Eilfte Begebenheit.

Ein Edelfrau in Deutschland erwiese denen Calvinischen Prädicanten, die alles dem unvermeydlichen Verhängnus zuschrieben, einen artigen Schimpf; indem sie selbige verstellter Weis zu einem Mittagmahl eingeladen, aber mit hungerigem Bauch wiederum nach Haus hat kehren lassen.

[504] Diese Edel-Frau hörte oft mit Unwillen die Calvinische Prädicanten von der Cantzel herunter schreyen, daß alles, was sich auf dieser Welt zutrage, aus einer unvermeydlichen Nothwendigkeit geschehe, weilen nemlich (wie sie vorgeben) von Ewigkeit her schon alles beschlossen worden. Folgends, stehe es nicht in des Menschen Willkur diß zu thun, oder jenes zu lassen; welches aber eine falsche, ketzerische, und von der Catholischen Kirchen verdammte Lehr ist. Hierüber nun gleichsam eine Comödie anzustellen, ladete gedachte Edel-Frau auf einen gewissen Tag etliche solche Prädicanten samt ihren Frauen auf ein Mittagmahl ein. Und damit sie einen rechten Appetit nach guten Bißlein möchten bekommen, geschahe die Einladung drey Tag vorher. Die Eingeladene sagten zu, und meynten eben, sie können die Zeit nicht erwarten, bis sie dieses Gastmahls genießten. Als nun der dritte Tag angebrochen, da stellte sich ein jeder Prädicant mit seiner Frau ein, welche dann alle von der Edel-Frau aufs freundlichste bewillkommt, und in den Eß-Saal geführt worden, mit Bitt, sich zu gedulten, bis man die Speisen auftragen wurde. Nun war der Saal mit kostbaren Teppichen umhänget, und die Tafel in der Mitte nicht allein gedeckt, sondern auch mit allem, was darzu gehörte, versehen. Unterdessen, damit die Zeit bis zum Essen vertrieben wurde, gienge da ein Paar, dort ein anders in dem Saal auf und ab spatzieren, und führten mithin ein Gespräch, was Gestalten sie aus einem unvermeydlichen Verhängnus in diesem Haus zusammen kommen wären, um darinn Gast zu seyn. Das seye schon von Ewigkeit her also beschlossen worden, und habe also seyn müssen. Indem sie solches Gespräch miteinander führten, gienge die Edel-Frau bald zum Saal hinaus, bald hinein. Jetzt brachte sie ein Saltz-Büchslein herbey: Jetzt zählte sie die Teller ab, setzt richtete sie die Sessel in eine Ordnung, bald thate sie ein anders; nur damit unterdessen die Zeit fürbey gienge. Alsdann rufte sie in die Kuchel, man sollte das Feur auf dem Herd recht schieren, damit die Speisen desto ehender theils gekocht, theils gebraten wurden. Und nachdem sie verstellter Weiß bald diesen, [505] bald jenen Befehl ertheilt, sagte sie endlich zu denen Gästen: Nun, ihr Herren Geistliche! samt eueren Frauen: laßt euch belieben, nieder zu sitzen: ich will alsobald lassen auftragen. Die Gäst, welche hungerig waren (dann sie hatten sich schon drey Tag lang auf dieses Gastmahl gesparet, und desto weniger zu Haus geessen) liessen sich nicht lang bitten, sonderen nahmen gleich Platz ein: wo dann ein jeder Prädicant seine Frau an der Seiten hatte. Da sie nun also beysammen sassen, kame ein Diener nach dem andern in den Saal hinein. Dieser truge in einem Korb Gläser daher; jener einen Schwenck-Kessel mit Wasser, die Gläser damit auszuschwencken, ein anderer ein Dutzet Teller, selbige denen Gästen unter dem Essen vorzulegen, wann sie etwann frische wurden vonnöthen haben. In Summa: Es hatte das Ansehen, man wurde bald auftragen. So geschahe es dann, daß die Prädicanten wiederum ihr voriges Gespräch fortsetzten; mit Vermelden, wie daß es also habe seyn müssen, daß sie in diesem Haus zusammen kämen, um darinn ein stattliches Mittagmahl einzunehmen. O! sagte einer: Wie will ich mir Gesottenes und Gebrattenes schmecken lassen; dann es hungert mich, wie einen Wolf. Ein anderer: O! wie will ich von dem ausländischen Wein, den die Frau des Haus in dem Keller hat, Bescheid thun; dann ich trincke gern etwas Gutes. Unterdessen schlagte es auf der Uhr 1. 2. 3. mithin wurde doch nichts aufgetragen. Es lauften zwar die Diener aus und ein, und sagten immerdar: Nur ein kleine Gedult: es wird bald etwas kommen: bald bald. Aber nichts wenigers geschahe, als dieses bald. So wurden dann die Gäst endlich müd, und sagte einer aus den ältesten Prädicanten: Was ist doch das? wie lang werden wir auf das Mittagmahl warten müssen? ich höre in der Kuchel das Feuer auf dem Herd braschlen; ich höre den Bratspies gehen; und dannoch kommt nichts auf die Tafel. O wann doch bald etwas aus dem versprochenen Bald wurde! wahrhaftig, es wäre einmahl Zeit; sonst wird aus dem Mittagmahl ein Abendmahl werden. Gebe man wenigst einem jeden ein Stuck Brod, und Glaß mit Wein; so könnte man es noch erleiden. Aber uns also hungerig und durstig da sitzen lassen, ist ein schlechte Manier. Die Edel-Frau, so dieses Klagen von weitem gehört, tratte mitten in den Saal hinein, und redete ihre eingeladene Gäst mit gantz sittsamer Stimm folgender Massen an: Ihr Herren Geistliche! samt euren Frauen: verzeihet mir, daß ich euch so lang umsonst hab aufgehalten. Ich, als ein Mensch, kan fehlen, und betrügen. Daß aber der Schluß, so von Ewigkeit her ist gemacht worden, fehle und betrüge, das könnet ihr so wenig machen, als ich. Wie vielmahl hab ich euch Herren Geistliche von der Cantzel herunter schreyen gehört: alles, was sich auf dieser Welt zutrage, seye unvermeidlich; weilen nemlich alles von Ewigkeit her schon beschlossen worden: Folglich müsse es also seyn. Nun, [506] daß ich euch verstellter Weis auf ein Mittagmahl eingeladen, das hat also seyn müssen. Daß ich aber in der Kuchel nichts, als ein Feur auf dem Herd aufmachen; nichts weder sieden, noch bratten; ja nicht einmahl wenigst Brod und Wein habe lassen auftragen, ist mir so leid, als euch. Aber, was könnet ihr; was kan ich darfür? es hat also seyn müssen; dann es von Ewigkeit her schon beschlossen worden. Allso werdet ihr ungeessen und getruncken wiederum müssen nach Haus kehren. Das ist das Verhängnuß, welches unvermeidlich ist; wie ihr selbst wohl wisset. Hiemit viel Glück nach Haus. Dieses geredt, machte sich die Frau zum Saal hinaus, und liesse sich nicht mehr sehen. Mußten also die Prädicanten, samt ihren Frauen, hungerig und durstig nach Haus kehren; und zwar mit einer Nasen, die ihnen so lang hätte mögen werden, als etwann ein Rechen-Stil seyn mag. Was sie aber unter Weegs der listigen Edel-Frauen werden auf den Buckel gewunschen haben, ist leicht zu gedencken. Allein, was fragte sie darnach? sie lachte ihr die Haut voll, daß der List so wohl angangen war. Cazæüs S.J. in piis Hilar. ex Florim. & Garasso.

O wie wohl seynd diese Prädicanten bezahlt worden! wann es ihnen allzeit auf solche Weis gienge, wie bald wurden sie mit ihrem unvermeidlichen Verhängnuß zu Haus bleiben! was wollen sie doch mit dieser ihrer ungereimten Lehr? soll dann der Mensch keinen freyen Willen haben, dies zu thun, oder jenes zu lassen? soll dann alles aus Nothzwang geschehen? warum sagt dann GOtt der HErr Eccl. 17. Er hat dir Wasser und Feur vorgelegt: Strecke dein Hand aus, zu welchem du willt. Vor dem Menschen ist Leben und Tod; das Gute, und das Böse: welches ihm gefällt, das wird man ihm geben? Um GOttes willen! kan auch etwas deutlichers für die Freyheit des menschlichen Willens in göttlicher Schrift gefunden werden? warum wollen es dann die Prädicanten nicht verstehen? Antwort: Darum, weil sie entweders blind, oder halsstärrig seynd. Seye es aber, was es wolle, so bringt sie eines in das ewige Verderben, wie das andere. Dann, wer nicht glaubt, der ist schon gerichtet. Joh. am 3. Das ist: Er verschließt ihm selbst den Weeg zum Himmel.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 504-507.
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