Zweyter Auftritt

[41] Christine. Vorige.


CHRISTINE. Guten Tag!

WALTER. Was beliebt?

CHRISTINE. Auf dem Zettel steht's geschrieben. Gibt ihm ein Papier.

WALTER liest. »Frau von Gerber bittet um den neuesten Theater-Kalender!« Winkt einem von den Dienern.

ERSTER DIENER gibt ihr ein Buch. Hier, mein Kind.

CHRISTINE. Steht auch darin, wie die Komödianten spielen?

WALTER. Wenn es auch nicht darin steht, das liest man bald in jedem Hauskalender.

CHRISTINE. Wird aufgeschrieben.[41]

WALTER. Schon gut.

FLINT für sich. Der Conto wächst auch.

CHRISTINE kehrt um. Haben Sie auch Kochbücher?

WALTER. Welche Buchhandlung hätte die nicht! – Die Classiker dürfen fehlen, aber die Kochbücher nicht.

CHRISTINE. Ich möchte kochen lernen.

WALTER. Das ist löblich.

CHRISTINE. Freilich werde ich die Hände dabey verderben, aber was hilft es; mit dem Stubendienste kommt man zu nichts. Aber in einem Hause, wo die Herrschaft auf eine gute Tafel hält, kann sich eine umsichtige Person doch etwas machen.

WALTER. Aus den Kochbüchern lernt man, glaub' ich, wie man der Herrschaft sparen soll.

CHRISTINE sieht ihn an. Warum nicht gar! Die Kochbücher sind da, damit man der Herrschaft gedruckt zeigen kann, was man braucht. Wenn man aber auch nur die Hälfte der vorgeschriebenen Quantität nimmt, und die andere Hälfte in die Tasche steckt, so wird die Speise doch gut.

WALTER lacht. Mamsell! Sie verstehen das Kochen schon.[42]

CHRISTINE. Das Dienen verstehe ich, mein Herr, das Dienen. Wer wollte im Zimmer oder Küche die Launen der Herrschaft ertragen, wenn nicht Gewinn dabey wäre? Nun, wo ist das Buch?

WALTER. Um Vergebung, diese Rubrik hat verschiedene Zweige. Sie haben sich noch nicht erklärt, ob Sie deutsch, englisch oder französisch kochen wollen?

CHRISTINE. Deutsch, mein Herr; denn die andern Sprachen versteh' ich nicht.

WALTER. Auch jene Bücher sind in's Deutsche übersetzt.

CHRISTINE. Ja? Nun, so geben Sie mir alle drey.

ERSTER DIENER hat die Bücher schon zusammen gesucht. Hier, Mamsell!

CHRISTINE nimmt sie. Sie werden meiner Frau aufgeschrieben.

FLINT steht auf. Halt, Mamsell! Frau von Gerber hat die Kochbücher nicht verlangt.

CHRISTINE schnippisch. Aber ich.

FLINT. So müssen Sie die Bücher auch bezahlen.

CHRISTINE erstaunt. Ich? Wirft die Bücher auf den Tisch. Das ist mir noch nirgend vorgekommen.[43]

WALTER. Was?

CHRISTINE. Daß man, wo meine Frau Credit hat, mir Geld abverlangt.

WALTER. Wenn Sie kaufen?

CHRISTINE lebhaft. Was? Sie, der Sie bis über die Ohren in Büchern stecken, scheinen nicht, wie es in der Welt hergeht, zu wissen? Wo die Frau kauft, kauft die Magd auch; und Jeder, der für meine Frau um Geld arbeitet, arbeitet für mich umsonst. Dem Himmel sey Dank, daß unsereins solche Artikel, die hier zu finden sind, entbehren kann. Schnell ab.

WALTER lacht. Die hat uns die Wahrheit gesagt.

FLINT. Drey Kochbücher, den einträglichsten Theil der jetzigen Literatur, einem Theater - Kalender zur Zuwage zu geben, hieße zu schleuderisch verkauft. Umgekehrt wäre es besser.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 13, Wien 1834, S. 41-44.
Lizenz:
Kategorien: