CAP. XXIII.

[117] Da fiel nun nichts merckwürdiges vor: dann was gemeiniglich pflegt vor zugehen, ist unvonnöthen zu erzehlen. Ob zum Exempel einer feil gehabt, und die Wahren gerne doppelt theuer hätte verkauffen wollen; der andere noch zehenmahl lieber ümb das halbe Geld noch einmahl so viel kauffen wollen, diese und dergleichen Händel gehen allzeit vor. Da geht ein Narr, und vertrödelt das Geld beym Frantzosen: der hänckt es einem Italiäner auf; der will die Holländer gern reich machen. Einer kaufft die Schlesische Leinwad bey einem Niedersachsen; die Westphalischen Schincken bey einem Thüringer; den Reinischen Wein von einem Holsteiner; die Würtze bey einem Pohlen; die Nürnberger Wahre bey einem Schlesier: Alles umbgekehrt und umb das doppelte Geld. Doch wer wolte dergleichen Dinge auffschreiben. Miracula assiduitate vilescunt. Ein Possen trug sich zu, der Lachens werth ist. Dann da war ein Kerle, der sich gern bey dem Frauenzimmer wolte beliebt machen, aber er hatte eine gantz unangenehme Sprache, und absonderlich konte er das R. nicht außsprechen, sondern schnarrte, wie eine alte Regalpfeiffe, die ein stücke von der zunge verlohren hat. Dieser hatte sich lassen weiß machen, es wäre in einem Gasthoffe ein alter Doctor, der solchem vitio lingvæ gar leicht abhelffen könte. Nun glaubte der gute Mensch der Relation, und kam eben dahin, wo[117] unsere Compagnie ihr Qvartier auffgeschlagen hatte. Eurylas stunde im Hause, und konte in seinem Schimmelkopffe wol gar vor einen Doctor mit lauffen. Zu diesem verfügte sich der Patient, und klagte ihm seine Noth, welcher Gestalt er mit so einem vexierlichen Malo behafftet, dadurch er offt bey dem Frauenzimmer in sonderliche Verachtung gerathen wäre, dann da könne kein Königsspiel, oder des Pfandaußlösens oder sonst etwas gespielet werden, so müste er herhalten. Unlängst habe ihm eine Jungfer auffgelegt, er solte sechs mahl in einem Athem sprechen; drey und dreyßig gebratene Erffurter Nürnberger oder Regenspurger Bratwürste: Und da sey ein solch Gelächter entstanden, daß er bey sich beschlossen, nicht eher in eine Gesellschafft zu kommen, als biß er dem Gebrechen gerathen wüste. Nun habe er den Hr. Doctor wegen der glückseligen Curen rühmen gehört, also daß er seine Zuflucht zu keinem andern nehmen könne, bäte nur mit derselben dexterität, dadurch er vielen behülfflich gewesen, auch seiner gegenwärtigen Noth beyräthig zu erscheinen. Eurylas, der keinen Possen außschlug, wann einer zu machen war, hörte den Menschen mit grosser Gedult, und bließ die Backen so groß auf, daß man geschworen hätte, er wäre ein Doctor. Endlich als er reden solte, sagte er, mein Freund, ich bin deswegen da, ehrlichen Leuten auffzuwarten. Ich weiß mich auch zu besinnen, daß ich unterschiedene Personen von dem grossen Gebrechen der Zunge befreyet habe. Allein der Herr kömmt mir zu alt vor, daß ich nicht glauben kan, als würde er die Schmertzen darbey außstehen. Dann er dencke selbst nach, wann einem die Zunge auf das neue soll gelöset werden, so muß das Fleisch im Rachen noch jung seyn. Gleichwohl dieser Reden ungeacht, bat der gute Kerle Himmelhoch, er möchte sich doch über ihn erbarmen; er hätte sein gantz Vertrauen auf ihn gesetzt, und wolte er nun nicht hoffen, als solte diese seine Hoffnung zu Wasser werden. Kurtz, das Bitten währte so lang, biß sich Eurylas resolvirte, einen Doctor zu agiren, und dem Menschen das Schnarren zu vertreiben. Allhier wird mancher Medicus lachen, als wäre diese Cur wohl[118] mit Schanden außgeführet worden, und ich frage den Klügsten unter allen, und wann er sich bey einem Comite Palatino hätte creiren lassen, was hätte er wohl in dergleichen casu verordnen wollen, gelt er weiß nichts? Und wann Eurylas mit seinem Specifico wird auffgezogen kommen, so wird es ihm gehen, wie dem Columbo mit seinem Ey, das konte niemand zu stehen machen: Aber als er es auf die Spitze schlug, konten es alle nach thun. Nun wir wollen sie rathen lassen, und unterdessen etwas anders erzehlen. Es waren, wie in Messen zu geschehen pflegt, viel fremde Leute in dem Gasthofe beysammen. Unter andern war ein junger Mensch, der in seinem Sammetpeltze was sonderliches seyn wolte, dieser kam zum Wirthe, und begehrte, man möchte ihm die Oberstelle geben, sonst habe er nicht in willens bey Tische zu bleiben. Er sey eines vornehmen Mannes Sohn, mit welchem sich die andern nicht vergleichen dürfften. Der Wirth sagte, er habe damit nichts zu thun, die Gäste möchten sich selbst ordnen, so gut sie wolten: doch gieng er zu etlichen und gedachte, was dieser gesucht hätte. Gelanor lachte der eiteln Thorheit des Menschen: dann so fern an allen Orten die præcedentz Streite nicht zu verwerffen sind; so ist es doch Eitelkeit, daß man die Narrenkappe im Wirthshause suchen will, da ein ieder oben an sitzt, der Geld und gute Qualitäten hat. Nun sie legten es mit einander ab, wie sie den ehrsüchtigen Kerlen wolten zu schanden machen, drumb als die Mahlzeit fertig war, und des Wirths kleiner Sohn vor dem Tische gebetet hatte, stunden sie gantz stille, und sahen einander an, gleich als wüsten sie nicht, wer der vornehmste wäre. Der gute Stutzer wolte sich den Zweiffel zu Nutz machen, und sagte, Messieurs, es nehme ein jeder seinen Platz, satzte sich hierauff an die Stelle, die sonst vor die Oberste an der Tafel pflegt gehalten zu werden. Gelanor mit den seinigen satzten sich auch, und machten die vornehmste Reihe von unten auf, daß der Mahler und etliche lumpichte Diener, die sonst hätten auffwarten müssen, neben dem Juncker oben an zu sitzen kamen, der Vorschneider nahm es auch in Acht, daß der Unterste sein[119] Stück zu erst kriegte: was solte der gute Kerl oben anfangen, sein Wille ward erfüllet, er hatte die Stelle selbst außgelesen, denen andern stund frey zu sitzen wo sie wolten: Also ließ er etliche Gerichte vorbey gehen: alsdann stund er auf, und nahm seinen freundlichen Abschied. Hierauff erhub sich ein trefflich Gelächter, und sagte Gelanor, ist das nicht ein barmhertziger Geelschnabel mit seinem vornehmen Vater, wäre der Vater selbst hier, und es träffe ein, was der Sohn vor ein Zeugniß giebt, so wolten wir sehen, ob wir ihn vor den vornehmsten in der Compagnie könten passiren lassen. Aber wie kömmt der Haußfeix darzu, daß er sich in allem mit dem Vater vergleichen will. Der Vater mag vielleicht 50. Jahr alt seyn; ist denn deßwegen dieser elende Sechzehnpfenniger auch so alt. Es heist, folge des Vaters Thaten nach, und laß dirs so saur werden, so wird die Ehre ungedrungen und ungezwungen darzu kommen. Mit der Ehre ist es so beschaffen:


Quod sequitur fugio, quod fugit ipse sequor.


Solche discursen fielen vor, also daß sie nicht einmahl gedachten, wo der schöne Vater-Sohn seine affront verfressen würde.

Quelle:
Christian Weise: Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Halle an der Saale 1878, S. 117-120.
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