Zehente Begebenheit.

Etlichen, so sich in einem Wirthshaus voll gesoffen, kommt selbiges nicht anders vor, als eine auf dem Meer herum fahrende Galeere.

[502] Zu Straßburg, einer Stadt im Elsas sollte es sich vor Zeiten zugetragen haben, daß ihrer etliche aus der jungen Bursch sich an einem Morgen in einem Wirthshaus zusammen gesetzt und also im Wein gezecht, bis sie darvon voll und toll worden. Ja es kame ihnen das Wirths-Haus nicht anderst vor, als wäre es eine Galeere, in welcher sie auf dem Meer, so von Sturm-Winden wäre erregt worden, und ungeheure Wellen thäte aufwerffen, herum führen, mit äusserster Gefahr Schifbruch zu leyden, und mithin zu ersauffen. Und was Wunder, daß sie es ihnen also eingebildet haben, als bey welchen die Vernunft gleichsam in dem Wein herum schwimmete? Was also die Schifleut, so auf dem Meer fahren, und wegen gähling entstandenem Sturmwind in Gefahr des Schifbruchs seynd, zu thun pflegen, das thaten diese Gesellen auch; indem sie vom Tisch, an dem sie getruncken, eylends aufstunden, die Stühl auf ein Seiten ruckten, und mit aufgehebten Händen und lauter Stimm gen Himmel ruften, GOtt wolle sie doch nicht lassen zu Grund gehen. Lauften darnach in dem Haus von einem Winckel in den andern, wo nemlich die Forcht sie hin treibte; Da begabe sich einer in den Keller, vermeynend, er befinde sich auf dem Schifboden, dort ein anderer in ein Kammer, und verstopfte die Klumsen der Wänden mit Lumpen, damit das Meerwasser nicht möchte hinein rinnen. Wiederum kletterte einer ins Camin hinauf, der gäntzlichen Meynung, es wäre der Segelbaum, schaute mithin zu oberst hinaus, um zu erfahren, was für ein Gestirn am Himmel wäre. Ein anderer lieffe in die Stuben, und hebte das Ohr an die Fenster um das Sausen der Sturmwinden zu vernehmen; indem er aber das Fenster aufmachte, und über die Gassen hinüber ein Haus ersahe, mithin sich einbildete, es wäre ein schrofiger Felsen des Meers, schrye er überlaut zu den andern Cameraden: O ihr Leut, lasset doch geschwind den Segel herunter, sonst fahren wir auf einen Felsen, und wird mithin das Schif zu Grund gehen Saumet euch doch nicht, dann die Gefahr könnte nicht grösser seyn. Durch dieses Schreyen wurde die Forcht bey den andern noch grösser, und weil es sie gedunckte, die Wasser-Wellen wurden das eingebildete Schif überdecken, und in die Tieffe versencken, warffen sie alles zum Fenster auf die Gassen hinaus, was sie meynten, daß selbiges beschweren könnte; Nemlich Krüg, [503] Kandten, Teller, Stühl, und was sich halt hinaus werffen liesse, damit nemlich das eingebildete Schif erleichtert, und mithin die Gefahr zu ertrincken vermeydet wurde. Wie nun die Benachbahrte dieses Getümmel gehört, lauffen sie auf die Gassen, und für das Wirthshaus hin, und wie sie sahen, daß die volle Bursch mit Auswerffen noch beschäftiget waren, ruften sie; Was ist das, ihr Leut? was fangt ihr für ein Getümmel an? seyd ihr etwan gar von Sinnen kommen? die volle Bursch diß hörend, glaubten anders nicht, als die ruffende Benachbarte müssen Meer-Fisch seyn. Aus Forcht also, von ihnen verschluckt zu werden, warffen sie alles nach ihnen zum Fenster hinaus, was sie erwischten. Als endlich der Schultheiß der Stadt, von diesem Getümmel berichtet, herbey kame, um selbiges zu stillen, hielten sie gäntzlich darfür, er müsse der erdichtete Meer-GOtt Neptunus seyn. Hebten also die Händ gegen ihm auf, und baten, er wollte sie doch aus dieser Gefahr des Schifbruchs erretten, mit dem Gelübd, ihm ein Danck-Opfer abzustatten, Falls sie wiederum auf das trockene Land kommen sollten. Der Schultheis diß hörend, sahe wohl, daß diese Leut von Sinnen kommen. Befahle demnach, sie in ein Schlaf-Kammer zu führen, damit sie allda ausruhen, und den übermäßig zu sich genommenen Wein ausdämpfeu konnten. Welches dann auch geschehen, und seynd diese volle Bursch, nachdem sie genug geschlaffen, endlich wiederum zu sich selbsten kommen. Gazæus S.J. in piis Hil. ex Richeom in Pictura Spirit.


Wie schandlich ist es, wann die edle Vernunft dem Wein unterliegen muß! dann, was ist diß anders, als freywillig dem unvernünftigen Vieh gleich werden? Könnte sich auch der Mensch, als ein Ebenbild GOttes, mehr entunehren, als er auf solche Weiß thut? Aber hören die Weinschläuch, was ihnen der Prophet Isaias sagt c. 5. Wehe euch, die ihr mächtig seyd, Wein zu trincken, und starcke Männer miteinander euch voll zu sauffen! wehe euch in Ewigkeit! dann für euer unmäßiges Sauffen werdet ihr müssen einen ewigen Durst leyden.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 502-504.
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