Möwe über der Brücke

[53] Dir unterm Fuß,

Zwischen den Ufern Schreitender, spannt

Sich der Brücke gewölbter Bogen.


Und eine Möwe,

Wie ein Gedanke fernher blitzend,

Schießt auf dich ihre blendende Bahn.


Eine Sekunde

Stößt ihr Auge in deines, greift

Dich der weißen Schwinge Umarmung.


Eine Sekunde

Hebt dich der Flug, trägt dich der Geist,

Der schwerelose, brausend empor.


Es weht dich an

Der unendliche Raum, es rauscht

Freiheit dir unermeßlich ums Haupt.


Wie ein Gedanke

Der weiße Vogel, fernhin sich windend,

Und kehrt dir einmal wieder vielleicht
[53]

Solange noch

Von Ufer zu Ufer, Wanderer, dich

Der Brücke schweigender Bogen trägt.


Quelle:
Maria Luise Weissmann: Gesammelte Dichtungen, Pasing 1932, S. 53-54.
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