CAP. II.

[19] Folgenden Tag wolten sie zur Kurtzweil sich des Bades gebrauchen, und gingen also etliche Stunden vor Mittage fein gemach dahin. Nun meinte Florindo, weil in seinem Dorffe alle Baurn-Jungen den Hut vor ihm abgezogen, so müßte ihm die gantze Welt zu Fusse fallen, derhalben als ihm eine bequeme Stelle gefiel, welche aber allbereit von einem andern eingenommen war, begehrte er von ihm, er solte doch auffstehen. Dieser gab ihm eine hönische Mine, und sagte nichts mehr als: Monsieur, kan er warten? Florindo blieb stehen und vermeinte auf so eine gute Stelle wäre noch wohl zu warten; allein wie ihm die Zeit etwas lang ward, fragte er noch einmahl, wie lang er warten solte, der sagte nichts darauf, als: er warte so lang es ihm beliebt, Florindo schüttelte den Kopff und beteurte hoch, er hätte sich dergleichen Unhöfligkeit nicht versehen. Indem kam der Hoffmeister darzu, und hielt ihm verweißlich vor, warum er mit aller Gewalt in das Narren Register wolle gesetzt seyn, es wäre hier ein freyer Ort, da die Ersten das beste Recht hätten, und da niemand des Andern Unterthan wäre. Was? sagte Florindo, soll einer von Adel nicht besser respectirt werden, als auf diese Weise? wer weiß ob der lausigte Kerle so viel Groschen in seinem Vermögen hat, als ich 1000. Thaler? Gelanor schalt ihn noch härter, mit der Bedrauung, er wolle gleich nach Hause reisen, und sein Bildniß dreyfach abmahlen lassen, er wüste nicht, was hinter dem unbekandten Menschen wäre, und solte er sich gegen der[19] Freyheit dieses Ortes bedancken, daß jener nicht Gelegenheit zu fernerer action gehabt. Was geschach, Florindo war mit dem Hoffmeister übel zufrieden, und stellete sich, als hätte er schlechte Lust zu baden, gieng auch mit einem Pagen hinauß. Der Unbekante, der von ihm so übel angelassen war, und sich nur vor dem Orte gescheuet hatte, Händel anzufangen, folgete ihm auff dem Fusse nach, rencontrirte ihm auch in einen Gäßgen, da wenig Leute zu gehn pflegten; da gab es nun kurtze Complimenten, sie griffen beyde zum Degen, und machten einen abscheulichen Lermen, daß das Geschrey in das Bad kam, es wären zween frembde Kerlen an einander gerathen, die wolten einander die Hälse brechen. Gelanor fuhr geschwind in seine Kappe, und eilte hinauß, da er denn sich eyfrichst bemühete, Friede zu machen. Jedennoch weil der andere auch seinen Beystand erhielt, konte die Sache anders nicht vertragen werden, als daß sie zusammen auf einem Platz vor dem Thore revenge suchten. Was wolte der Hoffmeister thun, der Karren war in den Koth gestossen, und ohne Müh konte man nicht zurücke. Derhalben blieb es bey der Resolution, und hatte Florindo das Glück, daß er im dritten Gange dem unbekanten Eisenfresser eines in den Arm versetzte. Darauff ward die Sache vertragen, und ob zwar der Beschädigte sich vorbehielt weitere satisfaction zu suchen, gab ihm doch Gelanor höfflich zu verstehen, er würde nicht begehren, daß sie als reisende Personen seinetwegen etliche Wochen verziehen solten: sie würden inzwischen niemahls vor ihm erschrecken, und allezeit parat seyn ihm auffzuwarten, hiermit verfügte sich ein ieder nach Hause, und gieng Florindo mit seiner Gesellschafft wieder in deß gedachten Priesters Losament. Nun hatte der Priester von dem gantzen Handel schon Nachricht bekommen, und als sie zu der Mahlzeit eilten, und den Wirth gern bey sich haben wolten, hatte er gute Gelegenheit davon zu reden. Florindo zwar ließ sich, als ein tapfferer Cavallier herauß, er sey noch sein Tage vor keinem erschrocken, wolle auch ins künfftige in kein Mäuseloch kriechen. Gelanor gieng etwas gelinder, und vermeinte es wäre eine schlechte Ehre nach Streit und[20] Schlägen zu ringen, doch hätte es bey denen von Adel die Beschaffenheit, daß sie auch wider ihren Willen sich offt einlassen müssen, denn, sagt er, es glaubt kein Mensch, wie weh es thut, wenn man aus einer ehrlichen Compagnie gestossen, oder zum wenigsten in derselben schlecht respectirt wird. Und gleichwohl ist es leicht geschehen, daß einer zur action genöthiget wird, und also entweder auf dem Platz erscheinen, oder den garstigsten Titel von der Welt davon tragen muß. Hierauff kam die Reih an den Priester, der bat, sie möchten ihm zu gute halten, wofern er seine Gedancken etwas freyer eröffnen würde. Ich vor meine Person, sprach er, halte diß vor die höchste Thorheit, daß einer nicht anders als im duelliren seine Revenge suchen will, denn ich will nicht gedencken, wie gefährlich man Leib und Leben, ja seiner Seelen Seligkeit in die Schantze schlägt; indem ich wohl weiß, daß viel Politici dergleichen Pfaffen-Händel nicht groß achten, und ist mir ein vornehmer Officirer bekant, welcher von einem Geistlichen gefragt, ob er nicht lieber auf dieser Welt wolte ein Hunds etc. seyn, als daß er ewig wolte verdammet, und also, in erwegung der unendlichen Schmach ein ewiger und hundert tausentfächtiger etc. werden. Dennoch die vermessene Antwort von sich hören lassen, er wolle lieber verdammt seyn, als solchen Schimpff ertragen. Nun darff ich vielweniger auf die scharffen Edicta trotzen, welche numehr fast in allen Ländern und Königreichen wider die Duellanten promulgirt seyn. Angesehn, heutiges Tages die beste Freyheit ist, wider die Gesetze zu streben. Und über diß alles Fürsten und Herren selbst, ob sie schon die Sache verbieten, dennoch von einem Edelman am meisten halten, der sich brav resolvirt erwiesen hat. Es komme nur einer, und klage über eine affront, die er sonst mit dem Degen außführen solte, und sehe darnach, ob er zu Hofe werde sonderlich respectirt werden. Nur dieses scheinet wider die klare und helle Vernunfft zu lauffen, daß derjenige, welcher sich rächen will, seinen Gegner so viel in die Hände gibt, als er selbst kaum hat, dannenhero es offt geschicht, daß der Beleidigte mit einer drey- oder vierfachen Beleidigung wieder zu Hause kömmt. Man[21] sehe das gegenwärtige Exempel an, Mons. Florindo hat ohne Zweifel Ursach genug gegeben, in solchen Streit zu gerathen: aber wäre der gute Kerl mit seiner kleinen Injurie zufrieden gewesen, so dürffte er ietzt nicht etliche Wochen in des Barbierers Gewalt liegen. Bey den alten Teutschen, welche noch im blinden Heidenthum lebten, war es kein Wunder, daß dergleichen Duell gehegt wurden; denn sie stunden in dem Aberglauben, als müste bey der besten Sache auch nothwendig das beste Glück seyn. Nun aber wir Christen aus der hellen Erfahrung vergewissert sind, daß offt die ärgsten Zäncker und Stäncker denen unschuldigsten und frömsten Leuten überlegen seyn, und daß mancher an statt gesuchter satisfaction sein Leben in die Schantze geschlagen, so scheinet es ja wunderlich, daß man noch ferner in seine eigene Gefahr hinein rennen will. Da wäre es eine Sache, wenn der provocant seine drey Kreutzhiebe auf gut Schweitzerisch dürffte vorauß thun, als denn möchte es zu gleichen Theilen gehen. Gelanor fing ihm diese Rede auf, und sagte, ihr Herren Geistlichen, ihr habt gut reden, indem ihr auf euren Hartzkappen das privilegium habt, daß ihr euch nicht wehren dürfft, und man hat es nun erfahren, daß es grossen Doctoribus nichts am Handwerck schadet, wenn sie sich gleich unter einander Schelm und Diebe heissen. Tu, si hic esses, aliter sentires. Es muß wohl mancher mit machen, der sonst schlechte Lust darzu hat. Die Gewonheit ist ein starcker Strom, dem ein schlechter Baum nicht widerstehen kan. Der Priester sagte, er wisse wohl, daß solches die allgemeine Entschuldigung wäre, aber wenn gleichwol einer darüber zum Teufel führe, was würde ihm solche hergebrachte Gewonheit helffen. Gelanor ließ sich hierauff in die recht Christlichen Worte heraus: Freylich ist mancher in dieser Gefahr umkommen, und sieht dannenhero ein Edelmann, was ihm für Netz und Stricke gestellet werden, darunter ein gemeiner Mann leicht hinkrichen kan. Doch der Gott, der uns zu solchen Leuten gemacht hat, kan auch alle Gefahr abwenden, wol dem, der sich mehr auf ein fleißig Gebet, als auf eine lange Spanische Klinge verläst. Und hätte ich an des obgedachten Officirers Stelle die Frage[22] sollen beantworten, ob ich lieber zeitlich oder ewig wolte ein etc. seyn, so hätte ich gesagt, ich wolte Gott bitten, daß er mich vor beyden behüten, und mir dort das ewige Leben, hier aber einen ehrlichen Namen, als das beste Kleinod, geben wolle. Kaum waren die Worte geredet, als ein Diener gelauffen kam, mit Vermeldung, der im Duell beschädigte Mensch gehöre einem Graffen zu, welcher diesen Schimpff nicht leiden wolle, auch die Obrigkeit schon ersucht habe, sie mit allen Helffers-Helffern in Arrest zu nehmen; was solte Florindo machen, er erschrack, und hätte seinen Hoffmeister gern umb Rath gefragt, wenn er nicht alles wider sein treuhertzig Vermahnen verübet hätte. Der Priester wuste den besten Rath, der sagte, sie solten unverwandtes Fusses durchgehen, und an einem Orte sich versichern, da der Graffe wenig schaden könte. Also packten sie über Hals über Kopff zusammen, und eilten durch des Priesters Garten heimlich zum Städtgen hinauß. Ob nun die Obrigkeit nach ihrem Abschied den Arrest angekündiget, oder nicht, darum hat sich niemand von unsern reisenden Personen biß auf diese Stunde im geringsten nicht bekümmert.

Quelle:
Christian Weise: Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Halle an der Saale 1878, S. 19-23.
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