl,

Und wo sie nichts ersinnen kan,

Nimmt er ein schlechtes Mäulgen an.

Quelle:
Christian Weise: Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken, Halle a.d.S. 1914, S. 126-127.
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