Fünfzehentes Gespräch.

[472] Pflegkind. Jetzt hab ich einen zimlichen Bericht eingenommen, wie ich unser liebe Frau verehren solle. Bitte du für mich, mein H. Schutz-Engel, den lieben GOtt, daß er mir ein kräftige Gnad gebe, damit ich demjenigen fleißig und beständig nachkomme, was ich von dir gelernet hab.

Schutz-Engel. Ich werde es thun, so lang du meinen Einsprechungen [472] folgen wirst. Unterdessen seye getreu an dem lieben GOtt in Haltung seiner heiligen Gebotten. Dann das ist das nothwendigste, in den Himmel zu kommen, Wer aber die Mutter GOttes beständig verehret, dem wird sie auch durch ihre mächtige Fürbitt bey ihrem lieben Sohn kräftige Gnad ausbitten, seine Gebott zu halten. Und wann das geschiehet, so wirst du mit mir in ewiger Glückseeligkeit leben.

Pflegkind. O daß mir dieses wiederfahre! wie will ich mit dir den lieben GOtt lieben, loben und preysen, und das in alle Ewigkeit! Unterdessen möchte ich wohl ein Lied haben, worinn die Mutter GOttes zum Beystand im Todbeth angeruffen wird. Dann so ich diesen Beystand haben wurde, steht es mit meiner Seeligkeit auf guten Weegen.

Schutz-Engel. So seye es. Und zwar wird folgen des nicht undienlich seyn. Die Melodey ist, wie in dem Lied: Wo ist JEsus mein Verlangen?


Lied.

1.

Wann mein Schiflein wird anländen,

An dem Port der Ewigkeit;

Wann sich wird das Leben enden,

Wann wird seyn der letzte Streit;

O Maria steh zur Seiten,

Laß mich dir befohlen seyn;

Leit mein Schiflein, hilf mir streiten,

Hilf, O liebste Mutter mein.


2.

Wann mich meine Freund verlassen,

Und ich keinen Trost mehr find;

Wollst mich liebreich dort umfassen,

Nicht gedencken meiner Sünd;

O Maria mich errette,

Steh mir bey, verlaß mich nit;

Wann die Waage instehn thäte,

Komm zu Hülf, diß ist mein Bitt.


3.

Wann ich von dir müßte scheiden,

Gehen in die ewige Peyn;

Laß mein Seel nicht Schifbruch leyden,

Laß mich dir befohlen seyn;

O Maria Brunn der Gnaden,

Reich mir deine Gnaden-Händ;

Laß die Feinde mir nicht schaden,

Deine Augen zu mir wend.


4.

Zu dir setz ich mein Vertrauen,

Von dir will nicht lassen ab;

O mein Trost auf dich will bauen,

Bis ich liegen muß im Grab;

Ewig, ewig will dich lieben,

Ewig will dein eygen seyn;

Laß im Tod mich nichts betrüben,

Hilf O liebste Mutter mein.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 472-473.
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