Zwey und viertzigste Begebenheit.

Ein Ordens-Mann bezahlt gar artiglich ein Lutherisches Weib, von welcher er offentlich beschimpft worden.

[592] Im Jahr Christi 1591. hatte es sich zu Regenspurg zugetragen, daß, als einstens P. Conrad Vötter, aus der Gesellschaft JEsu, [592] Dom-Prediger selbiges Orths über die öffentliche Gassen, und bey eines Handwercks-Mann Laden vorbey gienge, und von gedachten Manns Weib ersehen worden, diese mit dem Finger auf Ihn gedeutet, und überlaut aufgeschryen: Wolf, Wolf, sehet, liebe Mit-Burger, wir haben einen Wolf in der Stadt. Als sie diese Wort öfters wiederholete, stunde der Pater still, zoge an der Stirn die Runtzlen auf, und, als wann er über diese Schmähwort erzörnt wäre, sagte er: Holla, wie darfst du mich so schmählich einen Wolf heissen, da ich doch nicht sage, hab es auch bis dato zu keinem Menschen jemahls gesagt, daß du zu Nürnberg als ein verschreyte Hur von dem Hencker mit Ruthen seyest ausgehauen, und der Stadt verwiesen worden. Kaum hatte er dieses gesagt, da warffen die Handwercks-Gesellen, so in der Werckstatt arbeiteten, den Werck-Zeug aus den Händen, und machten sich zum Haus hinaus, vorgebende, daß sie bey keiner Meisterin arbeiten wollten, welche Ehrlos wäre. Die Schand, und zugleich der Schaden, thaten dem Meister im Haus so wehe, daß er sich alsobald zum Stadt-Richter begabe, und nicht allein über die Unbild, so seinem Weib angethan worden; sondern auch über den Schaden, der seinem Hausweesen hierdurch erwachsen, gewaltiglich klagte. Verlangte also, daß der Verleumder nicht allein die verletzte Ehr und Schaden wieder um ersetzen, sondern auch abgestraft werden sollte. Der Richter gabe zur Antwort, wie daß er in dieser Sach keinen Ausspruch thun könnte, er hätte dann vorher den beklagten Theil auch angehört. Sollte also wiederum nach Haus kehren, mit der Vertröstung, daß er des andern Tags beyde Theil anhören, und alsdann, was billich und recht, sprechen wollte. Unterdessen berichtete er den Oberen des Beklagten, was für Klagen wider selbigen waren eingekommen. Werde also geschehen, daß er sich zum Rechten einstellen müsse. Der Obere beruft alsobald den Pater, und gibt ihm zu verstehen, was er von dem Stadt-Richter hätte vernehmen müssen. Der Pater, nachdem er den gantzen Verlauf der Sach selbst erzählt, begehrte Erlaubnus, daß er selbst zu dem Stadt-Richter gehen dörfte; dann er sich dergestalten verantworten wolle, daß weder dem Stadt-Richter, noch dem Collegium hierdurch die geringste Ungelegenheit erfolgen solle. Nachdem er die Erlaubnus erhalten, und zum Stadt-Richter kommen, traffe er bey ihm an so wohl den klagenden Burger, als die, so zu Zeugen des Handels waren erbetten worden, welche die Sach auf alle Weis vergrösserten. Er sagte also mit aller Freundlichkeit, wie daß er gegenwärtig seye, sich über die vorgebrachte Anklagen zu verantworten, wiewohlen er als ein Geistlicher vor einem weltlichen Richter zu erscheinen nicht schuldig seye. Jedoch seye er da mit friedliebendem Gemüth, damit dem Streithandel der Faden möchte abgeschnitten werden. Sollen demnach[593] so wohl der Burger, als die Zeugen, zuhören, wie er dem Handel ein End machen wolle. Als nun die klagende Parthey es zu vernehmen sich nicht ungeneigt erwiesen, erzählte der Pater nach der Ordnung, was Gestalt er einer seits von dem Weib ein Wolf genennt worden; er aber seiner seits ihr also begegnet wäre, daß sie das Maul zu halten, Ursach genug gehabt habe. Kaum hatte der Burger die Erzählung angehört, nicht aber fassend, wo solche hinaus wollte, sahe er die Zeugen freudig an, und sagte: Ha ha! jetzt haben wir des Beklagten eigene Bekantnus. Was brauchts jetzt viel probirens mehr? Ihr, Herr Stadt-Richter, urtheilet aus diesem selbst, ob der Beklagte seine Schmach-Reden entschuldigen könne. Hierauf sagte der Pater: Herr Stadt-Richter, sehet doch, wie diese Leut euch mit einer nichtswärtigen Klag überlästig fallen. Sie verstehen nicht einmahl Teutsch; sonst wurden sie ihre Klag wohl unterlassen. Wie? hab ich nicht ausdrücklich diese Wort geredt: Ich sage es nicht, hab es auch bis dato zu niemand andern gesagt, sage es auch jetzt nicht, sondern wünsche vielmehr, daß inskünftig nichts dergleichen mit Wahrheit von ihr könne gesagt werden. Seye sie also, wie ihr Mann sagt, ein ehrliches Weib. Allein kan ich nicht sagen, daß sie höflich seye, und eine Manier zu brauchen wisse, sonsten wurde sie mich keinen Wolf geheissen haben. Sag mir her, der du ein ehrlicher Handwercks-Mann bist, sihe ich dann mehr einem Wolf, als dein Weib einer Hur gleich? Der Burger wurde auf diese Frag schamroth, und wußte nichts darwider einzuwenden. Diejenige aber, so zugegen waren, hatten Ursach genug darüber zu lachen. Und also hatte aller Streit ein End, und zogen die Partheyen wiederum nach Haus. Dieser Handel aber hat den Magistrat bewogen, ernstlich zu verbieten, daß hinfüro niemand der Religion halber mit Schmäh-Worten sollte verunglimpft werden, als wie dem ehrlichen Pater geschehen. Ignat. Agricola S.J. Part. 2. Histor. Provinc. S.J. German. Super n. 45.


Obwohlen wir Catholische von unsern Glaubens-Gegnern vielmahl mit schmählichen Reden verunglimpft werden, so begegnen wir Ihnen doch nicht mit gleicher Müntz, sondern bedienen uns allein einer sinnreichen Manier, und stopfen ihnen damit das Maul. Aus welchem Unterschied leicht zu ersehen ist, ob ihr, oder unsere Religion mehrer zur Bescheidenheit anführe.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 592-594.
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