CAP. XXXIII.

[158] Folgenden Tag war die Hochzeit angesetzt, da muste unsere Compagnie Maul und Nase auffsperren, daß sie alles recht betrachten und einnehmen kunten. Die Gäste waren auf das Köstlichste herauß geputzt, die Tractamenten waren sehr delicat, die Music ließ sich mit sonderlicher Annehmligkeit hören, die Täntze wurden mit grossem Tumult vollbracht. Einer schnitt Capreolen, der andere machte Floretten, der dritte stolperte über die hohen Absätze: da mochte sauffen, wer ein Maul hatte. Denn andern Tag ward die Braut mit ihrem neuen Schlaffgesellen unerhört auffgezogen, da kamen die Weiber und Männer, und versuchten ihr Heyl. Absonderlich hätten ihr die Junggesellen, oder die Herren Braut-Lümmel bald den Kopff mit Band und Haaren abgerissen, weil sie den Krantz mit starckem Drate unter den Haaren fest verwahret hatte. Und bey diesem Actu giengen solche obscœna æquivoca vor, daß sich züchtige Ohren billig davor zu schämen hatten. Als nun der Wirth mit unsrer Compagnie wieder zu sprechen kam, sagte Eurylas, es gefällt mir an diesem[158] Orte sehr wohl, indem es lauter wohlhabende und vergnügte Leute hier giebt. Ich sehe alles in Kostbahren Kleidern, in köstlichem Essen und Trincken, in Wollust und Herrligkeit daher stutzen. Doch der Wirth gab zur Antwort; mein Herr, es ist nicht alles Gold, was gleisset. Solte er unsere Hoffart auf den Probierstein streichen, sie würde nicht gülden herauß kommen. Es geht manche Jungfer, die hat ihr gantz Patrimonium an den Hals gehenckt, nur daß sie desto eher ein ander Patrimonium mit verdienen will. Zu Hause zotteln sie in Leinwat-Kütteln, und essen trocken Brod, nur daß sie allen Alamodischen Bettel schaffen können. Mancher wirfft den Spielleuten, oder Hochteutsch zu reden, den Herren Instrumentisten einen Thaler auf, den er an drey und zwantzig Ecken zusammen geborgt hat. Mancher tantzt die Schuh entzwey, ehe er weiß, wo das Geld herkommen soll, damit er den Schuster contentirt. Braut und Bräutigam selber werden in drey Jahren nicht so viel einnehmen, als sie auf ihre Pralerey auffgewendet haben. Da sagte Eurylas, du blinde Welt, bist du so närrisch, und knüpffst keine Schellen an die Ohren? da hätte mancher meynen sollen, es wäre lauter Fürstlich und Gräfflich Reichthumb darhinder, so sehe ich wohl, es ist mit einem Quarge versiegelt.

Gelanor gab sein Wort auch darzu. So haben die Leute, sagte er, schlechte Ursache so üppig und wohllüstig ihre Sachen anzustellen. Sie möchten an statt ihrer Zotten und unzüchtigen Rätzel etliche Gebete sprechen, daß sie GOtt auß ihrer Armuth erretten, und ihnen ein zuträgliches Außkommen bescheren wolle.

Es ist ohn diß eine Schande, daß die zarte Jugend durch dergleichen ärgerliche Händel zu böser Lust angereitzet wird. Und da möchte man nachdencken, warumb vor alters bey denen Hochzeiten Nüsse unter das junge Volck außgeworffen worden? nehmlich daß sie nicht solten umb die Tische herumb stehen, wenn irgend ein muthwilliger Hochzeit-Gast ein schlipffrich Wort liesse über die Zunge springen. Nun wer will sich wundern, daß so wenig Heyrathen wohl außschlagen, da mit solcher Uppigkeit alles angefangen wird. Wenn nun die Nachfolge[159] nicht so süß ist, als sich manches die Einbildung gemacht hat, so geht es auf ein Klagen und Lamentiren hinauß: da hingegen andere, welche den Ehestand als einen Wehestand annehmen, hernachmahls alle gute Stunden gleichsam als einen unverhofften Gewinn erkennen, das Böse aber nicht anders als ein telum prævisum gar leicht entweder vermeiden, oder doch mit Gedult beylegen können.

Hierauff gedachten sie an das Tantzen, und meynte Eurylas, es wäre eine Manier von der klugen Unsinnigkeit, daß eines mit den andern herumb springe und sich müde machte: aber Gelanor führte diese entschuldigung an. Es ist nicht ohne, sagte er, es scheinet etwas liederlich mit dem Tantzen. Doch die gantze Jugend kömmt den alten Leuten eitel und liederlich vor. Und darzu kan es auch von Alten mit Masse gebrauchet werden: denn die Bewegung ist dem Menschen nicht schädlich, absonderlich wenn im trincken ein klein Excesgen vorgegangen, da sich der Wein desto eher verdauen und auß dem Magen bringen läst, und also desto weniger exhalationes das Gehirne beschweren. Wie man offt sieht, daß einer, der am Tische ein Narr war, auf dem Tantzboden wieder nüchtern wird. Zwar etliche Theologi sind hefftig darwider, doch sind etliche nicht so wiederwärtig und Tantzen eins mit, daß ihnen die Kappe wackelt. Die Warheit davon zu sagen, so haben auch etliche alte Kirchenlehrer gar scharff darauff geschrieben, daß sie auch gesagt: chorea est circulus, cujus centrum est Diabolus: doch ist es der alten Väter Brauch, daß sie das Kind offt mit dem Bade außschütten, und da sie den Mißbrauch tadeln solten, den rechten Gebrauch verdammen wollen. Denn solche leichtfertige Täntze, wie der Zeuner Tantz bißweilen gehalten wird, und wie Anno 1530. zu Dantzig einer von lauter vermummten nackichten Personen angestellet worden: oder wie Anno 1602. zu Leipzig auf dem damahligen Rabeth ein Schneider Geselle mit einer unzüchtigen Breckin vor allen Leuten nackend herumb gesprungen: oder wie auf Kirmsen und andern gemeinen Sonntagen, Knechte und Mägde zusammen lauffen, oder auch in[160] Städten heimliche Rantzwinckel gehalten werden, die soll man mit Prügeln und Staupbesen von einander treiben. Und da heists, non centrum modo, sed ipsum circulum possidet Diabolus. Aber dieses alles auf die sittsamen und züchtigen Ehren-Täntze bey Hochzeiten und Gastereyen zu appliciren, ist etwas zu scharff gebutzt. Ach wie ist mancher Vater so gewissenhafftig, ehe er sein Kind auf eine Hochzeit gehen läst; oder wenn er Schande und naher Freundschafft halben sie nicht zu Hause behalten kan, so muß sie doch alsbalde vom Tische wieder heim, da er sie doch mit besserm Gewissen von andern heimlichen Zusammenkunfften abhalten möchte: denn auf einem öffentlichen Tantzboden wird keine so leicht verführet, als wenn sie hinter der Haus-Thür einen Rendezvous von zwey Personen anstellet, und mit drey Personen wieder hervor kommet.

Eurylas fragte, warumb aber die Täntze bey Hochzeiten so gemein worden? Gelanor antwortete, die lieben Alten hätten es darumb angestellet, daß ein Junger Mensch, der sich nunmehr nach einer Liebsten zu seiner Heyrath umbsehen wolle, an einem Orte Gelegenheit hätte, ohne sonderlichen Verdacht mit etlichen bekandt zu werden. Allein die heutige Welt habe es umbgekehrt, denn, sagte er, da müssen alles gelschneblichte Stutzergen seyn, die noch in vierzehen Jahren keine rechte Liebste bedürffen. Und manche Jungfer steht sich selbst im Lichten, die offt einen ehrlichen Kauff- oder Handwercksmann, der sie in allen Ehren meynet, über Achsel ansieht, und einen Buntbändrichten Monsieur ihm zu Trotze mit vortrefflichen Liebkosungen bedienet, darüber sie endlich zur alten Magd wird: und da mag sie wohl versichert seyn, wann sie den Kirch-Thurm scheuern wird, so wird ihr keiner von den vorigen Auffwärtern Wasser zutragen. Hier ward etwas anders drein geredet, und Eurylas erinnerte, ob man nicht künfftigen Tag weiter reisen wolte. Solches ward beliebet, und weil gleich eine Landkutsche auf eine andere Stadt abfahren wolte, setzten sich Florindo, Gelanor und Eurylas darauff, und liessen ihre übrigen Leute mit den Pferden hinten nach kommen.

Quelle:
Christian Weise: Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Halle an der Saale 1878, S. 158-161.
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