Vierter Auftritt

[8] Richers, Sten, die Vorigen.


RICHERS durch die Mitte zur Musik. Genug, ihr seyd entlassen. Zu den Bedienten. Die Tafel ist aufgehoben, geht.


Musik und Bediente ab.

Theit und Struen sind, als Richers kam, aufgestanden.


BOTWID sitzt allein am Tisch. Was das für eine Art ist; erst fragt man doch die Gäste: ist noch etwas gefällig?

THEIT. Was ist dir, Richers?

STRUEN. Dein Aug' irrt wild umher, die Lippe bebt.

THEIT. Seht, ich hatte Recht, sein Zögern arg zu deuten.

BOTWID steht auch auf. Nun Christian, sprich –

RICHERS. Ich bin ein Todtenvogel, ich krähe euch ein unwillkommen Lied: wir haben einen Freund verloren – Manns-Ille ist ermordet.[8]

BOTWID. Wie? Unser Freund und Bruder? ermordet ist der Ehrenmann? Nenne mir den Thäter, an den Haaren zerre ich den Buben durch ganz Schweden, und ersäufe ihn dann in einer Pfütze, nenne mir ihn. Zieht den Degen.

RICHERS kalt. Mäßigung –

THEIT. Nein, er hat Recht, auch hier steht Illens Rächer. Zieht.

RICHERS tritt stolz unter sie. Hier steht er, ich räche ihn, wenn auch mein eigen Blut die Schuld auf sich geladen. Noch kenne ich den Thäter nicht, doch ahnend sagt mir eine innere Stimme, näher stehe ich seinem Mörder, als ihr. Aber würde nicht die öffentliche Rüge den Bund verrathen, den wir zu unsers Herzogs Heil geschlossen? – Wir sind Finnländer, unser Herzog sitzt gefangen, tausend Späher sind besoldet, unser Thun und Lassen auszuforschen; darum steckt die Degen ein, laßt die Hände ruhen, laßt die Köpfe brüten, was zu thun. Die Schriften, die Manns-Ille an die Höfe von Dänemark und Frankreich bringen sollte, sind in des Königs Hand. Zwar zeugen sie nicht gegen uns, doch rütteln sie den längst schon regen Argwohn. Darum wacht über euch, nehmt öffentlich an Illens Tod nur den Antheil, den man an jeder Neuigkeit des Tages, an dem Tode des Bekannten, nicht des innigen, vertrauten Freundes nimmt. Kein finsterer Blick beym heitern Mahle, kein ängstlich Schielen, ob man auf euch achte. Seyd biegsam, doch nicht scheu, nehmt jede Form an, die zum Ziele führt; wechselt mit dem Äußeren wie das[9] Cameleon die Farben, nur das Herz bewahre seine Rechte, und bleibe Gott und seinem Fürsten treu.

THEIT. Wie Richers spricht, so muß es seyn.

STRUEN. Bey Gott! so kommen wir an's Ziel.

BOTWID. Ja, aber langsam; das Fuhrwerk geht, als ob den Pferden der Hafer ausgegangen.

RICHERS. Uns bleibt sonst keine Wahl. – Laßt uns geduldig jedem Götzen opfern, laßt uns dem Teufel Weihrauch streuen, wenn wir bewirken, daß er schlafe, wenn wir Gutes stiften. Zerstreut euch in Stockholm, besucht den Hof, erforscht, was man dort denkt, hört, was die Stadt von dieser Sache spricht; dann fleißige Bienen, sammelt euch bey Botwid morgen Nacht, und tragt den Schatz, den ihr aus Blumen und aus giftigen Kräutern sogt, zusammen, daß wir ihn ordnen. Üppiges Wohlleben diene, wie bisher, zum Vorwand, unser ernst Geschäft zu bergen. Schleicht nicht zum Sammelplatz, nicht heimlich kommen wir zusammen; Musik und Kerzenschimmer verrathe dem Vorübergehenden ein Fest. Mein treuer Sten, du darfst nicht fehlen, stehe vor der Menge, wie es dein Stand erfordert, bescheiden in der Ferne. Gibt ihm die Hand. Wie nahe du um deiner Treue willen unsern Herzen bist, das weißt du ja.

STEN. Zählt auf mich, mein gnädiger Graf, im Leben und im Tode.

RICHERS zu den Andern. So spricht ein Diener unsers Herzogs, uns nannte er seine Freunde.

BOTWID. Hätte ich zehen Leben, sie gehörten ihm –

THEIT UND STRUEN. Leib und Leben für ihn.[10]

RICHERS. Ihr biethet zu wenig – es gilt hier auch die Ehre; uns droht der Tod durch Henkers Hand.

BOTWID. So wird der Henker durch uns ehrlich, denn kein Laster, Tugend bringt uns auf's Schaffot. Auch diesen Tod will ich nicht scheuen.

STRUEN. Noch wir.

THEIT. Noch wir.

RICHERS. Botwid, Theit, Struen. – Geschlossen ist der schone Bund. Gott helfe gnädig es vollbringen!


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 1, Wien 1817, S. 8-11.
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