Ein und zwantzigstes Exempel.

Ein verstockter Jüngling erweckt noch vor seinem End eine vollkommene Reu und Leyd über seine Sünden; und wird also seelig.

[87] In Brabant (so eine Provintz in Niderland ist) war ein Jüngling, der sich gleich von Jugend auf dem liederlichen Leben ergeben: Ein Spiler, Saufer, und geiler Mensch gewesen. Mit diesem Luder-Leben ware er nicht vergnügt; sondern tribe noch das Diebs-Handwerck darzu: und was er auf der unabgekehrten Banck ertappen konte, das mußte in seinen diebischen Händen kleben bleiben. Weilen derohalben weder Zucht, noch Ermahnung bey ihm etwas verfangen wolte, und die höchst-betrübte Elteren, und Befreunde in Sorgen stunden, er möchte mit der Zeit dem Hencker unter die Händ kommen, und also ihrem gantzen Geschlecht eine unauslöschliche Schand zuwachsen, so überliferten sie ihn der Obrigkeit, mit Bitt ihn heimlich hinrichten zu lassen. Nachdem man den Jüngling scharf examiniret, und nur gar zu vil Ubelthaten an ihm erfunden worden, die den Tod verdienten, ergienge das Urtheil, daß er in einen ledernen Sack eingenähet, und heimlich in einen Fluß solte versenckt werden. Wie man nun dem armen Sünder solches angekündet, und ihn zur Buß ermahnt, da brache er erst in gantz verzweiflete Reden aus, und liesse sich verlauten: er wolte weder dem Richter, noch seinen Elteren verzeyhen, solte er noch einmahl in den ewigen Flammen brennen und braten müssen. Man fuhre aber dannoch mit Vollziehung des ergangenen Urtheils fort: der elende Mensch wurde in einen Sack gestossen, und in einen tieffen Fluß geworffen, also daß man anderst nicht meinte, als er wäre an Leib und Seel zu Grund gangen. Bald darauf in einer Nacht erschine er dem Richter, und stellte sich neben dem Beth. Und als er befragt wurde, wie es in jener Welt mit ihm stunde? Antwortete er: ich [87] leyde zwar überaus grosse Peyn; doch bin ich nicht auf ewig verworffen. Dann wie mir schon das Wasser in das Maul zu lauffen begunte, da hat mich GOtt als ein Vatter der Barmhertzigeit, mit einem seiner Gnaden-Strahlen so weit erleuchtet, daß ich meine Sünden erkennet, und bereuet hab. Es ware mir auch um keiner anderen Ursach leyd, als daß ich meinen GOtt dieses unendliche Gut, so oft und schwerlich beleydiget hätte: des gäntzlichen Fürsatzes, wann ich davon kommen, und mir das Leben solle verlängert werden, ich gewißlich mich ernstlich besseren wolte. Weil ich aber solches nicht mehr hoffen konte, batte ich aufs wenigst, GOtte wolte mir seinem Versprechen gemäß, meine Sünden verzey hen; gleichwie auch ich denen von Hertzen verzeyhe, über welche ich vorher erzörnet, und mit Rachgird angefüllet war. Indem ich nun mit so heylsamen Gedancken umgienge, da trange das Wasser durch den Sack, und versäufte mich. Das zeitliche Leben ist zwar hin: aber der Himmel (wofür ich dem grundgütigen GOtt unendlichen Danck sage) ist mir gewiß. Mit diesen Worten ist er verschwunden. Dieser Richter erstaunte ab denen wunderlichen Urtheilen GOttes; entschluge sich der weltlichen Händel, und tratte in den Carthäuser-Orden, in welchem er gottseelig gelebet, und gestorben. Spec. Exemp. Distinct. 10. Exemplo 15.


O unerhörte Barmhertzigkeit GOttes! O mehr als vätterliches Hertz! Nach so vilen Sünden und Missethaten; nach verschobener Bekehrung bis auf die letzte hinaus: sich dannoch zum Sünder wenden; den Verstand erleuchten; den Willen bewegen; Gnad und Verzeyhung anerbieten; und noch ein seeliges End verleyhen: was für ein Güte ist dieses! was für ein Milde! ist es möglich, daß einer dieses lese, daß ers betrachte; und ihm dannoch daruber das Wasser nicht in die Augen schiesse! O was für ein hartes Hertz müßte er haben? Wenigst wird man folgen der Einladung des königlichen Propheten Davids, welche er an alle Menschen ergehen laßt mit diesen Worten: lobet den HErrn, dann er ist gut: dann seine Barmhertzigkeit währet ewiglich. Psal. 117.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 87-88.
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