Was ich will und nicht will

[77] Berette mit den gelben Haaren

Und todtenfarbigem Gesicht;

Jung am Verstand und alt an Jahren,

Will mich, allein ich mag sie nicht.

Themiren, die wie Rosen blühet,

Um die der Frühling Liljen flicht,

Nie Herzen preßt, nie spröd entfliehet,

Will ich, allein sie will mich nicht.


Megäre, die zu allen Dingen

Mit Fingern schnippt und widerspricht,

Gebietrisch winkt, um uns zu zwingen,

Will mich, allein ich mag sie nicht.

Climene, die die Macht nicht fühlet,

Wenn sie gefällig weichend ficht,

Und wenn sie zärtlich fleht, befiehlet,

Die will ich, doch sie will mich nicht.
[78]

Nerine, die in tiefen Schlüssen

Sich grundgelehrt den Kopf zerbricht,

Vom Grundtrieb redt, wenn sie soll küssen,

Will mich, jedoch ich mag sie nicht.

Lucinden, die von Witz beseelet,

Vernünftig mehr, als witzig spricht,

Bescheiden urtheilt, niemals fehlet,

Will ich, allein sie will mich nicht.


Corinne, deren Zauberblicken

An Buhlern es niemals gebricht,

Doch neue stets sucht zu berücken,

Die will mich, doch ich will sie nicht.

Selinde, die die Herzen raubet,

Wenn jede Mine Seele spricht,

Und siegt sie, nie zu siegen glaubet,

Die will ich, doch sie will mich nicht.

Quelle:
Christian Felix Weiße: Scherzhafte Lieder, Leipzig 1758, S. 77-79.
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