Sechster Auftritt

[165] Nina, Emy, Waldberg, Grünau.


GRÜNAU zu Waldberg. Du, der Freund gefällt mir nicht.

WALDBERG. Mir auch nicht.

GRÜNAU. Die Mama gefällt mir auch nicht.

WALDBERG. Eine Dame nach der Welt.

GRÜNAU. Ich glaube, das ist auch eine, die gleich schreyt: heirathen! Wenn das nicht wäre, möchte ich wohl mit den Mädchens bekannter werden, es sind wirklich liebe Kinder.

WALDBERG. O ja. Reden heimlich fort.

EMY zu Nina. Du, die Herren sprachen von uns.

NINA. Sie finden uns wohl recht albern.

EMY. Ei für Herren, die vom Lande kommen, sind wir klug genug.

NINA. Wir sollten wohl das Gespräch eröffnen.

EMY. Freylich, fällt dir denn gar nichts ein?

NINA. Unser Vormund sagte vorhin, mit den Fremden müsse man von Wind und Wetter reden. Wendet sich zu den Herren. Haben Sie auf Ihrer Reise gutes Wetter gehabt?[165]

GRÜNAU lacht. O ja! Zu Waldberg. Ein ungewöhnlicher Eingang.

NINA zu Emy. Sie lachen, das war gewiß nicht klug.

EMY. Mama thut die Frage an alle Fremde.

GRÜNAU. Ich sehe schon, der Landjunker muß sich ins Mittel legen; die Stadtmanieren mögen ganz artig seyn, aber man kommt mit ihnen nicht vom Fleck. Das ist also mein Freund Waldberg; er ist gekommen, um – sagen Sie mir aufrichtig, wissen Sie schon, warum er gekommen ist?

NINA schlägt die Augen nieder. Ich –

EMY auch so. Wir, wir wissen –

GRÜNAU. Alles, denn Sie werden roth, und das ist für Mädchen, die in der Stadt erzogen sind, ein gutes Zeichen; denn die Sittsamkeit fängt sogar schon an, auf dem Lande etwas selten zu werden. Ein Mädchen, das über einen Heirathsvorschlag roth wird, gleicht einer Aloe, die nur alle hundert Jahre blüht. Sie wissen also, daß hier ein Bräutigam steht; aber welche den Apfel bekommt, scheinen Sie noch nicht zu wissen, und mir scheint, daß Freund Paris selbst darüber in Verlegenheit ist.

NINA. Seine Wahl muß auf Emy fallen.

EMY. Nein, Nina, auf dich.

NINA. Du bist vernünftiger.

EMY. Du viel hübscher.

BEYDE. Gewiß, er nimmt dich.

GRÜNAU zu Waldberg. Das sind demüthige Göttinnen. Die andern bothen alle Reitze auf, den Apfel zu[166] erhalten, diese verläugnen alle; ist dir so etwas schon vorgekommen?

WALDBERG. Genug des Scherzes! Zu den Mädchen. Es war der Wunsch meines zweyten Vaters, mich mit einer Tochter seines Bruders zu verbinden. Ich erfülle ihn mit Freuden, wenn es mir gelingt, einer von Ihnen beyden eine Neigung einzuflößen, die sie bestimmt, mir aus reinem Antrieb, ohne dem Zureden einer geliebten Mutter, Ihre Hand zu reichen. Ich kann nicht glauben, daß mir bey Ihrer Jugend ein früherer Eindruck zuvor kam. Lassen Sie uns also wechselseitig prüfen, ohne allen Zwang.

NINA schnell. Ach ja – ohne Zwang.

WALDBERG. Sollte Ihre Abneigung es mir unmöglich machen, den Wunsch des guten Mannes zu erfüllen, den wir alle lieben, sollte keine in mir den Mann finden, dem sie ihr Glück vertrauen möchte, so reise ich auf mein Gut zurück, und hoffe, in jeder von Ihnen beyden lebt mir dann eine Freundinn.

EMY. Darf ich reden, wie ich denke?

WALDBERG. Wie Sie denken.

EMY. Wir sind zwar noch sehr jung, aber doch wissen wir –

NINA schnell. Daß man einen solchen Schritt nicht übereilen muß.

EMY. Man bindet sich für das ganze Leben.

NINA. Muß gemeinschaftlich jedes Ungemach tragen.

EMY. Jede Sorge theilen.

NINA. Eine Frau ist ihrem Manne Liebe schuldig.

EMY. Treue Liebe bis in den Tod.[167]

NINA. Ja, selbst wenn der Mann sie nicht verdient.

EMY. Die Frau darf nicht abweichen von dem Pfad der Pflicht.

NINA. Wenn auch der Mann ihn verläßt.

EMY. Sie muß um ihrer selbst willen handeln.

NINA. Den Irrenden zurück rufen.

EMY. Nicht durch Vorwürfe kränken.

NINA. Und hört er sie nicht –

EMY. So muß sie im stillen Bewußtseyn, in der Achtung der Welt Trost und Ruhe finden.

GRÜNAU zu Waldberg. Du – sind das die Kinder, mit denen wir so eben gesprochen?

WALDBERG. Ich stehe erstaunt! Mit dieser Einfalt, bey dieser Erziehung so viele Kenntniß der weiblichen Pflichten!

GRÜNAU. Mir ist, als ob ein Paar Pagoden auf meiner Mutter Kamin zu schwatzen anfingen, und die soliden Grundsätze der alten deutschen Hausfrauen in die Welt hinein schrien.

WALDBERG. Sie sehen uns erstaunt.

NINA. Worüber?

WALDBERG. In dem Geräusch der großen Welt erzogen kennen Sie so ganz die schönen, aber auch schweren Pflichten ihres Geschlechts?

NINA. Wir lebten nicht immer in dem Geräusch.

EMY. Wir lieben es auch nicht.

NINA. Wenn wir auch auf den glänzendsten Bällen sind, wir sehnen uns zurück in unser einsames Zimmer.

EMY. Dort erwartet uns stille Herzlichkeit.

NINA. Dort sind wir froh.[168]

EMY. Dort sind wir glücklich.

GRÜNAU zu Waldberg. Du, sieh mich einmahl an, bemerkst du nichts an mir?

WALDBERG. Du bist erstaunt wie ich.

GRÜNAU. Mir ist ganz wunderlich, ich bekomme Herzklopfen, ich glaube der Hagestolz fährt aus.

WALDBERG. Sollten sie diese Grundsätze von der Mutter haben?

GRÜNAU. Wenn das ist, dann ist sie eine respectable Frau.

WALDBERG zu den Mädchen. Ich freue mich, in Ihnen Gesinnungen zu finden, die den Mann glücklich machen müssen, dem Sie Ihre Hand reichen. Darf ich fragen, wer den Keim zu diesen stillen Freuden in Ihr Herz legte?

EMY. Wer?

NINA. Unsre beste Freundinn –

WALDBERG. Ihre Mutter?

EMY. Unsre zweyte Mutter, unsre liebe, gute –

NINA zupft sie. Du, die Mama! Stellen sich in Positur.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 2, Wien 1817, S. 165-169.
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