Achtes Exempel.

Der böse Feind will einen boßhaften Sohn im Schlaf erwürgen.

[61] Man erzählet von einem Jüngling, dessen Boßheit so groß geweßt, daß er sich nicht gescheuet, seinen leiblichen Vatter zu schänden, und zu schmähen. Ja seine Boßheit habe ihn so weit getrieben, daß er so gar den bösen Feind (O verzweifelte Boßheit!) angeruffen, nur damit er die Wüthigkeit wider den Vatter recht auslassen könnte. Als er nun mit dieser Wüthigkeit eingenommen sich einstens über Feld begeben, da begegnete ihm der böse Feind, zwar in menschlicher, aber schröcklicher Gestalt: dann er hatte einen wilden Bart, verwirrete Haar, und truge ein schmutziges, zerfetztes Kleid am Leib. Dieser fragte nun den Jüngling, wo er hinaus wolle, und warum er so verwirrt drein sehe? der Jüngling antwortete, wie daß er allererst mit seinem Vatter eines gezancket, und anjetzo ein Mittel aussinne, sich an ihme zu rächen. Eben mit dergleichen Gedancken, sagte der verstelte böse Feind, gehe ich auch um, und suche mich an einem zu rächen, mit dem ich erst einen Zanck-Handel gehabt. Lasset uns dann mit einander gehen, und die Rach ausführen. Der Jüngling ware dessen gleich zu frieden: giengen also mit einander fort, bis sie gegen einbrechender Nacht ein Wirthshaus angetroffen, in welchem sie eingekehrt, und nach dem Nachtessen in einer Kammer die Ligerstatt genommen. Es hatte aber der Jüngling kaum eingeschlaffen, siehe! da stunde der böse Feind auf, schliche zu des Jünglings Beth hin, ergriffe ihn bey der Gurgel, und [61] war schon an dem, daß er ihn erdroßlen wolte. Der Jüngling, so darüber erwachet, nahme zu allem Glück seine Zuflucht zu GOtt, mit Anruffung des heilwerthesten Namens JEsu: Worüber der böse Feind zwar die Flucht genommen; aber mit solcher Ungestimmigkeit, daß die gantze Kammer davon gezittert, und der Jüngling in solchen Schröcken gerathen, daß er halb tod da gelegn: nachdem er aber wieder zu sich selbst kommen, hat er seine Boßheit bereuet, und forthin ein bessers Leben geführt. Alexander ab Alexandro l 2. Genial. Dierum c. 19.

Mein GOtt! wie kan doch ein Kind, so nächst GOtt das Leben von den Eltern hat, so gar aller kindlicher Liebe gegen ihnen vergessen, daß es selbige schänden und schmähen darf? kan wohl auch etwas gottlosers gedenckt werden? ein solches Kind verdiente, daß man es versteinigen solte; gemäß deme, was GOtt befohlen hat Exodi 21. mit diesen Worten: wer seinem Vatter, oder Mutter flucht, der soll des Tods sterben.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 61-62.
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