Sechszehendes Exempel.

Ein frommer Jüngling wird seiner Seelen Seligkeit halber versichert.

[20] Es war ein adelicher Jüngling: der betrachtete einstens bey sich selbsten die vielfältige Gefahren, denen die Jugend in der Welt unterworfen ist, verführt zu werden, und die Unschuld zu verliehren. Weil er dann kein Mittel sahe, diesen Gefahren zu entgehen, so lang er sich unter den Welt-Menschen aufhielte, machte er den Schluß, die Welt zu verlassen, und ein einsidlerisch Leben zu führen. Diesem Schluß zufolg, begabe er sich unwissend seiner Eltern in eine Einöde, in welcher sich etliche fromme Alt-Vätter aufhielten. Dort meldete er sich bey einem aus diesen Alt-Vättern an, mit inständiger Bitt, er wolle ihn doch in sein Hüttlein, und geistliche Zucht auf- und annehmen. Allein weil dieser Jüngling dem Alt-Vatter zu zart, und schwach vorkame, als daß er sich in das rauhe einsidlerische Leben wurde schicken können, so wolte er nicht gleich ja sagen. Weilen aber der Jüngling nicht aussetzte, und unter anderem sagte: er hoffe, GOtt werde ihm so viel Gnad geben, daß er alle Beschwernussen überwinden könnte; liesse sich der Alt-Vatter in Ansehung dieses Eifers endlich bereden, und nahme den Jüngling in sein Hüttlein auf: Da liesse sich nun der Jüngling so wohl an, daß er dem Alt-Vatter ein Freud war. Dann er stunde um Mitternacht zum Lob GOttes gantz munter auf; er gewohnete nach und nach das strenge Fasten; er casteyete seinen zarten Leib mit Geißlen. Jetzt thate er betten; jetzt psalliren; jetzt arbeiten; jetzt die himmlische Ding mit innerstem [20] Trost der Seelen betrachten. Mit einem Wort: er lebte nicht anderst, als wie einer, der schon viel Jahr in der Einöde GOtt gedienet hätte; also daß sich der Alt-Vatter selbst an ihm erbauete, und ihn dessentwegen inniglich liebte. Aber siehe! wie diese Freud des Alt-Vatters so unverhofter Weis zerstöhrt worden. Es bettete einstens dieser Alt-Vatter inbrünstig, und gantz allein in seinem Bett-Kämmerlein, und bathe GOtt, er wolte doch dem Jüngling Beständigkeit im Guten geben. Wie er nun also in seinem Gebett fortfuhre, da hörte er eine Stimm, dieses Innhalts: Vatter! höre auf für den Jüngling zu betten; dann GOtt hat ihn schon von Ewigkeit her verworfen; und wird er mit der Zeit nichts anders, als einen Höllen-Brand abgeben. Dieses ausgeredt, liesse sich die Stimm weiters nicht mehr hören. Weilen nun der Alt-Vatter geglaubt, diese Stimm müsse vom Himmel kommen seyn, erschracke er nicht anderst, als wann er vom Donner getroffen wär. Drauf hin betrübte er sich dergestalten, daß er eben gemeint, das Hertz müsse ihm vor Leidwesen, und Mitleiden zerspringen. Dann er gedachte bey sich also: ach du armer Jüngling. Sollest du dann umsonst in diese Einöde kommen seyn? solle dann dein bisher geführter frommer Lebens-Wandel kein anders End nehmen, als daß du endlich in die Höll kommest? O entsetzliche, O unerforschliche Urtheil GOttes! wegen solcher Beschaffenheit der Sachen konte der Alt-Vatter forthin den Jüngling ohne Seufzen und Vergiessung der Zäher nicht anschauen. Ja er liesse sich bisweilen mit diesen Worten vernehmen: O du armes Kind! O du armes Kind! wie erbarmest du mich! wie erbarmest du mich! dieses nun bewegte den Jüngling, daß er die Ursach solches Weinens und Klagens zu wissen verlangte. Allein der Alt-Vatter wolte es nicht gestehen. Wie aber der Jüngling nicht aussetzte zu fragen, gabe er ihm keine andere Antwort, als diese; du armes Kind! es ist besser, du wissest es nicht; dann ich wurde dich vor der Zeit bis in den Tod betrüben. Allein der Jüngling wolte an dieses noch nicht kommen; sondern sagte: mein Vatter! seye es, was es wolle; aufs wenigst werde ich wissen, woran ich bin. Ist es ein Unglück, das sich wenden laßt, wohl und gut: die Hofnung soll mein Trost seyn. Solte es aber sich nicht wenden lassen so werd ich mich ja müssen drein schicken: was will ich machen? ach, mein Kind! sagte der Alt-Vatter: es ist ein Unglück, welches all andere Unglück übertrift. Man kan und weißt sich nicht drein zu schicken; und man wird es doch tragen müssen. Wann du es aber je zu wissen verlangst, so will ich es dir gleichwol anzeigen; aber ich weiß, du wirst von Hertzen erschröcken, und vor Leid-Wesen vergehen wollen. Ich hab es schon gesagt, versetzte der Jüngling: seye es was es wolle, so verlange ich [21] es ein für allemahl zu wissen: lasset alsdann mich sorgen. So wisse dann, sagte der Alt-Vatter, daß, als ich unlängst für dich GOtt gebetten, er möchte dir Beständigkeit im Guten geben, so hab ich ein zu Stimm vom Himmel gehört, welche mich abgemahnet, für dich zu betten; in Bedencken, daß dich GOtt aus unerforschlichem, aber gerechtem Urtheil verworfen, und ewig wolle lassen zu Grund gehen. Armes Kind! könnte ich dir auch ein traurigere Zeitung bringen, als diese ist? solte sich nicht ein Stein über dich erbarmen? O was Mitleiden hab ich mit dir! wie viel besser wäre es für dich, du wärest niemahl gebohren worden! ach wie leid ist es mir, daß ich dir eine so traurige Zeitung hab müssen anzeigen! Der gute Jüngling erschracke zwar anfänglich über diese so unverhofte Zeitung, und wußte nicht, was er sagen solte. Wie er sich aber nach und nach erholet, sagte er zu dem Alt-Vatter: O! ist es nur das, so euch bishero dergestalten wegen meiner bekümmert, und ihr mir deswegen verborgen habt? höret Vatter! seyd meinetwegen ohne Sorg; ich will darum nicht aufhören, GOtt zu lieben. Eben darum, daß ich ihn in der Höll nicht werde lieben können, so will ich es jetzunder thun. Kan ich ihn in der Ewigkeit nicht lieben; so will ich ihn in der Zeit lieben. O unverhofte Antwort von diesem Jüngling! O unerschrockner Muth! O niemahl erhörte Standhaftigkeit! O Hertz, das auf keine Weis von GOtt abzuwenden ware! höret jetzt, was GOtt für ein Gefallen ab dieser Antwort gehabt! er schickte alsobald einen Engel zu dem Alt-Vatter, und liesse ihm sagen, wie daß die Stimm, so er in seinem Kämmerlein gehört, als wann sein Lehr-Jung von GOtt verworfen wär, nicht vom Himmel, sondern vom bösen Geist herkommen seye: welcher den Jüngling von seinem frommen Leben abwendig zu machen, und in die Verzweiflung zu stürtzen gehoft hätte. Der Jüngling solle aber fortfahren, GOtt in der Einöde zu dieden, und ihn beständig zu lieben, so werde GOtt nicht ermanglen, ihme darfür die ewige Glori zu geben. Wie der Alt-Vatter diese andere Zeitung gehört, da ist nicht auszusprechen, in was Freud seine bisher gehabte Traurigkeit verändert worden. Er zeigte demnach solche Zeitung ohne Verzug dem Jüngling an: er fiele ihm um den Hals, und wünschte ihm Glück, daß er durch seine Standhaftigkeit GOtt das Hertz abgewunnen, und die Versicherung erhalten, daß er ein Kind der Seligkeit seyn werde. Als der Jüngling diese Zeitung von dem Alt-Vatter verstanden, konte er sich vor Freuden selbsten nicht fassen. Er fiele auf die Knie nieder; er danckte GOtt; er lobte ihn; er opferte sich auf ein neues zu seinem Dienst auf; er schenckte sich ihme mit Leib und Seel: und da er bishero GOtt von Hertzen gedient, und ihn über alles geliebt hatte, thate er solches forthin mit noch grösserem [22] Eifer. Bliebe also beständig, bis an das End, und erwarbe auf solche Weis letztlich das Sieg-Kräutzlein der ewigen Seeligkeit. Dauroult. Specul. c. 2. Tit. 2.


O wie aufrichtig muß bey diesem Jüngling die Liebe gegen GOtt geweßt seyn! dann wie wurde er sich sonst so unbeweglich an GOtt gehalten haben? wer halt GOtt recht liebt, der sagt mit dem heiligen Job c. 13. Wann er mich schon tödten wird, so will ich doch auf ihn boffen. Dann je grösser bey uns die Liebe gegen GOtt ist, je grösser ist auch die Hofnung, und das Vertrauen auf ihn. Und wann wir in dieser Liebe beständig bleiben, so wird uns die ewige Seligkeit richtig zu Theil werden. So wollen wir dann GOtt für uns sorgen lassen: er wird alles zu unserem Heyl richten.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 20-23.
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