Vier und zwantzigste Begebenheit.

Christ-auferbauliches Sendschreiben eines neu-bekehrten Chinesischen Fürsten an seine Fürstliche Gemahlin, aus Gelegenheit der Verfolgung wider die Christen in China.

[564] Liebste Gemahlin.


Euere Leibs-Kräften seynd schwach; darum bewahret euere Gesundheit zum besten meines Haus. Unterlasset keinen Tag, meine Kinder und Haus-Genossene in ihrer Christlichen Schuldigkeit zu unterweisen. All unser Thun und Lassen soll also eingericht seyn, als stunden wir vor dem Thron, und im Angesicht GOttes: Das ist, ehe wir eine Sach anfangen, ist vonnöthen, daß wir uns festiglich einbilden, wir befinden uns in seiner Gegenwart. Rufet ihn öfters an um seinen Beystand, dann ohne sein Hilf können wir nichts zuwegen bringen. Rufet an die seligste Jungfrau Mariam, damit sie euch die Gnad erlange die Gebott GOttes genau zu halten. So bald ihr mercken werdet, dieses oder jenes seye ein Sünd, unterlasset es ohne nachsinnen. Fallet ihr etwann aus Gebrechlichkeit, bereuet solche ohne Verschub mit ernstlicher Besserung. Stehet allzeit auf emsiger Hut über euch selbst. Die Hertzens Reinigkeit und Demuth seynd die zwey Haupt-Tugenden, mit welchen Christus und sein Heil. Mutter uns vorgeleuchtet haben; folget ihrem Beyspiel. Ereignet sich ein schwerer Zufall, erholet euch Raths bey euerer älteren Schwägerin, mit welcher ihr in enger Vertraulichkeit leben sollet. Bildet euch nimmer ein, daß alles nach euerm Wunsch gelingen könne. Ueberlasset euch, und alle Ding der göttlichen Obsorg; dann was GOtt thut, ist allzeit das Beste. Erneuert oft den Glauben, die Hofnung und die Liebe, dann diese seynd jederzeit nothwendig, absonderlich in der Sterbstund. Was anlagt die Kranckheit meines Sohns, sollet ihr euch nicht viel bekümmern: Unterwerfet diesfalls euern Willen dem Göttlichen, und erwartet alles von seiner Barmhertzigkeit. Vor allem seyd befliessen unsere Kinder und Kinds-Kinder in dem Christlichen Glauben also zu unterrichten, damit selbiger in meinem Geschlecht allzeit erhalten werde. Bittet GOTT unaussetzlich um diese Gnad durch die Vorbitt seiner Heil. Mutter, dero Verehrung ihr niemahlen unterlassen sollet. Ich kan euch Sach nicht genug anbefehlen. Was mich anbelangt, weiß ich wohl, daß ich ein Sünder, daß ich die Schwachheit selbst bin. Dessen ungehindert giesset GOtt seine Gnaden häufig über mich aus, und vergehet kein Tag, wo ich nicht die Würckung seines Schutzes erfahre. Ach wie schlecht hab ich herentgegen die Absehen seiner Barmhertzigkeit in das Werck gestellt! dann[565] ich mercke, daß ich bis auf diese Stund an die Welt, und das Fleisch angefeßlet bin; hiemit aber sein heiliges Gesatz entunehre. Dieses reuet mich von Hertzen; jedoch hoffe ich auf seine unendliche Barmhertzigkeit, dero ich mich mit zerknirschtem Hertzen gäntzlich überlasse. Kräncket euch nicht wegen meines gegenwärtigen und zukünftigen Zustands; ihr sollet auch nicht einmahl nachfragen, wie es mir gehe. Wir stehen in GOttes Händen, stellen demnach alles seiner Vorsichtigkeit, und dem Schutz seiner seligsten Mutter heim. So nehmet dann, meine liebste Gemahlin! diesen Brief, und haltet fleißig alles, was er in sich begreift. Geben den 10. May 1727. Stöcklein S.J. Welt-Bott im 21. Theil, n. 434.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 564-566.
Lizenz:
Kategorien: