Vierte Begebenheit.

Eine Kinds-Mörderin wird durch Kraft des Heil. Rosenkrantzes, nachdem sie lebendig unter die Erden vergraben worden, wunderbarlich beym Leben erhalten.

[424] Nachdem sich diese, als ein leichtfertige Dirn, mit einem Kerl, der nicht besser als sie ware, verfehlet, und vermerckt, daß sie grosses Leibs worden, lebte sie in stetten Sorgen, ihre Schand-That möchte auskommen. In diesem schweren Anligen gehet sie in die Kirch, und kommt eben in eine Predig, in welcher dem Volck die Kraft des Heil. Rosenkrantzes ausgelegt, und unter anderen auch gesagt wurde, daß alle diejenige, welche sich in schweren Anligen befinden, und sich der Mutter GOttes in der Bruderschaft des Heil. Rosenkrantzes befehlen, daraus wurden erlediget werden. Diese Wort fassete diese betrübte Person tief zu Gemüth; liesse sich in die Bruderschaft einschreiben, und bettete den Rosenkrantz mit grossen Eiffer. Endlich kame die Zeit der Geburt herbey, und sie gebahre in aller Geheim ein Söhnlein. Weilen sie dann sahe, daß niemand von der Sach wußte, entschlosse sie sich, das Kind (O Grausamkeit!) umzubringen, welches sie auch aus Antrieb des bösen Feinds in das Werck gesetzt, und nach begangener Mordthat das Kind heimlich begraben hat; GOtt aber, der das Unrecht nicht ungestraft laßt, [424] wolte nicht, daß diese unmenschliche That solte verborgen bleiben; sondern liesse zu, daß es der Obrigkeit kund und offenbar wurde; derowegen sie, als eine Mörderin ihrer eigenen Leibs-Frucht gefangen, und durch die Folter gezwungen worden, daß sie ihre entsetzliche That selbsten bekennt, und deswegen zum Tod verurtheilt worden. Das Urtheil aber ware, daß sie lebendig unter die Erden solle vergraben werden; welches auch an ihr vollzogen worden. Uber viel Stund hernach, als jedermann vermeint, sie wäre schon verstickt, und tod, da hörte man aus dem Grab eine Stimm schreyen: helffet mir! ach helffet mir! dann ich lebe noch. Als die Leut solches gehört, kame sie ein grosser Schröcken an, ruften also einen Priester zu diesem Wunder-Werck, und wurde endlich ein grosser Zulauf zu dem Grab. Das Grab wird demnach eröfnet, und die Person frisch und unverletzt gefunden. Weil nun jedermann über dieses Mirackul sich höchstens verwundert, und zu wissen verlangt, wie sie beym Leben habe verbleiben können, da vernahme man von ihr, daß dieses allein geschehen seye wegen der Andacht, die sie getragen zu der Mutter GOttes, und ihrem Heil. Rosenkrantz. Sagte auch, daß sie vor ihrem End nicht recht gebeichtet hab; weswegen sie ewiglich wäre verdammt worden. Es habe sich aber die Mutter GOttes in das Mittel gelegt, und bey ihrem Sohn so viel zu wegen gebracht, daß sie vollkommentlich habe beichten können. Ferners sagte sie zu dem umstehenden Volck: O wann ich euch erzählen solte die entsetzliche Peynen, welche auf mich gewartet haben, so wurden euch die Haar gen Berg stehen. Von diesen aber allen bin ich allein durch das Gebett des Heil. Rosenkrantzes erlediget worden. Diese Person hat hernach noch lang gelebt, und ihr Leben in beständiger Verehrung Mariä, und Andacht ihres Rosenkrantzes zugebracht. Ex cit. lib. c. 3. Exemp. 28.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 424-425.
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