CAP. XXXIV.

[161] Die Kutsche war mit acht Personen besetzt, und unter denselben befanden sich zween Studenten, welche erstlich von ihren Büchern und Collegiis viel zu reden hatten. Endlich kam es herauß, daß einer ein Sperlingianer, der andere ein Zeisoldianer war. Denn da fiengen sie de Materia prima so eiffrig an zu disputiren, als wenn die Seeligkeit dran gelegen wär. Einer sagte, materia tua prima est eus rationis, der andere retorquirte, & materia tua simplex insignem tuam arguit simplicitatem. Und in dergleichen Streite mangelte es wenig, daß es nicht zu Schlägen kam. Gelanor schlug sich zu letzt ins Mittel, und sagte, ihr Herren, warumb zancket ihr euch, ihr habt alle beyde recht. Eure Magistri haben euch was weiß gemacht, das ihr in kurtzer Zeit vor Eitelkeit halten werdet. Denn seht die Philosophie, ob sie zwar in partem principalem & instrumentalem abgetheilet wird, so ist sie doch in unserm studieren nichts mehr als ein Instrument oder ein Werckzeug, dessen wir uns in den höhern Facultäten bedienen müssen. Ihr wisset ohne Zweiffel das Sprichwort: Philosophia ancillatur Theologiæ, oder wie es ein vornehmer Mann nicht uneben extendirt, Philosophia inservit superioribus facultatibus. Nun sagt Aristoteles, servus est instrumentum Domini. Und folgt also, quòd Philosophia sit instrumentum superiorum facultatum. Nun will ich euch die gantze Sache in einem Gleichnüsse vorbilden. Es sind drey Zimmerleute, die haben drey Beile, einer hat Affen und Meerkatzen lassen drauff stechen. Der andere führt Blumen und Gartengewächse drauff. Der dritte hat auf seinem nichts, als das Zeichen von der Schmiedte, da das Beil gemacht ist. Sie kommen in der Schencke zusammen, und disputirt ein ieglicher, sein Beil ist das schönste. Aber wenn sie den Tag hernach an die Arbeit kommen, schmeist einer sowohl drauff, als der andere, und ist im Effect kein Unterscheid. So geht es mit der Philosophie auch her. Weil ihr auf Universitäten seyd, da wollet ihr ein ander tod disputiren, über solchen Sachen, die nicht[162] viel besser herauß kommen, als Affen und Meerkatzen; Aber wenn es zum Gebrauch selber kömmt, so macht es einer so gut als der andere. Ob einer Metaphysicam per Sapientiam oder per Scientiam definirt. Ob es ein Lexicon Philosophicum, oder eine sonderliche disciplin ist: ob drey Affectiones Entis sind Unum, Verum, Bonum, oder ob Ubicatio und Quandicatio darzu gerechnet werden, so versteht einer die terminos so wohl als der andere, und ist in den Haupt-disciplinen einer so glückselig als der andere. Ingleichen ob einer materia primam oder materiam simplicem statuirt, ob er transelementationem beweist oder verwirfft; ob er sagt, Calidum est, quod calefacit, oder Calidum est, quod congregat homogenea & separat heterogenea. Ja ob einer gar dem Cartesio in das Gehäge geht, und ausser der Materie und des Menschen Seele keine andere Substanz annimmt, und alle Aristotelische formas substantiales auf einen confluxum certorum accidentium hinauß lauffen läst, so ist es doch in dem Hauptwercke bey einem so wohl getroffen, als bey dem andern, wie in der Astronomie keiner irret, er mag das Systema Coperniceum oder Tychonicum annehmen. Drumb ihr lieben Herren, lernet nur gut hacken, ihr mögt einen Sperling oder einen Zeisig auf dem Beile haben. Zu wündschen wäre es, daß etliche gute Leute auf Universitäten sich hierinn mässigten, und die jungen Studenten nicht in dergleichen Theoretische Irrthümer führten, sondern vielmehr den usum in den höhern disciplinen zeigten, und in den andern adiaphoris einen ieglichen bey seinen neun Augen liessen. Die jungen Studenten machten ein paar grosse Augen, und verwunderten sich, daß ein Politicus in bunten Kleidern von solchen Sachen also frey urtheilen wolte. Doch war der Respect gegen ihre Præceptores so groß, daß sie die Erinnerung so gar umbsonst und undisputirt nicht begehrten anzunehmen, drumb fragte einer, ob es rathsam wäre, zwey contradictoria vor wahr zu halten? Es wäre ja unmöglich, daß nicht eines von beyden müste falsch seyn. Gelanor sagte, ihr lieber Mensch reissen euch die contradictoria so sehr im Leibe? gebt doch zuvor[163] achtung drauff, ob dieselbe sich in dem Hauptwercke oder in dem Nebenwercke befinden? oder daß ich deutlicher rede, sehet ob die contradictoria den finem oder die media betreffen? die media oder die Hypotheses mögen wohl bey andern von contradictoriè angenommen werden, wenn nur die conclusiones allenthalben richtig sind. Wie es ein schlechter Unterscheid ist, ob man die Erde stille stehn oder herumb lauffen lasse, wenn nur auf beyden Theilen die Phænomena einerley herauß kommen. Ich gebe ein Gleichniß. Es wollen ihr zween von Leipzig auf Hamburg. Einer zeucht mit der fahrenden Post über Magdeburg, der andere geht zu Pferde über Qvedlinburg, hier sind in medio sichtbare contradictoria. Denn Magdeburg ist nicht Qvedlinburg, und Qvedlinburg ist nicht Magdeburg: allein es nimmt der Sache nichts, wenn sie nur in fine einig sind, und alle beyde auf Hamburg, und nicht auf Bremen oder Lübeck kommen, wie jener Eulenburgische Bote der auf Torgau wolte, und sich verirrete, daß er auf Leipzig kam. Wären aber dieses nicht abscheuliche Narren, wenn sie einander zu Ketzern machten, daß einer nicht so wohl als der andere über Magdeburg oder Qvedlinburg reisen wolte? Also machen es manche Philosophi, die suchen andere Wege genauer zum Zwecke zu kommen. Und da fangen sie ein Gezäncke darüber an, als wenn der Himmel einfallen wolte. Endlich aber im Zwecke selbst sind sie so einig, wie Zweckenpeter mit Hirsemerten in der Schencke. Hier fieng einer an zu klaffen, Eja Eja contradictoria non sunt simul vera. Aber Florindo wolte ihm gleich den Schnabel wischen mit den contradictoriis veris & apparentibus, wenn nicht etwas wäre darzwischen kommen. (notetur hæc formula, sagte jener Bacularius).

Quelle:
Christian Weise: Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Halle an der Saale 1878, S. 161-164.
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