Das macht er mir nicht weiß

[112] Lykas, zitternd mit der Brille,

Küßt Belinden, sie hält stille,

Und wird seines Goldes Preiß:

Daß er sich durch Liebkosungen

Ihre Hand, ihr Herz errungen,

Nein, das macht er mir nicht weiß.


Gestern scherzt ich mit Nerinen,

Trotz der alten Modeminen

Sah sie ziemlich roth und weiß:

Doch daß sie vom Schlaf erwachet,

Gleich so frühlingsmäßig lachet,

Nein, das macht sie mir nicht weiß.


Mops will keine Schwäger nähren,

Und macht seiner Frau, Neären,

Oft darum die Hölle heiß:

Er kauft ihr die frömmsten Bücher,

Schließt sie ein, und glaubt sich sicher:

Doch mir macht er es nicht weiß.
[113]

Ueber den Verfall der Tugend

Schreyt Beatrix, da die Jugend,

Was sonst Mütter lernten, weiß.

Daß stets Singen, Beten, Lesen

Einst ihr Zeitvertreib gewesen,

Nein, das macht sie mir nicht weiß.


Keinen von den Freyern allen

Läßt Themire sich gefallen,

Sie kennt ihrer Schönheit Preis:

Eingebildet will sie sterben,

Wenn nicht Grafen um sie werben;

Mir nur macht sie es nicht weiß.


Meine reitzende Selinde,

Mit der ich mich ietzt verbinde,

Ist für andre kalt wie Eis.

Daß sie einzig für mich brennet,

Außer mir kein Glücke kennet,

Dies macht sie mir doch wohl weiß.

Quelle:
Christian Felix Weiße: Scherzhafte Lieder, Leipzig 1758, S. 112-114.
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