Erstes Gespräch.

Schutz-Engel.

[409] Weil du mir von dem lieben GOtt bist anbefohlen worden, Sorg für dich zu tragen, damit du auf dem Weeg seiner Gebotten unaufhörlich fort wandlest, und mithin die ewige Seligkeit, zu welcher du erschaffen worden, erlangest; so hoffe ich, du werdest mir treulich folgen, wann ich dir etwas rathen werde, so deiner Seelen-Heil befördern kan.

Pfleg-Kind. Ach ja! mein Heil. Schutz-Engel. Dann, weil ich von dem ersten Augenblick meines Lebens an so viel Gutthaten von dir empfangen hab, so wurde ich ja undanckbar seyn, wann ich dir nicht folgen solte. Was rathest du mir aber?

Schutz-Engel. Ich rathe dir, daß nächst GOtt Mariam sonderbar verehren sollest. 1. Weil sie die Mutter GOttes ist. Was ist billichers, als daß ihr Menschen die Mutter eures Erlösers verehret? 2. Weil sie diejenige, von welchen sie beständig verehret wird, nicht leicht zu Grund gehen lasset. Wie trostreich ist dieses euch Menschen nicht anzuhören?

Pfleg-Kind. Ja mein H. Schutz-Engel, ich will dir folgen; dann die beygebrachte Ursachen gehen meinem Gemüth ein, und ich befinde mich dardurch nicht wenig bewegt; allein, auf was Weis kan ich die Mutter GOttes sonderbar verehren?

Schutz-Engel. 1. Wann du ihr nachfolgest in der Reinigkeit und Demuth: dann diese Tugenden liebt sie vor andern. 2. Wann du ihr zu Ehr öfters sprechen wirst den Englischen [409] Gruß, und zwar nicht allein, wann Morgens, Mittags, und Abends das Zeichen mit der Glocken darzu gegeben wird; sondern auch so oft du hörest die Stund schlagen, ist ja kein schwere Sach?

Pfleg-Kind. Welcher Catholischer Christ solte sich darüber beschweren? allein, wer hat diesen Gruß abgelegt?

Schutz-Engel. Der Ertz-Engel Gabriel, so einer aus den vornehmsten der Englen im Himmel ist, und zwar hat er ihn abgelegt im Namen der allerheiligsten Dreyfaltigkeit, mit diesen Worten: Gegrüßt seyest du Maria, voller Gnaden, der HERR ist mit dir. Die Wort aber du bist gebenedeyt unter denen Weibern, und gebenedeyt ist die Frucht deines Leibs, hat gesprochen aus Eingebung des Heil. Geists die Heil. Elisabeth, als sie von Maria ihrer Baas, welche den Sohn GOttes unter ihrem Jungfräulichen Hertzen truge, ist heimgesucht worden. Wiewohl den erstern Theil dieser Worten auch gesprochen hat der Ertz-Engel Gabriel, und ist also von der Heil. Elisabeth nur wiederholet worden. Den Beschluß hat gemacht die Catholische Kirch mit folgenden Worten: Heilige Maria, Mutter GOttes, bitt für uns arme Sünder jetzt und in der Stund unsers Absterbens, Amen.

Pfleg-Kind. Solle dann die Mutter GOttes durch diesen Gruß sonderbar verehret werden?

Schutz-Engel. Freylich ja, dann gleich nach diesem Gruß, da Maria dem Engel auf folgende Weis geantwortet: siehe! ich bin ein Magd des HErrn: mir geschehe nach deinem Wort, ist sie von dem Heil. Geist überschattet worden, und hat ohne Verletzung ihrer Jungfräulichen Reinigkeit den Sohn GOttes empfangen. Was grössere Ehr und Freud hätte ihr wiederfahren können? Nun aber dieser Freud wird sie erinnert, so oft man den Englischen Gruß spricht. Es wollen auch diese Wort: Gegrüßt seyest du Maria so viel sagen, als: freu dich Maria. O diese Freud, welche Maria dazumahl gehabt, ist unaussprechlich.

Pfleg-Kind. Ich möchte wohl eine Begebenheit hören, woraus zu ersehen wäre, wie der Englische Gruß der Mutter GOttes sonderbar angenehm seye.

Schutz-Engel. Vernehme folgende, wie sie von glaubwürdigen und Catholischen Scribenten erzählt wird, welches ich auch von mehreren nachfolgenden will verstanden haben.


Begebenheit.

Im Jahr Christi 1608. hat es sich zugetragen, daß ein Lutheraner schwerlich erkrancket; und weil er gemerckt, daß seines Aufkommens kein Hofnung seye, liesse er zu sich beruffen einen Catholischen Priester. Es [410] hatten sich zwar seine Befreundte viel bemühet, dieses zu verhindern, mit Bedrohung, daß sie ihm alles, was er hatte, wollten hinweg nehmen. Allein er bliebe beständig auf seinem Begehren, und sagte, es liege ihm nichts an den zeitlichen Gütern, wann er nur die ewige nicht verliehre; welche er zu erlangen hoffe durch den Beystand eines Catholischen Priesters. Als nun dieser zu ihm kommen, und ihn um die Ursach gefragt, warum er nicht vielmehr einen Prädicanten begehrt habe? da gabe er zur Antwort: Wohl Ehrwürdiger Herr, wisset, daß mir verwichene Nacht (am Fest der Unbefleckten Empfängnuß Mariä) die Mutter GOttes erschienen ist, welche zu mir folgende Wort gesprochen: weil du mich oftmahl mit dem Englischen Gruß verehret hast, so bin ich kommen, dir anzudeuten, daß du in eben derjenigen Nacht dein Leben beschliessen werdest, in welcher ich den Sohn GOttes auf die Welt gebohren hab. Deswegen ergiebe dich in die Schoos der Catholischen, und allein seligmachenden Kirchen, und lasse dich nach Catholischem Brauch mit den Sacramenten der Sterbenden versehen; hernach will ich wiederum kommen, dich abzuholen, und dein Seel mit mir in Himmel zu nehmen. Der Priester sich hierüber verwunderend, fragte, wie dieses seyn könne? dieweil er ein Lutheraner sey? die Lutheraner aber machen sich ja um die Mutter GOttes nicht verdient, daß sie ihnen erscheinen, und so herrliche Ding verkündigen solle? auf diese Frag antwortet der Krancke: Es ist wahr, wie ihr sagt, allein ihr müsset wissen, daß ich auf eine Zeit in eure Predig kommen, in welcher ihr euch unter andern habt verlauten lassen, wie angenehm es der Mutter Gottes seye, wann man sie mit dem Englischen Gruß verehre. Dieses liesse ich mir dann gesagt seyn; und deswegen hab ich von selbiger Stund an die Mutter GOttes täglich des Morgens und Abends kniend mit dem Englischen Gruß siebenmahl verehret, und dieses ist alles, was ich ihr zu Ehren gethan hab. Mein GOTT! wie wenig aber war dieses? und dannoch (O wie groß ist Mariä Gütigkeit!) hat sie sich gewürdiget, mir armen Sünder zu erscheinen, und mich der ewigen Seligkeit zu versichern. Nun dann, Wohl-Ehrwürdiger Herr! so gelangt an euch mein demüthige Bitt, ihr wollet mich in eurem Catholischen Glauben, den ich jetzt durch GOttes Gnad erkenne, kürtzlich, und so viel nöthig, unterrichten, und mir die heilige Sacramenten der Sterbenden ertheilen. Als dieses geschehen, ist er in der heiligen Weyhnacht (wie ihm vorgesagt worden) voll des Trosts in dem HErrn verschieden. Auriemma S.J. nel Theatro Mariano.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 409-411.
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