Zweyter Auftritt

[229] Waldberg. Blümlein.


WALDBERG. Was steht zu Befehl?

BLÜMLEIN. Befehl? ich Ihnen befehlen? Gott verzeih Ihnen die Sünde! ich bin hier, mir befehlen zu lassen.

WALDBERG. Wie meinen Sie das?

BLÜMLEIN. Ich habe gleich bey Ihrem ersten Anblick eine so herzliche Neigung zu Ihnen gefaßt, daß ich Ihnen nun auch gerne nützlich werden möchte. Ein Bräutigam hat viel zu thun, kann nicht alles besorgen, zum Beyspiel, den Brautschmuck – da muß man Kenner seyn, sonst wird man angeführt, wenn man sich nicht an den rechten Mann wendet. Ich bin der rechte Mann!

WALDBERG. Wie? Sie handeln?

BLÜMLEIN. Wer handelt jetzt nicht? Seit dem die Engländer nicht mehr unsre Küsten befahren, haben sich Handelsflotten auf dem festen Lande formirt; alles negozirt und handelt – ich bin auch so ein ländlicher Seefahrer.

WALDBERG. Also ein Corsar?

BLÜMLEIN. Behüte! ein friedeliebender Kaufmann.

WALDBERG. Sie? ein fürstlicher Rath?[229]

BLÜMLEIN. Was rath' ich denn, wenn man mich nicht zu Worte kommen läßt? Ich hatte immer die besten Gedanken, aber zum Unglück waren sie schon hier und da vorher im Druck erschienen; meine Feinde – und die hat überall das Verdienst – sagten daher, ich hätte alles abgeschrieben. Nun bitte ich Sie, kann ich etwas dafür, wenn mein guter Einfall schon irgendwo gedruckt wurde? – Kurz, nachdem ich acht Wochen dem Fürsten nach meinem besten Gewissen gerathen hatte, wurde ich in Ruhestand versetzt.

WALDBERG. Vermuthlich hatten Sie sich schon erschöpft?

BLÜMLEIN. Bewahre – bey meinem Vorrath – betrachten Sie einmahl diesen Kopf – steckt noch viel darin, hätte noch allerley sagen können; aber meine Tante, die fürstliche Meubel-Inspectorinn, schob mich durch allerley Nebenthürchen in das Cabinet des Fürsten, und die Cabale warf mich bey der großen Hauptthüre wieder hinaus. Da öffneten sich meiner Industrie die Cabinete der Damen, bey denen oft guter Rath theuer ist. Es fiel manchmohl eine Schmucknadel vom Kopf, ich hob sie auf, bewunderte; – man wollte sie eben los seyn, brauchte Geld, und so formirte sich unter der Hand meine kleine Großhandlung. Bey mir finden Sie Steine, die an der Krone des Tippo Saib geglänzt haben; Perlen, von denen zwölf Stücke genug waren, sei nen corpulenten Hals zu umfassen. Rubinen und Smaragden aus dem Diadem der Cleopatra – ja, ich habe sogar einen kleinen Pitt unter meinen Steinen.

WALDBERG. Was soll ich damit?[230]

BLÜMLEIN. Kaufen, Freundchen, kaufen! lauter Waare für einen Bräutigam.

WALDBERG. Meine Braut braucht keinen Schmuck.

BLÜMLEIN sieht ihn erstaunt an. Um Vergebung! ist sie kein Frauenzimmer?

WALDBERG. Sie achtet nur den innern Werth.

BLÜMLEIN. Innern Werth? den Seelenschmuck? gilt so wenig, wie Seelenadel. Mag es inwendig bey den Leuten noch so brillant aussehen, in die Ferne muß es leuchten. Nur was man befühlen, begreifen, taxiren kann, hat wahren Werth. Kaufen Sie, Freund! ich bin billig; ich habe eben viele Waare und wenig Geld, und ich muß immer bey Geld seyn, um jeden Paroxismus der Damen zu benützen. Vertraut. Gestern, zum Beyspiel, hatte die Dame hier im Haus ein starkes Fieber; es schüttelte sie gewaltig, daß ihr der ganze Schmuck vom Kopf fiel; ich habe ihn höflich aufgehoben, und frage Sie nun – wollen Sie so höflich seyn, ihn zu kaufen? Hält den Schmuck hin.

WALDBERG. Ist es möglich! die Baroninn gab ihren Schmuck?

BLÜMLEIN. Für das Vergnügen hin, Sie bewirthen zu können. Ja, wenn der Mensch oft wüßte, was er in sich hinein ißt. Für manche volle Tafel hat die Hausfrau alle Ringe von den Fingern gestreift, und mit dem lieblichen Dampf einer Schnepfenpastete steigen ihre Seufzer zum Olymp empor; im Champagner perlen ihre Thranen, und der prächtige Aufsatz ist das sicherste Zeichen, daß sie bald nichts mehr aufzusetzen hat.

WALDBERG. Welch ein Bild![231]

BLÜMLEIN. Sind viele dazu gesessen – die Baroninn Treschfeld, die Frau von Rehhausen, die –

WALDBERG. Nicht weiter – was kostet der Schmuck?

BLÜMLEIN. In geldreichen Zeiten wäre er 15,000 fl. werth, aber jetzt, wo die Ducaten eine Schaumünze sind, sollen Sie ihn um 12,000 fl. haben. Davon geht aber kein Kreutzer ab, sonst verliere ich mein eigen Geld dabey.

WALDBERG nach einer Pause. Ich zahle sie.

BLÜMLEIN. So spricht ein Liebhaber, ein Bräutigam; denn wenn die nichts mehr kaufen wollten, wo käme es dann mit dem Handel hin? als Ehemänner kaufen sie ohnehin nichts mehr, im Gegentheil, da muß die Frau die Geschenke der Liebe wieder herausgeben, da wird verkauft. Aber Sie müssen es der Baroninn nicht merken lassen, daß Sie wissen, daß der Schmuck von ihr – verstehen Sie mich? das würde sie beschämen. Aber – im Vertrauen, sie rechnet auf ein solches Zeichen ihrer Eidamsliebe.

WALDBERG. Gut, gut, geben Sie!

BLÜMLEIN. Hier. Gibt den Schmuck. Aber – wann geben Sie?

WALDBERG. Was?

BLÜMLEIN. Das Geld.

WALDBERG. Morgen – heute, wenn Sie wollen.

BLÜMLEIN. Heute, heute! es kommen oft mitten in der Nacht Geschäfte vor. Man hat verspielt, will wieder spielen, der Beutel ist leer, das Schmuckkästchen voll, da werfen sie einige Steinchen, die einzige Last der Damen, von sich. Nun, Sie kennen meine Verschwiegenheit;[232] ich ließe mich auf die Tortur bringen, ehe der Nahme einer so verehrten Unglücklichen über meine Zunge käme. So habe ich den Schmuck der Frau von Treibis, der Baroninn Walter, gebornen Runkel, der Gräfinn Halbern, der Frau von Gram –

WALDBERG. Sachte! auch ohne Tortur verrathen Sie Ihre Demantgruben.

BLÜMLEIN. Verrathen? nennen Sie das verrathen, wenn ich es meinem besten Freund in's Ohr sage?

WALDBERG. Sie kennen mich ja erst seit –

BLÜMLEIN. Seit gestern von Angesicht, aber das Vermögen, welches Sie geerbt haben, kenne ich schon lange, hätte schon einige Mahl der Baroninn darauf borgen sollen. Daraus kann ich nun auf Ihr Herz, auf Ihre Verdienste schließen; Sie tragen den Charakter eines Menschen im Gesicht, der jährlich 40,000 Gulden Einkünfte hat – sehen Sie mich an – nicht 40 Kreutzer fehlen. So sieht gerade ein Mensch aus, der mehr hat, als er braucht, und solche Gesichter sieht man jetzt äußerst selten. Erlauben Sie mir, lieber Freund, Sie recht oft zu besuchen, denn es macht mir eine wahre Seelenfreude, Sie anzusehen. Also das Geld

WALDBERG. Können Sie in zwey Stunden bey Advocat Wolf empfangen.

BLÜMLEIN. O Sie Schooßkind des Glückes – 14,000 fl. in zwey Stunden –

WALDBERG. Zwölf tausend war der Accord –

BLÜMLEIN. Recht, recht! sollte vierzehn tausend gesagt haben; aber weil Sie es sind, und weil vielleicht gar Gold –?[233]

WALDBERG. Wenn Sie wollen, Gold –

BLÜMLEIN. Gold! Gold! Wenn die Damen Gold sehen, reißen sie die letzten Steinchen von ihrem Herzen los, und sollte es auch die Carmoisirung des lieben Ehegemahls seyn – selbst der Trauring, wenn er glänzt, er muß fort; alles huldigt diesem Götzen, und ich werfe mich vor ihm in den Staub. Also – in zwey Stunden?

WALDBERG. In zwey Stunden –

BLÜMLEIN. Erhalte ich das Geld?

WALDBERG. Ja, ja!

BLÜMLEIN. Gold?

WALDBERG. Gold.

BLÜMLEIN. O Sie Goldmännchen! – Ganz gehorsamer Diener, Ihr ganz leibeigener Diener. Ab.

WALDBERG. Ich will es versuchen, will mit diesen kalten Steinen an ihr Herz schlagen, will Liebe für Marien kaufen, damit die Arme eine Mutter hat.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 2, Wien 1817, S. 229-234.
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