CAP. XLI.

[194] Den folgenden Tag kamen unterschiedene junge Weibergen, und besuchten die Wirthin, welche allem äusserlichen Ansehen nach, bald wolte zu Winckel kriechen. Nun hatte Gelanor mit den seinigen das Zimmer neben ihrer Stube eingenommen, also daß man alles vernehmen konte, was darüber geredet ward. Solcher Beqvemligkeit bediente sich Florindo, und hörete die anmuthigen Gespräche mit sonderbahrer Freuden an. Die Wirthin fragte eine, Schwestergen, gehestu nicht zur Hochzeit? da antwortete diese ach was solte ich zur Hochzeit machen, ist es doch eine Schande, wie man hinunter gestossen wird. Es hat meinen Mann wol tausend mal getauret, daß er nicht ist Doctor oder zum wenigsten Magister worden. Da hat[194] er das seinige verreiset, und hat wohl mehr gesehen als ein ander. Aber es gehet hier zu Lande nicht nach Geschickligkeit. Sonst wolten ich und mein Mann wohl über die Taffel kommen. Eine andere sagte. Eben darumb habe ichs meinem Manne gar fein abgewehnet, daß er an keinen vornehmen Ort zur Leiche oder zur Hochzeit gehen darff. Ich lobe es bey geringen Leuten, da hat man das Ansehen allein, und geht über die andern weg. Es ist auch wahr, die Vornehmen haben es doch keine Spanne höher, als die andern; Die dritte sagte: Ja hätte diß nicht gethan, mein Mann hätte nicht so viel Geld dürffen hingeben, daß er wäre Fürstlicher Rath worden. So dencke ich, sechshundert Thaler sind leicht zu vergessen, wenn man nur allen stoltzen Kluncker-Füchsen nicht darff nach treten. Die erste fiel ihr in die Rede: Ja Schwestergen, sagte sie, wer weiß, wie lange es mit der Herrligkeit währet, weist du nicht, wie viel Leute Geld dargegen spendiren wollen, daß sie deinen Mann wieder herunter bringen. Ach thäte daß nicht, ich hätte lang ein stücke Gut verkaufft, daß wir auch einen solchen Ehrenstand kriegt hätten. Die andere sagte: Ich wil mich umb den Gang nicht zu Tode grämen. Nur das verdreust mich an meinem Mann, das er nicht vier biß fünffhundert Thaler dran wagt, daß wir dürffen Sammet-Peltze tragen. Die dritte sagte: Ich weiß wohl, es sind viel Leute, die uns unsere Ehre nicht gönnen. Aber wir wollen darbey bleiben, und solte es uns noch tausend Thaler kosten. Es ist ein eben thun umb den Großsprecher, der uns zu wider ist, wenn er sat zu fressen hätte. Da frisst der kahle Hund welcke Rüben, und hertzt die Frau, damit tritt er an die Haußthüre, und stochert in den Zähnen, so dencken alle Bauren, die vorübergehen, er hat Fleisch gessen. Die vierdte hatte bißher still geschwiegen, nun gieng ihre Klapperbüchse auch loß. Ach sagte sie, ich lasse mir auff die Hochzeit ein schön Kleid machen. Wir sind Freundschafft, da werden wir vorgezogen. Ach es gefält mir gar zu wol, wenn die stoltzen Weiber, die sonst immer oben hinauß und nirgend an wollen, so brav das Nachsehen haben, und mir hinten nach zotteln. Die erste sagte:[195] Ja ich besinne mich, was ich bey meiner Mutter Begräbniß vor eine Freude hatte, daß ich durffte über die Burgemeisters Weiber gehn. Die andere sagte: Ja, als hätte ich neulich die Ehre nicht gehabt, da mein Vater begraben ward, da giengen mir zwölff Doctors Weiber nach. Die dritte sagte, unlängst gieng mein Mann über etliche Edelleute, und es soll mich mein Lebetage reuen, daß ich bin zu Hause blieben, wie hätte ich die grossen Frauen von Adel wollen über Achsel ansehn, wann sie wären hinter mir angestochen kommen. Die Vierdte sprach: Ach botz tausend hätte ich doch bald das beste vergessen, sprechen doch die Leute Herr N.N. ist Rathsherr worden, wer wird nun mit seiner Frau außkommen, die stoltze Noppel wuste ohn dem nicht, wie sie das Maul solte krum genug außzerren. Mein Mann ist sonst gut Freund mit ihm gewesen; Aber der Hencker solte ihm nun das Liecht halten, wenn er weiter mit ihm Freundschafft hielte. Ja wohl, daß er ihn liesse oben an gehen. Ach nein trinckt dort numm, es sind der Sauren, ich mag sie nicht. Es verlohnte sich der Müh mit der Bauer-Magd. Vor sechs Jahren hätte sie noch die Gähse gehütet, und Qvarck-Käse gemacht, nun solte sie mir vorgezogen werden. Ja, ja schiers künfftig wenn Pfiengsten auf den Grünen-Donnerstag fällt. Ich thue es nicht, und wenn ich sechs Jahr nicht solte auß dem Hause gehen. Die erste versetzte: Ey Schwestergen, glaube es nicht, sie werden so einen höltzernen Peter nicht zum Rathsherrn machen. Ja wenn es Mistladens gülte, so möchte er weise gnug darzu seyn, und wenn er auch so klug wäre, als der weise König Salomon, so thäten sie es der Frauen wegen nicht, wer wird denn einen solchen Nickel lassen oben an gehen, wo wolten wir Strümpffe kriegen, die wir dem Bauer-Mutze anzögen: denn du weists wohl, die Beine geschwellen den gemeinen Leuten, wenn sie zu viel Ehre kriegen. Die Wirthin hatte zwar zum Gespräche Anlaß gegeben, doch konte sie nicht wieder zu einem Worte kommen. Und da gemahnete sie dem Florindo, wie jener Superintendens, der war zur Hochzeit, und als einer sagte, es wunderte ihn, warumb die Weiber so stille sässen, sagte dieser hingegen,[196] gebt euch zufrieden, ich will den Weibern bald zu reden machen, und ruffte seiner Frau überlaut: Jungefrau wie viel gabt ihr gestern vor einen Stein Flachs? damit war das Wespen-Nest rege gemacht, daß die Männer ihr eigen Wort nicht vernehmen konten, und ihre retirade zur Stuben hinauß nehmen musten. Also hatte die gute Wirthin mit einer Frage so viel zuwege gebracht, daß sie stillschweigen kunte, weil ihr doch das Reden etwas saur ankam: doch war es ihr unmöglich, daß sie gar ungeredt darbey sitzen solte, drumb sagte sie dieß darzu: Ach mein Mann hätte lange können Rathsherr werden, wenn er gewolt hätte, aber das Prackdezeren bringt ihm mehr ein. Sonst dürffte er wider den Rath nichts annehmen. Er ist bey einem Freyherrn Gerichts-Verwalter, das wird ja so vornehm seyn als ein junger Rathsherr.

Bey diesem Gespräche war eine alte Frau, welche bey der Wirthin Niederkunfft solte Wärterin werden, die muste ihren Dreyhellers-Pfennig auch darzu geben. Ihr jungen Weibergen, haltet mirs als einer unverständigen Frau zu gute, daß ich auch was drein rede. Sind es nicht rechte Narren-Possen mit dem oben an gehen. Ich dächte, wenn man gute Kleider am Leibe, und gut Essen, und Trincken im Bauche hätte, so thät ich was auf die elende Ehre. Man wird ja weder fett noch dürre davon, ob mann im ersten oder im letzten Paar geht. Ich hätte mei Sile nicht zu einen Manne getocht, wäre mir eine Frau mit den Obenangehen auffgezogen kommen, ich hätte ein Banckbein außgetreten, wann sonst kein Stecken wäre zur Hand gewesen, und hätte ihr die sechshundert Thaler zu gezehlt. Zu meiner Zeit waren auch vornehme Leute, sie giengen in ihren mardernen Schauben daher, daß einem das Hertze im Leibe lachte. Allein von solchen Narren-Possen, wie die Leute itzt vornehmen, hab ich nie gehört. Ach ihr jungen Spritzen, lasset es bey den alten Löchern bleiben, und lasset die neuen ungebohrt.

Quelle:
Christian Weise: Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Halle an der Saale 1878, S. 194-197.
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