Sechs und zwantzigstes Exempel.

Ein Jüngling hoft der Wollüsten in der Welt auf viele Jahr hinaus zu geniessen, und hernach in ein Closter zu gehen; wird aber in seiner Hofnung betrogen.

[96] Es wurde dieser Jüngling von GOtt zum öftern durch innerliche Einsprechungen ermahnt, in sich selbst zu gehen; den verbottenen Wollüsten den Korb zu geben, und in einem Closter Buß zu thun; allein, weil er frisch und starck, schluge er solche Einsprechungen in den Wind, und machte bey sich selbst diese Rechnung: wie? sollte ich mich bey so jungen Jahren der Wollüsten entschlagen? und darfür in ein Closter gehen? ein solches Leben ist für die junge Leut viel zu langweilig. Wie hart ist es keine Freyheit haben und gleichsam eingesperret leben! solche Art zu leben taugt besser für alte, als junge Leut; weilen bey denen Alten ohne das kein Muth mehr ist. So will ich dann meine Freyheit, und mithin der Wollüsten geniessen, weil ich noch frisch und starck bin. Mit der Zeit laßt es sich von dem Closter-Leben, und Buß thun schon noch reden. Anjetzo ist es zu frühe. Wie der böse Feind hinter diese Gedancken (welche der Jüngling ohne Zweifel dann und wann mit Worten gegen anderen seines gleichen wird zu verstehen gegeben haben) kommen, gabe er ihm auf eine Zeit ein, er sollte in das Feld hinaus spatzieren; da werde er den Guggu hören, der ihm mit seinem Geschrey werde anzeigen, wie viele Jahr er noch zu leben habe. Der freche Jüngling folget diesem aberglaubischen Gedancken; gehet den anderen Tag in aller Frühe in das Feld hinaus: und da er den Guggu gehört, rufte er ihm zu und sagte: hörst du, Guggu! sag mir her: wie viele Jahr hab ich noch zu leben? wann du mir es sagest, so will ich dir schönen Danck darfür erstatten, was geschiehet? der Guggu schreyt; und der Jüngling zehlet 22mahl. O ho, sagte er bey sich selbst: hab ich noch 22. Jahr zu leben; was wolte ich so frühe in einem Closter thun, und mich selbst also plagen? so frühe aufstehen, so viel in dem Chor stecken, so viel betten, betrachten, fasten, und in allem der Sinnlichkeit einen Abbruch thun? so will ich dann die Zeit abtheilen, [96] und noch 20. Jahr in der Welt leben, und dero Wollüsten geniessen; darnach will ich ins Closter gehen, und die noch übrige 2. Jahr GOtt schencken, und Buß thun. Dieses also bey sich beschlossen, führte er ein Leben, daß es zu erbarmen war. Essen, Trincken, Spielen, Bulen, Springen, und Tantzen, das war seine eintzige Verrichtugn. In Summa der Bauch war sein Abgott. Aber GOtt hat ihm diese Rechnung verwirret. Dann als der armseelige Mensch kaum 2. Jahr in seinem Luder-Leben zugebracht, überfiele ihn eine tödtliche Kranckheit, die ihm auch den Lebens-Faden abgeschnitten, und ihn in die andere Welt geschickt hat. Wie er werde gefahren seyn, ist leicht zu erachten; indem man von keiner Buß weißt, die er vor seinem End gethan hätte. Prompt. Exempl.

O wie viel hat der höllische Guggu schon betrogen; indem er ihnen die Hofnung eines längeren Lebens gemacht! damit sie also im sündigen fortfuhren, hoffend, sie werden auf die letzte noch Buß thun. Traue doch nicht O Jugend! wann du schon frisch und starck bist; dann der Tod zihlet mit seinen Pfeilen so wohl auf die Junge, als Alte. Zu dem, je mehr du sündigest, je mehr verkürtzest du dir selbst die Jahr deines Lebens. Gedencke nicht also: ich bin noch jung, ich kan noch allezeit Buß thun. Freylich kanst du Buß thun. Es ist aber die Frag, ob du es thun werdest? heut noch verspricht dir GOtt Gnad und Verzeyhung deiner Sünden, wann du heut noch wirst Buß thun: aber er verspricht dir nich den morgigenTag, daß er dich selbigen wolle erleben lassen, damit du noch Buß thun mögest. Wie darffest du dann die Buß bis auf den morgigen Tag verschieben? O Blindheit!

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 96-97.
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