Zwey und fünftzigstes Exempel.

Ein Edler Printz führt einen unschuldigen Wandel, und stirbt voll des Trostes.

[295] In dem vorigen Jahr hundert lebte in Paraquarien (einem Land in der neuen Welt) ein edler Printz, dessen Wandel so unschuldig, daß der Priester in Anhörung seiner Beicht erstaunte, und fast vor unmöglich hielte, daß ein Mensch von Kindheit in der Wüsteney, und mitten unter denen Laster-vollen, ja halb viehischen Heyden erzogen, dannoch so weit von allen Sünden sollte entfernet seyn, als hätte er gelebt in einer Gesellschaft, in welcher er nichts anders, als lauter Exempel der Tugenden gesehen, die ihn zur Nachfolg angetrieben. Nun hatte GOtt an dieser ungewöhnlichen Unschuld ein so grosses Belieben, daß er ihn durch den Tod aus diesem Zeitlichen in das ewige Leben versetzen wollte. Hierzu gabe Gelegenheit die Sucht der Pestilentz, welche fast das gantze Land überzogen, und unter andern auch diesen gottseeligen Printzen ergriffen; der sich aber deßwegen im geringsten nicht entsetzt, sondern allein besorgt war, einen Priester zu haben, der ihm die heilige Sacramenten der Sterbenden reichte, und seine Seel durch geistliches Zusprechen zum Abdruck geschickt machte. Welches er dann auch nach Wunsch erhalten. Als die Kranckheit anhielte, sagte er öfters mit fröhlichem Angesicht, er förchte ihm nicht zu sterben, verlange auch nicht länger zu leben, sondern nur dieses wünsche er, daß der Allerheiligste Willen GOttes, als seines allerliebsten Vatters, und Schöpfers vollkommentlich an ihm erfüllet werde. Wohl ein heiliger Wunsch, ein auferbäuliche Red, es schiene, als wäre er von Jugend auf in einem Closter erzogen, und zu allem Guten angewiesen worden; also geistreich waren seine Gespräch, und inbrünstig die Anmuthungen zu GOtt. Nachdem er die Heilige Sacramenten der Sterbenden mit grosser Andacht empfangen, rufte er seine Kinder, und Gemahlin vor sich, und ermahnte sie mit gantz eyfrigen Worten zu einem recht Christlichen Lebens-Wandel, darinn sie bis auf den letzten Athem verharren, auch lieber alle Marter ausstehen sollten, als den wahren, und so liebreichen GOtt im geringsten beleydigen, oder einen Finger breit von seinem göttlichen Gesatz abweichen. Versprache ihnen hinwiederum, daß auch GOtt seines Theils nichts an ihme ermanglen, sondern mit aller Gnad, und erwünschter Beyhülf ihnen beystehen, und als ein treuer Vatter, und Schutz-Herr versorgen werde. Als er ihnen solcher Gestalt zugesprochen, und Abschied genommen, rufte er zu sich den Priester, [296] von dem er mit denen heiligen Sacramenten auf den Weeg in die Ewigkeit versehen worden, und sagte: Pater, ihr sollet wissen, daß, als ihr mir den Fronleichnam unsers HErrn JEsu Christi gebracht, ich gesehen hab vor euch hertretten zwey Knaben, von überaus schöner Gestalt, und liebreichen Gebärden mit zwey weissen brinnenden Facklen in Händen. O wie holdseelig war ihr Angesicht wie schön und köstlich ihre Kleidung, sie lagen die gantze Zeit mit höchster Ehrerbietung aus ihren Knyen, und lächelten mich an mit unaussprechlicher Freundlichkeit. Unter währender solcher Red überfiele ihn eine so freudige Süßigkeit, und inbrünstiges Verlangen GOtt anzuschauen, daß er mit himmlischem Trost übergossen, gantz sanftiglich darinn entschlaffen, und seine Seel in die Händ ihres Schöpfers geliefert hat. Hazart S. J. in der Paraquarischen Kirchen-Geschicht c. 3.


O GOtt! wann ein Mensch, so mitten unter den lasterhaften Heyden erzogen worden, dannoch gottseelig und tugendhaft gelebt, wie viel mehr sollen es thun diejenige, welche unter denen Christen leben, so viel gute Exempel an ihrem Nächsten sehen, so viel nutzliche Predigen hören; und wann das nicht geschiehet, was für eine Verantwortung machen sie ihnen vor GOtt, wahrhaftig! je mehrer einer Gelegenheit hat Gutes zu thun, und es doch nicht thut, je strenger wird auch sein Gericht seyn.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 295-297.
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