Zwantzigste Begebenheit.

Ein Türckisches Mägdlein wird durch Ansprach einer krancken Catholischen Wittfrau wunderbarlich zum Christlichen Glauben bekehrt; um dessentwillen es auch getödtet worden.

[559] Ein Maronitische Wittfrau, welche nicht weit von dem Berg Libanus, (so in Asien zwischen Palästina und Syrien liegt, und auf welchem Cederbäum gewachsen) wohnete, sehr alt, und über die massen kranck; ihr Leib aber so voll der Geschwären, daß, so oft man sie heben, und legen wollte, ihr hierdurch die empfindlichste Schmertzen verursacht wurden: Sie ware beynebens Blutarm, und dannoch so gedultig, daß aus ihrem Angesicht und Gebärden beständig eine Fröhlichkeit ohne einigen Unwillen hervor blickte. Die Weiber in der Nachbarschaft, so oft [559] sie dieselbe heimsuchten, könnten sie nicht genugsam bewundern. Unter diesen fande sich ein Mägdlein von 20. Jahren, welches aus Mitleiden die krancke Nachbarin oftermahl durch seine Gegenwart ergötzt, und ihre (der Krancken) auferbäuliche Gespräch gern angehört hat. Allein dieses zu allem Guten wohlgeneigte Mägdlein, ob es schon von seinen Eltern in dem Türckischen Greuel erzogen worden, liesse ihm dannoch die Tugenden der krancken Wittib also gefallen, daß es dieselbe einstens befragt hat, wie ihr doch möglich wäre, so erbärmliche Schmertzen nicht allein mit höchster Gedult ohne Klag, sondern auch mit Freuden gantz vergnügt zu übertragen? worauf die Krancke geantwortet: Du hast, sagte sie, keine Ursach ab meiner Gleichmüthigkeit dich zu befremden, dann ich leide nicht allein, sondern derjenige, eintzige, wahre GOtt, den ich anbette, hilft mir durch seine Gnad den Last tragen. Ich hab von ihm erlernet, meine Trangsalen zu lieben; weil ich weiß, daß sie mich bey ihm beliebt machen, und daß die Marter, so er für meine ewige Seligkeit ausgestanden, die meinige weit übertrift. Aber du bist unglückselig, indem du nicht gedenckest, daß du sowohl als ich ihm ein so bitteres Leiden verursacht habest. Die junge Türckin wollte wissen, wer GOtt seye, welcher so grosse Peinen für uns gelitten hätte? Da nahme die krancke Maronitin Gelegenheit dieselbe in denen Christlichen Glaubens-Wahrheiten zu unterrichten, welche das Mägdlein begierig angehört, und zu Haus bey ihr selbst allein betrachtet hat. Sie kamen nachgehends öfters zusammen; da waren aber alle ihre Gespräch von der Christlichen Lehr, in welcher die Lehr-Jüngerin täglich zugenommen, und endlich alle Hauptstuck des wahren Glaubens erlernet hat. Indessen wollten ihre Eltern, welche um solche heimliche Abhandlungen nicht das geringste wußten, ihrer Tochter einen Mann geben, welche sich aber auf alle erdenckliche Weis entschuldigte unter dem Vorwand, daß sie keinen Lust zum Heurathen hätte, sondern vielmehr festiglich entschlossen wäre bis in den Tod ledig zu bleiben. Der Vatter hingegen, welchem der Bräutigam sehr anständig ware, versuchte alle gelinde und scharfe Mittel die Tochter zu diesem Heurath zu bereden. Aber alles vergebens: Dann diejenige wollte von keinem andern Bräutigam wissen, welche sich heimlich Christo allein verlobt, und deswegen den Namen Maria Theresia angenommen hatte. Sie überlegte alles mit der krancken Maronitin, doch also verschwigen, daß die Eltern nicht darhinter kommen, noch ihren Mann erfragen könten. Als endlich alles nichts helfen wollte, hat der verzweiflete Vatter seiner einigen Tochter in einer Caffee-Schaalen Gift beygebracht, von welchem sie bald mit einem auszehrenden Fieber, worzu ein Frost und vielmahlige Ohnmacht gestossen, angesteckt, und endlich voller Hofnung des künftigen Lebens und [560] Liebe GOttes mit unbeschreiblichem Trost ist verzehrt worden. Der grimmige Vatter ware durch diesen Tod so gar nicht besänftiget, daß er den Leichnam in einen Sod-Bronnen hat stürtzen lassen; welche That aber GOtt nicht ungebrochen liesse; dann er bald nach seiner Tochter Tod, die nunmehr im Himmel mit der Marter-Cron geziert ware, eines gähen Tods gestorben. Aus welcher Begebenheit wir 2. denckwürdige Beyspiel haben: Das einte der göttlichen Gerechtigkeit gegen dem Vatter; das anderte aber der unendlichen Barmhertzigkeit GOttes gegen der Tochter. Beyde haben sich gegen dem End des Jahrs 1697. zugetragen. Stöcklein S.J. neuer Welt-Bort. Tom. 2. Parte XI. n. 275.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 559-561.
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