Zwantzigstes Exempel.

Der Geist eines verstorbenen Herrn erscheint nach dem Tod einer Magd im Haus, und begehrt Hülf von ihr.

[195] Um das Jahr Christi 1581. ist zu Hertzogen-Busch, einer Holländischen Stadt (die aber dazumahl noch unter Spanien gehörte, und Catholisch war) ein gewisser Herr gestorben, welcher bey Leb-Zeiten einen ehrlichen Wandel geführt hatte. Ein Jahr nach seinem Tod erschiene er einer Magd im Haus, in eben denen Kleideren, die er bey Leb-Zeiten getragen. Er war angethan mit einem schwartzen Mantel; hatte das Haupt unbedeckt; hebte aber gleich einem Bettenden die Händ gen Himmel. Nachdem er in solchem Aufzug eine Zeitlang vor den Augen der Magd gestanden, thate er endlich den Mantel von einander. Und siehe! es schlugen allenthalben feurige Flammen herhaus: worüber er verschwunden. Die Magd aber erschracke so heftig darüber, daß sie in eine Ohnmacht dahin gefallen. Nachdem sie sich nach und nach wiederum erholet, und des Verstorbenen hinterlassenen Töchteren im Haus erzählet, was ihr begegnet, ward sie von ihnen gebetten, sie möchte doch den Geist des Verstorbenen, wann er ihr etwann noch einmahl erscheinen solte, anfragen, ob? und wie ihm zu helfen wäre? als aber die Magd sich entschuldigte, wie daß sie ihr vor Forcht solches zu thun nicht getraute, zeigten es die Töchteren dem Pfarrer des Orts an: welcher dann der Magd zugesprochen, sie solte ihr nicht förchten; dann wann sie in einem guten Stand seye, und kein Tod-Sünd auf ihr habe, werde ihr kein Leid widerfahren. Was geschiehet? die Magd laßt sich überreden. Bald darauf erscheint ihr der Geist das andermahl in voriger Gestalt; und redet sie an mit diesen Worten: Warum hilfest du mir nicht? was förchtest du dir? es wird dir nichts geschehen. Die Magd antwortete, wie daß sie bishero voller Forcht geweßt wäre, und deswegen ihn anzufragen ihr nicht getraut hätte. Weil er aber das andermahl zu ihr komme, so soll er nur sagen, was er verlange? sie wolle thun, so viel ihr möglich seyn werde. Da sagte der Geist: wie daß man erstlich für ihn müßte drey heilige Messen lesen lassen. Andertens hätte er einstens, da er kranck gewesen, um vorige Gesundheit wiederum zu erlangen, in eine gewisse Kirchen (die er auch benamset) ein Opfer versprochen, welches er aber bis dahin abzulegen versaumt hätte: dieses müßte noch, und zwar mit nächstem abgelegt werden. Drittens ersuchte er seine hinterlassene Töchteren, daß sie doch fleißg für ihn betten wollen. Und als die Magd, diesem allem treulich nachzukommen versprochen, ist er ver schwunden. Da aber die Magd das versprochene Opfer in die ihr bedeutete [196] Kirchen truge, erschiene ihr der Geist abermahl, und gienge mit aufgehebten Händen vor ihr her. Ja, wie sie mit einander in die Kirchen kommen, und das Opfer abgelegt worden, kniete der Geist neben der Magd vor dem hohen Altar nieder, und thate das Gebett mit ihr verrichten. Nachgehends begleitete er sie wiederum mit aufgehebten Händen nach Haus zuruck, ohne daß er unter Weegs ein Wort mit ihr geredt hätte. Worauf er abermahl verschwunden. Es stunde aber nicht lang darauf an, so kame der Geist das letztemahl zu der Magd, und zwar bey nächtlicher Weil: weckte sie auf, und sagte: stehe eilends auf; dann ich werd mich hier nicht lang mehr aufhalten. Als die Magd aufgestanden, und angekleidet war, führte er sie mit sich in den Hof des Hauses, allwo gähling durch ein helles Liecht alles erleuchtet worden. Da sagte der Geist zu ihr: Gehe hin zu meinem Bruder, der noch bey Leben ist, und sage ihm in meinem Namen: er und die Seinige sollen fein beständig im Catholischen Glauben verharren; dann ausset diesem könne keiner selig werden: sollen auch fleißig für die Verstorbene betten. O wann sie wußten, was die arme Seelen im Fegfeur leiden müssen, wie wurden sie Tag und Nacht für sie betten! was mich anbelangt, hätte ich fünf Jahr lang müssen im Fegfeur lei den: aber wegen dem Gebett, so die Meinige für mich verrichtet haben, seynd mir vier Jahr, und so viel Täg nachgelassen worden; und bin ich jetzt (GOtt Lob, und Danck!) einmahl aus der Pein erlößt, und gehe der ewigen Freud zu. Als die Magd von ihm zu wissen verlangte, wie es diesem und jenem, ihren Freunden und Bekannten, in der andern Welt gehe? antwortete er: wie daß er von GOtt kein Erlaubnuß hätte, ihr solches zu offenbaren. Setzte doch hinzu: sie solle nicht aufhören, für sie zu betten. Als er dies geredt, bedanckte er sich gegen der Magd, und denen Seinigen für alles, was sie ihn zu erlösen gethan hatten, mit dem Versprechen, daß er auch für sie vor GOttes Angesicht treulich bitten wolle. Nach diesen Worten fienge er wie die Sonn an zu glantzen, hebte die Händ gleich einem Bettenden über sich, und fuhre in solchem Glantz freudig dem Himmel zu. Bredenbach Sacr. Collat. l. 8. c. 40.


Was für ein grosses Werck der Liebe ist es, wann man für die Abgestorbene bettet, und auf solche Weis ihre Erlösung befördert! damit sie nicht länger aufgehalten werden, GOtt anzuschauen; ihn vollkommentlich zu lieben, und zu loben! wie seufzen diese arme Tröpflein in dem Fegfeur, bis daß sie ihr letztes Ziel und End, zu welchem sie erschaffen worden (nemlich die ewige Seeligkeit) erreichen! wie gedunckt sie ein jede Stund, eine halbe Ewigkeit zu seyn! wie warten sie auf das Gebett der Glaubigen auf Erden, um dardurch die restierende Straf für die Schuld ihrer Sünden abzahlen zu können! und solte es auch nur [197] in diesen kurtzen Worten bestehen: Tröste GOtt die Abgestorbene: GOtt gebe ihnen die ewige Ruhe! wann man aber noch darzu für sie Allmosen giebt; oder eine Heil. Meß lesen laßt, O wie bald wird ihnen dardurch aus ihrer Pein geholfen! und warum solte man es nicht thun? in Bedencken, daß ein erlößte Seel, wann sie vor GOttes Angesicht kommet, nicht wird nachlassen, so lang und viel für ihren Gutthäter zu bitten, bis auch er mit der Zeit ihr in dem Himmel beygesellet werde. Wie trostreich ist dieses! und wie oft soll man an jenen Spruch Christi gedencken: Selig seynd die Barmhertzige; dann sie werden Barmhertzigkeit erlangen! Matth 5. solche seynd die mitleidige Gutthäter der armen Seelen im Fegfeur.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 195-198.
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