Dritte Begebenheit.

Der Heil. Schutz-Engel bringt einen tödtlich verwundeten Jüngling an ein sicheres Ort, damit er verbunden, und geheilt möchte werden.

[608] Im Jahr 1554. befande sich in der Stadt Valenza in Spanien, ein adelicher Jüngling; Ritter-Ordens, Antonius von Pisa mit Namen. Diesem auf einer Reise nach Castilien begegneten sieben seiner abgesagten Feinden. Man kan auf einen in das Garn verstrickten Hirschen nicht so geschwind seyn, als gedachte Gesellen von Leder gezogen, und sich unter einander zur Mordthat anfrischten: haue, und stiche zu, bis er genug hat. Antonius die Gefahr ersehend, befahle sich inbrünstig mit einem kurtzen Schuß-Gebettlein der Himmels-Königin, zu dero er ein sonderbare Lieb und Andacht truge, daß sie ihm doch in dieser äussersten Noth beyspringen, und ihn wenigst ohne Beicht nicht wolle sterben lassen. Drauf hin gienge das Metzgen an. Einer versetzte ihm einen Hieb in den Arm; der ander in die Achsel; der dritte spaltete ihm den Kopf; der vierte gabe ihm einen Stich in den Bauch, daß das Ingeweid heraus schosse; der fünfte nahe zu dem Hertz, wie sie halt in der Furie zukommen könnten, in allem über die hundert Streich und Stich: und liessen ihn letztlich, da sie ihn sahen in die Züge greiffen, mit viel Schmach- und Läster-Wort in seinem Blut liegen. Da ware es dann Zeit, daß die mildreicheste Mutter GOttes sich ihres Pflegkinds solte annehmen Schickte ihm demnach einen Engel (ware ohne Zweifel sein heiliger Schutzengel) gleich einem adelichen Ritter, gantz weiß gekleidt, auf einem gleichfalls gantz weissen, dollen Pferd. Dieser [608] nahme den Verwundeten zu sich auf das Pferd; hielte ihn mit den Händen, und sprache ihm zu, wohl behertzt zu seyn; es werde bald besser werden; und brachte ihn endlich in das Haus eines ihm nächst Befreundten, mit Bitt, seiner treulich zu pflegen; der ihn auch alsobald erkennte, und mit grossem Mitleiden, und möglichster Liebe aufnahme: wie man aber nach dem Uberbringer umsahe, ware keiner mehr vorhanden. Es wurden die allererfahrneste Wund-Artzten beruffen; aber keiner wolte sich seiner annehmen, aus Beysorg, er möchte ihnen unter den Händen dahin sterben. Wie nun Antonius anderst nicht vermeinte, als es wäre um ihn geschehen, berufte er den Pfarrer des Orts, verrichtete mit grosser Reu und Leid seine Beicht, und bereitete sich zu dem Tod. Ohngefähr um Mitternacht klagte er mächtig den Schmertzen eines zerquetschten Arms, und weil er kein andere Linderung hatte, rufte er abermahls die Mutter GOttes um Beystand an: Ach! Maria du eintzige Zuflucht und Trost der Sündern, verlaß mich nicht. Stehe mir bey, barmhertzigste Mutter, es seye gleich zum Leben, oder zu dem Tod. Dieses geredt, tratte denselben Augenblicklick in Ansehung aller Gegenwärtigen in das Zimmer ein ansehnliche Matron hinein, grüßte ihn freundlich, nahme ihn bey dem Arm, und zugleich allen Schmertzen hinweg. Uberstriche hernach alle verwundete Glieder mit einer köstlichen Salb, und heilte ihn zur Stund so glücklich, daß man so gar kein Masen hernach einiger Wunden gesehen. Pojerus S.J. in der dreyfachen Cron der Mutter GOttes. Tract. 3. c. 9.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 608-609.
Lizenz:
Kategorien: