Sechste Begebenheit.

Denckwürdiger Schifbruch, so sich im Mohrenland mit etlichen Ordens-Geistlichen zugetragen im Jahr 1585. beschrieben von [617] Petro Martinez, Soc. JEsu.

Sechs aus der Gesellschaft JEsu, und 2. des H. Dominici, neben einer Menge allerhand Kaufleuten, und Königlichen Bedienten aus Portugall giengen den 10. April-Monaths im Jahr 1585. zu Lisboa unter Segel, und hatten zwar Anfangs eine nicht unglückliche Schiffarth, so bald aber die Nacht eingefallen, fiengen die Wind also an zu wüten, und das Meer zu toben, als wann beyde zu unserem Untergang sich verschwohren hätten. Die Wellen schlugen mit gantzem Gewalt in das Schif hinein, der Mastbaum und Segel giengen zu Trümmeren, das Schif selbsten wurde von den Winden so gefährlich herum gedrähet, daß wir augenblicklich vermeinten zu versincken. Mit dieser Ungestümmigkeit rungen wir 3. gantzer Tag und Nacht, und hatten nicht mehr Hofnung uns zu retten, als diejenige, welche des Untergangs vergewisset seynd. Die einige Zuflucht war zu GOtt, und seinen Heiligen, deren Namen auf unterschiedliche Lob-Zettul geschrieben unter dem Volck ausgetheilet worden; damit ein jeder denselben, der ihme zukommen, um Hülf anruffen sollte. So bald der Zettul, deme der Jungfräulichen Mutter Mariä Nahm eingedruckt, herfür gezogen war, wendete sich gleichsam in einem Augenblick der Wind von dem vorderen Theil des Schifs, welches fast gantz zerschlagen ward; die Ungestümme begunte sich zu verziehen, die Wellen zu legen, und das darauf gestillete Meer gestattete uns so viel, daß wir der Himmels-Königin, dero heilige Bildnus am Fuß des Mastbaums angeheftet war, schuldigsten Danck leisten, demnach den Schif-Zeug wiederum in die Ordnung richten, und solcher gestalt unsere Schiffahrt fortsetzen könnten. Das Wetter war doch unbeständig, und der Luft mit dickem Nebel verfinstert, bey welchem wir die Insul Madera, und die Canarien vorbey gefahren, endlich das Eiland Guinea ins Gesicht bekommen, und zu der Insul St. Jacob, davon auch unser Schif benamset war, angelanget seynd.


Die ungewöhnliche Hitz, so bey Guinea anzuhalten pflegt, warffe fast alle Schifs-Genossene zu Boden, also daß das Schif einem Siechenhaus ähnlich denen Ordens-Leuten gewünschte Anlaß ertheilet, ihren Eyfer und treue Dienst denen Presthaften zu erzeigen, bis sie selbst unterliegen, und sich des Tods zu erwehren fremde Dienst zulassen mußten. Sonsten ward alles im Schif sehr ordentlich [618] abgetheilet. Einer hatte die Obsicht über die leibliche Nahrung; der andere sorgte um die Hülf-Mittel und Artzneyen; der dritte nahm sich um die Seel-Sachen an, und wurde also den Krancken beyderseits gedient. Zu einer Zeit lase man den Unwissenden die Christliche Glaubens-Gründ vor; zur anderen das Leben eines Heiligen. Jeden Sonntag geschahe ein Predig zu dem Volck, und wurden die mehreste nach gereinigtem Gewissen mit dem Brod des Lebens abgespeiset. Die Stell der Bücher, und Rosen-Kräntz, und anstatt der Fluch und Läster-Wort hörte man allein das Lob-GOttes, und seiner Heiligen. Mit einem Wort, das lästerliche Schif-Leben verlohre allhier seinen Namen, welches sonst nachfolgenden Unglücks ein Ursach hätte seyn können.


Bey dem Guineischen Meer-Gelände begunte der Himmel sich auf ein neues zu erzörnen, und uns mit schröckbaren Blitz und Donnern zu betrohen. Gleichwohl geriethen wir über die eben-Nacht-Linie, und gewannen den also genanten allgemeinen Wind, womit wir eine Zeitlang fort geschiffet. Den 11. Brachmonath, da wir die Insul St. Martin vorbey fuhren, zeigten sich etliche Vorspiel unsers Unglücks, so bald hernach gefolget. Ein Wall-Fisch ungeheuerer Grösse, und dem Ansehen nach gantz Kohl-schwartz, schwunge sich unversehens aus der Tieffe herfür, verjagte alle kleinere Fisch, so dem Schif nach schwummen, und entwiche nicht von uns, bis es (leyder) daran war, daß wir ihm zur Speis werden solten. Ja kurtz zu ehe wir gescheitert, tratte er voran, und warffe ein grosse Meng Wassers in die Hohe, gleich als frohlockte er ob unserem bald folgenden Untergang zu dem, als zu einer verlangten Mahlzeit er hiemit anderen Fischen die Losung gabe. Mit diesem schröckbaren Gefährten zieleten wir nach der Insul Tristana, und Cugna, fanden uns aber zu End des Brachmonaths unter dem 33. Grad der Himmels-Höhe, zu nächst an der Sudspitze, von dar uns ein starcker West-Wind fünf Tag nach einander fortgetrieben, und nach zerissenen Seil und Stangen gezwungen, die grosse Segel einzuziehen, und allein mit den Kleinen daher zu fahren, bis wir endlich den 37. Grad erreicht, und den 27. Heumonaths den Meer-Schooß der guten Hofnung, zwar mit sehr verschiedenen Wetter vorbey geseglet. Dann bald erfuhren wir ein ungemeine Meer-Stille, worbey kein Schritt weit fortzufahren ward; bald fiengen die Wind an zu toben, als ob sie alle von den Ketten los gelassen worden, das Meer wider uns anzuhetzen; bald zeigte der Himmel seinen Zorn mit schröckbaren Blitzen und Donneren, also daß wir bey so mercklicher Aenderung im Zweifel stunden, ob es nicht thunlicher wäre, der Insul St. Laurentii, dahin wir unsern Strich nahmen, zu oder selbe vorbey zu fahren. Wir fanden am 16ten Tag [619] Augustmonaths die Sonnen-Höhe auf 23. Stuffen, und ein Drittel, und entschlossen uns die Segel den Winden gäntzlich zu übergeben, in Hofnung noch selbe Nacht, weil das Wetter nun günstig 40. Meil nach uns zu legen, und gedachtes Drittel zu übersteigen, dieweilen der Aufseher des Schifs in dem Mast-Korb ein Geschwader der Vöglen dahinwärths hatte fliegen sehen, auch sonsten den graden Weeg fortzuschiffen nicht wohl möglich, wegen allzugrossem Gewalt der Wasser-Wellen, von denen kurtz vorher das Schif St. Peter genannt, in die Tieffe getrieben ward; ruckwärths aber ein noch gefährlicher Wirbel uns mit dem gewissen Untergang betrohete.


Da wir nun also mit guten Wind, und noch besserer Hofnung einigen Meer-Hafen anzutreffen, dahin fuhren, und fast alle sich zur Ruhe begeben hatten, lieffe das Schif aus aus gerechter Verhängnus GOttes, mit vollen Segel an einen von den Wellen bedeckten, und darum nicht vermerckten sehr spitzigen Stein-Felsen mit so starcken Gewalt, das ob schon etliche, so diesen Unfall noch zeitlich erachtet, mit möglichsten Geschrey vermahnten, man solte das Schif wenden und ableiten, jedoch, weil die Stimm wegen der Wasser-Wellen schröckbarem Getös nicht könte vernommen, viel weniger der Gewalt des Schifs so eilends eingehalten werden, es endlich am Boden von einander gieng, und alles, was darinn war, ins Wasser setzte. Das Ort des Schifbruchs war ein holer harter, und von Corallen rings um bespitzter erdloser Stein Felsen, mit vielen kleinen Stein-Hügelen umsetzet, die sich beym Anlauf des Mers bedecken und nach Abfluß dessen wiederum sehen lassen. Und sahe man wohl, daß GOtt in seinem gerechten Zorn der Barmhertzigkeit nicht vergessen, indem wir eben zur selben Zeit gescheitert, als das Meer zugenommen, folgends das Schif zu höchst des Felsens getrieben worden; da sonsten, wann der Unfall im Ablauf des Meers geschehen wäre, nicht einer dem Tod hätte entgehen können.


Was aber für ein Jammeren, und Heulen bey solcher der Sachen Beschaffenheit entstanden seye, ist leichtlich zu ermessen; besonders, da fast alle in höchster Ruhe gelegen, und von dem eintringenden Wasser urplötzlich ermuntert, und aufgejagt wurden. Sie wanden sich mit äusserster Bemühung aus den Wellen heraus, krochen mit Forcht und Zitteren, etliche gantz ungekleydet in dem zerbrochenen Schif herum; und weilen neben der Nacht ein dicker Nebel eingefallen, und die wenige Klarheit, so uns etwann das nächtliche Stern-Liecht ertheilen könte, gäntzlich verdunckelt, hielte sich einer da am Mast-Baum; ein anderer dort am Anckerseil; der dritte an einem Brett, Kiste, oder Waar-Ballen, so von dem unteren Theil des Schifs in die [620] Höhe getrieben worden, solcher Gestalt, so vil möglich zu retten. Da dann alle insgesamt von den anlauffenden Wellen gähling überschwemmet; und bedeckt wurden mit so beweglichem Geschrey, daß es die Felsen hätte erweichen mögen. Die dicke Finsternus verursachte, daß man nicht sehen konte, ob etwann auf dem Felsen einiges Oertlein zu finden, dahin man sich verziehen, und bis zu Anbrechen des Tags sicher seyn könte. Weilen auch das Schif immerzu mehr und mehr Wasser schöpfte, beynebens von den Wellen stets geschlagen, und noch mehr zertrimmert wurde, stunde allen der gewisse Tod vor Augen, zu welchem sich ein jeder nach Möglichkeit gefaßt machte. Wir, so Priester waren, schryen allen insgemein mit heller Stimm zu, daß sie dem erzörnten GOtt ihre Schuld abbitten, über ihre Verbrechen hertzliche Reu erwecken, und durch aufrichtige Buß und Andachts-Werck sich an GOtt verloben solten. Da hörte man etliche, weil jedem insonderheit nicht beyzukommen, mit heller Stimm ihre vormahls begangene gröbste Fehler erzählen; andere Himmel und Erden um Hülf anruffen; manche grosses Gut und Schanckungen; andere einen H. Lebens-Stand, oder sonst was sonderbares GOtt dem Herren angeloben.


In solchem Jammer fande uns das allgemach anbrechende Tag-Liecht, und zeigte uns mit seinen Strahlen das Elend, darinn wir waren, noch viel heller. Denn, wohin wir unsere Augen warffen, sahen wir nichts als Luft und Wasser, und in diesen das zerbrochene Schif, worinn Sack und Pack, und aller aus Portugall mit genommener Reichthum zur Beut herum schwumme; aber niemand einigen Lust machte, sich darum zu bewerben. Also ist es viel besser und tröstlicher, auf dem Land arm, als auf dem Meer reich seyn; und haben alle Schätz der Welt zum öfteren nicht so viel Werths in sich, daß sie eines in Gefahr stehenden Menschens Leben davon erretten, und in Sicherheit setzen mögen. Ob es nun mit unserem Leben schiene, gethan zu seyn, so war doch die Lieb desselben bey vielen dermassen groß, daß sie lieber alles versuchen, und kein Gefahr noch Ungemach scheuen wolten, dasselbe noch ferner zu erhalten. Manche banden sich in ein Stuck des zerbrochenen Schifs, und ergaben sich also den Wellen: andere warffen sich auf einen Theil des Mastbaums, und schwummen auf Glück und Unglück dahin: etliche hefteten zwey oder drey Schif-Trumm zusammen, und liessen sich also von den Wellen dahin tragen. Aber aus diesen allen, weilen sie die Sach übereilet, und zu so ungewisser, vielleicht auch langwieriger Reis, wenig Vorrath mit sich nehmen können, haben mehren theils (massen nicht einige Nachricht von ihnen eingebracht worden) vermuthlich, wo nicht vom Gewalt des Wassers, wenigst vor Hunger verschmachten, und [621] selbst den Fischen zur Speis dienen müssen. Andere brauchten Weil und Klugheit, und entkamen folgender Gestalt.


Der erste, so sein Heyl versuchte, war der Schif-Herr selbst, welcher nebst 8. Gefährten, und was sich zum Unterhalt füglichst mitnehmen liesse, in das neben angebundene Schiflein getretten, zwar Anfangs der Meinung, auch für andere in der Gegend einen Unterschlauf zu suchen, und sie dahin zu übersetzen; endlich aber aus Beysorg, es wurden alle, falls er widerkehren solte, sich des Schifleins bedienen wollen, folgends beyde in Gefahr setzen, sich gäntzlich dem Wind überlassen, und nach der Insul Sofala, welch 60. Meil von dar entlegen, seinen Strich eingenommen. Das Ruder mußte ihm zum Mastbaum; ein Leylach statt des Segels; 2. Degen zur Stangen, und ein rauhe Beth-Decke zum Wind-Fähnlein dienen; mit welchen Zeug er nach gethanem Gelübd der Mutter GOttes zu Guada Lupa vom Felsen abgestossen, und sich auf das hohe Meer begeben. Es hatte das Ansehen, als wolte die himmlische Schutz-Frau auch dazumahl kund machen, wie so gar sie willfärig wäre, den Beängstigten beyzustehen, und daß sie selbe weit besser und sicherer, als der gewöhnliche Nord-Stern durch die Wellen, und Meers-Ungestümme zum gewünschten Port fortleiten könte. Dann obschon gleich des anderen Tags das Meer sich begunte aufzulehnen, und seine Wellen in das Schif zu werffen; auch die ungeheure Wall-Fisch, deren daselbst ein grosse Menge, zum öfteren dasselbe in Gefahr setzten; dazu die Nahrung, so ohne dem sehr gering, und täglich allein in zwey Stücklein eingemachter Quitten, so man von dem Schifbruch gerettet, und etlich Tropfen Weins mit Meer-Wasser vermengt bestunde, so kame ihnen schon den 4ten Tag gegen über Sofala ein festes Land ins Gesicht, dahin sie, weilen es ihnen unbekannt, sich nicht getrauet anzuländen, und also noch 4. Tag neben dem Land fortgeseglet, damit sie ein Strom möchten antreffen. Endlich da sich das Meer abermahl begunte zu erzörnen, seynd sie, grösserer Gefahr zu entgehen, an nächstem Gestatt, deren eines Trilinda, das ander Gualimane mit zerlöchertem, und von Wasser halb angefülltem Schiflein ausgetretten.


Die gröste Sorg, so bald sie das Land erreicht, ware, nach süssem Wasser umzusehen, welches, so bald sie es angetroffen, warffen sie sich mit gantzem Leib zu dem Bronnen, und schiene es, als könnten sie davon nicht abgesöndert, oder ihr Durst gestillet werden. Zwey, so das Schiflein verwahrten, ersahen von fern einen Cafer, der sie mit zusammen geschlagenen Händen freudigst bewillkommet, und ihnen etliche Fischlein zugeworfen. Als sich dieser mit einem aus gedachten Zweyen, um Feur zu hohlen, auf die Seiten gemacht, kamen ungefehr [622] 200. andere gleichfalls wilde Mohren dahin, so zwar Anfangs als Friedgesinnte Pfeil und Bögen von sich gelegt, auch die vom Bronnen widerkehrende mit gleichem Freuden-Gepräng, wie jener, empfangen; jedoch ihre verborgene Tücke bald haben sehen lassen; indem sie erstlich den Sand am Ufer rein durchsuchet, und alles, was die Schifbrüchige darunter verborgen, benantlich 30. Degen, und anderen Waffen-Zeug mit den Näglen herfür gekratzt, hernach das Schiflein gäntzlich ausgeraubet, und alles Geräth, so gar den kleinen Segel zerstuckt, und von ihren Weiberen in Körben davon tragen lassen; endlich allen insgesamt die Kleyder ausgezogen, und nicht so viel, womit sie ehrbar bedeckt seyn möchten, oder einen Hut wider die unleydentliche Sonnen-Hitz übergelassen haben. Die elende und gantz beträngte Christen-Schaar, weil sie noch das Leben davon gebracht, verlohre die Hofnung nicht, GOttes unbegreifliche Barmhertzigkeit ferner zu erfahren; schickte also einen Hauffen vorhinaus, zu sehen, ob nicht etwan ein Portugesischer Meer-Hafen oder Vestung anzutreffen, und folgten die übrige allgemach hinnach. Es verschafte GOtt, daß jene 6. Meil Reisens den bekannten Strom Qualimene, auf welchem die Portugesen mit den Innwohneren von Sena, Teuta, und Monomotupa Kauf-Gewerb zu treiben pflegen, ersehen, und alsobald ihren Nachfolgeren wissen lassen. Der Schif-Herr setzte zu erst in ein Schiflein, so er ungefähr angetroffen, mit etlich wenig hinüber, deme stracks die andere gefolget durch Beyhülf der Mohren, welche jenseits des Wassers sich zu diesem Hülfs-Dienst erbitten lassen; sonsten hätten die letztere unfehlbar in dem Lett verschmachten, oder von dem anlauffenden Meer müssen überschwemmt werden. Von hier geriethen sie zu einem Meer-Hafen, deme Franciscus Brociado ein Edler, und vermögender Kauf-Herr mit Obergewalt vorstunde, auch über alle Wasser-Ström der Aethiopischen Landschaft Cuama im Namen des Königs in Portugall zu gebiethen hatte. Er war zwar unlängst gen Sofala, das ist, 30. Meil von dar, über selbes Strom-Gelände, einigen Bericht einzuhohlen, abgereißt; seine Sclaven und Bediente aber in Ansehung dieser elenden, gantz nackenden, von der Sonnen-Hitz ausgedorreten, und von den Schnacken hart gestochenen, und hierin den Aussätzigen gantz ähnlichen Menschen-Schaar, brachten alsobald Kleyder und Nahrung herbey, sie zu laben, und zu bedecken. Gleiche Willfährigkeit widerfuhre ihnen von einem anderen zwar Mahometanischen, jedoch den Portugesẽ sonders geneigten Landmann, der in selbiger Gegend seinen Wohnsitz hatte, und sie nicht allein mit aller Nothdurft versehen, sondern ungesaumt etliche Schiflein zubereiten, und sie nach Luabo abführen lassen. Daselbst seynd sie von erstgedachten Brociadi Sohn liebreichst empfangen, auch endlich zu Brociado selbst nach Sena übergeführt[623] worden. Dieses waren die Abentheur des ersten Hauffens; nun wollen wir sehen, was Gestalten es den anderen am Orth des Schifbruchs ergangen.


Es zeigte sich ungefähr, so weit ein Stuckkugel reichen kan, ein schrofiger Hügel, wohin, so viel man erachten konnte, sehr viel Trümmer des geschelterten Schifs getrieben, und aufgehalten wurden. Dieses machte vielen die Hofnung durch so gewünschtes Mittel der Gefahr zu entkommen; deren dann viertzig etliche Bretter eilends zusammen geheftet, und sich darauf in das Meer geworfen, vorgedachten Hügel zu erreichen. Ob sie nun wohl glücklich dahin gelangt, so fanden sie sich doch in ihrem Anschlag betrogen; theils, weil das Wasser bey dem Zunehmen des Meers fast ein halbe Klafter hoch den Hügel überstige; theils weil die Wellen mit so starckem Gewalt daran schlugen, daß es nicht möglich, daselbst anzuländen, will geschweigen, zu verharren. Jedoch kamen ihnen die dahin getribene Schif-Tafeln, und ein halb zubereitetes Schiflein, so kurtz vorhero wegen allzu grossen Last gesuncken, und eben dahin gelanget war, treflich zu statten. Hierein tratten etliche von jetzt gedachtem Schiflein, spannten Tuch und Leinwat, so gleichfalls dahin geschwummen, zum Segel auf, und trachteten also zu einem anderen Felsen-Hügel, welcher drey Meilen von dar sich sehen liesse, und einiges Anzeigen gabe, daß unfern davon festes Land anzutreffen wäre. Aber auch allhier fande sich nichts anders, als ein eitle, und mit spitzigen Corallen reichbesetzte Stein-Klippe, wohin aus gütigster Verordnung GOttes vielerley Bretter, Kisten, Ballen, und anderes Geräth angeflossen war, den Ankommenden zu ihrem Behuf dienlich zu seyn. Sie sandeten mit Freuden, was ihnen zur Schiffahrt ersprießlich seyn konnte, und fanden unter anderen zwey See-Karten, deren eine den Weeg vom Gebürg der guten Hofnung gen Portugall; die andere von eben diesen Meer-Busen nach Indien zeigte, deren sie sich bey dieser Gelegenheit treflich bedienen konnten. Diesem nach schlugen sie die tauglichste Trümmer zusammen, richteten drey Mast-Bäum auf, spanneten anstatt der Segel angeflossene Sammet-und Seiden-Stuck daran (also köstlich war diese, jedoch so elende Schiffahrt) sammleten darein, was von Eß-Waaren vorhanden, und gedachten also auf dem unglückseligen Element des Wassers ihr Glück zu versuchen.


Da sich nun ein jeder dieser Hülf bedienen, und keiner von dem Schiflein wolte ausgeschlossen seyn, fienge dasselbe vor allzu schweren Last allgemach zu sincken, wodurch sie gezwungen wurden, wiederum zu dem Felsen zu kehren, und sich eines anderen Raths zu erholen. Der Unterbefehlshaber, so bey diesem Hauffen, und vor anderen angesehen war, unschwer erachtend, daß das Schiflein über sechzehen Personen nicht wohl einnehmen möchte, [624] gebrauchte sich eines Arglistes, der ihm zwar Anfangs gelungen, jedoch hernach sehr übel bekommen. Er vermahnte in Geheim diejenige, denen er gewogen war, sich allgemach in das Schiflein zu begeben; dem Steur-Mann aber gebotte er, nach erfüllter Zahl unversehens, als wäre das Seil gebrochen, vom Hügel abzustoffen, auch nicht mehr dahin zu kehren, ob man ihn gleich mit den schärffesten Bedrohungen (dann dieses thate er verstelter Weis, um den Schalck zu verdecken) dazu andringen wurde. Als nun solches geschahe, erhube sich bey den Verlassenen ein erbärmliches Klagen, und Jammeren, indem sie sich so listig hintergangen, und dazu aller Hülf entblößt, und folgsam ihren ehisten Untergang gleichsam vor Augen sahen. Manche warfen sich eilends ins Meer, den flüchtigen nachzuschwimmen, deren zwar einer und anderer das Schiflein erreicht, und aus Mitleiden darein genommen; die mehresten aber, darunter ein vornehmer Kaufmann, von den Wellen überwältiget, und elendiglich in die Tiefe seynd gezogen worden. Uber alles ward billig zu bedauren der Sohn vorgedachten Unterbefehlshabers, welcher die Zeit versaumt hatte, in das Schiflein zu tretten, und also von fern seinen Vatter hinweg ziehen, dieser ingleichem seinen Sohn verlassen, und in den Rachen des Tods gesetzt, mit nassen Augen hat ansehen müssen. Zwar hatte er gleich Anfangs vermercket, daß sein Sohn nicht im Schif wäre, als welcher mit seiner Verweilung das Volck aufgehalten, und gleichsam beredet, so lang sie ihn als einen Bürgen bey sich hätten, der Vatter nicht abseglen wurde; jedoch glaubte er vestiglich, der Sohn, so bald sie abgestossen, wurde hinnach schwimmen, und also leichtlich, und vor anderen aufgenommen werden. Als er sich nun in seiner Meinung betrogen sahe, ware er zwar heftig daran, daß man umkehren, und seinen Sohn in das Schiflein nehmen solte; weilen aber solches nicht wohl thunlich, und die vorige Gefahr obhanden, müßte er geschehen lassen, was nicht mehr zu verbesseren stunde. Also segnete er seinen geliebten Sohn mit viel hundert Blick, und häufigen Zäheren, als welchen er Zeit seines Lebens nicht mehr zu sehen verhofte; dieser hinwiederum beurlaubte seinen liebsten Vatter mit hertzlichem Sehnen, und Nachsehen, mit gefaßtem Schluß, auf den rauhen, und öden Felsen dem Leben selbst gute Nacht zu geben.


Nach so traurigem Abschied schwebten jene zwölf gantzer Täg auf dem Meer herum; bey welcher Zeit, weilen alle Speis und Tranck vergienge sich etliche des unleidentlichen Dursts zu entledigen, aus verwirrtem Sinn, selbigen in dem gesaltzenen Meer zu stillen, freywillig darein versenckt haben. Die übrige lagen fast alle halb tod dahin; alldieweilen der wenige Vorrath gäntzlich aufgezehret, und nichts übrig war, das Leben zu erhalten, als die wenige Wein-Hefen, so sie mit Meer-Wasser vermenget zum Leib [625] nahmen; welches doch auch, falls sie nicht bald ans Land kämen, keineswegs erklecken konnte. Sie wurden zwar die letzte fünf Täg mit einer ungewöhnlichen Music von allerhand Stimmen, welche, als wäre sie im Schiflein selbsten, gantz vernemlich, und in lieblicher Melodey die Lobsprüch der seligsten Jungfrauen absungen, mercklich erquickt, so gar, daß einer, den es gedunckte, als mangle dem Gesang an einer Grund-Stimm, selbe von sich hinzugefügt, und mit den unsichtbaren Singeren (so ohne Zweifel englische Geister gewesen) die Himmels-Königin fröhlichst geprisen hat. Nach so tröstlichem Vorbott bekamen sie endlich das so sehr verlangte Land ins Gesicht und obwohlen sie mit aller Bemühung nicht vermöget, bey Tags-Zeit dahin zu gelangen, so drungen sie doch auch bey eitler Nacht, ohngeachtet aller Gefahr, so ihnen aufstossen möchte, um nicht vor Durst zu verschmachten, immerzu fort, bis sie dasselbe erreichten. Der erste, der sich hinaus wagte, war obgedachter Befehlshaber, der unfern vom Gestatt, wiewohl in der Dunckele, eine Grub in die Erden gegraben, und zu grossem Glück süsses Wasser angetroffen hat. Auf sein Freuden-Geschrey krochen alle vor Durst gantz kraftloß auf Händ und Füssen dahin, labten sich mit der Süssigkeit dieses gleichsam himmlischen Getrancks, und entschlieffen insgesamt bey dem Brunnen.


Frühe Morgens sahen sie sieben Mohren um sich, welche ihnen auf ihr bittliches Anhalten (so allein mit äusserlichen Gebärden geschahe) etliche dürre Wald-Aepfel zugeworfen, auch nachgehends, weilen das Wasser gantz trüb, und unflätig war, von einem Brunnen zwey Meilen davon, durch ihre Weiber herbey bringen lassen. Sie mußten aber diesen geringen Dienst sehr theur bezahlen. Dann, obwohlen sie einem jeden aus diesen Barbaren von ihrem eigenen Haupt einen Hut verehret, so waren doch diese damit nicht zufrieden, sondern nahmen auch das, was man ihnen nicht dargereicht, und liessen ihnen kaum so viel, daß sie sich ehrbar bekleiden könnten. Einer aus diesen, ein betagter Greiß, deme ihr Elend das Hertz bewegt hatte, nahme sie in sein Hütten, setzte ihnen ein Handvoll halbgesottener Bohnen, und etwas von gedörrten Wald-Früchten vor, die sie doch ohne stätte Mithülf des Wassers nicht zu Leib nehmen konten. Sie mußten bald selbst die Nahrung suchen, und selbe von Hütten zu Hütten erbettlen mit lächerlichen Gebärden, welches doch mehr, als alles demüthige Bitten thate, die Barbaren zu bewegen, ihnen mit einiger Hülf-Leistung an die Hand zu gehen.


In dieser Nothdürftigkeit verharreten sie sieben Täg, und hatten keinen anderen Trost ihres Elends, als daß sie dasselbe mit Seuftzen und Zäheren nach Genügen beweinen konten. Da rührte der barmhertzige GOtt abermahl das Hertz obgedachten Greisens, daß er einen seiner Verwandten [626] mit dem Unter-Befehlshaber zu nächst-ermeldten See-Vogt Brociado abgefertiget, von dem er wußte, daß ihnen unfehlbar wurde geholfen werden. Hierob aber erhube sich ein noch viel grösseres Jammeren und Klagen bey denen, so daselbst in den Händen der Barbaren verharren, und diesen treuen Schirmer von sich lassen solten. Sie erachteten eines Theils wohl, daß durch ihn ihre Erlösung könte zuweg gebracht werden; anderen Theils aber mahlte ihnen die Forcht das äusserste vor, im Fall er vielleicht durch List eingeführt, oder auf dem Weeg solte ermordet werden, sie inzwischen in den Händen der Barbaren verlassen, auch endlich in Gefahr des Lebens gesetzt wurden. Deutlich zu reden, sie liebten gleich den Krancken die Gesundheit; scheueten aber die Bitterkeit, so in der Artzney verborgen lage. Nun dieses Bedencken abzulencken, schwure er ihnen einen theuren Eyd, treulich allen Fleiß anzuwenden, damit sie bey so gefährlichem Zustand von Brociado die gewünschte Hilf, und Handbietung ehest erfahren möchten.


Kaum daß er 2. Tag-Reis nach sich gelegt, kame ihm ein Bedienter von mehrbesagten See-Vogt entgegen, mit freundlichem nachforschen, ob nicht irgends Portugesen von einem Schifbruch ans Land geworfen, und seines Herrns Hilf bedürftig wären. Fügte hinzu, er habe ein Schreiben an sie, welches er dem ersten, so ihme aus ihnen begegnen wurde, überreichen solte. Die allzugrosse Freud, womit er von so unverhofter Bottschaft übergossen wurde, benahme ihm eine Zeitlang die Red; demnach langte er nach dem Schreiben, benetzte es mit vielen Zäheren, und lobte GOtt in seiner unbegreiflichen Güte; besonders, da er sahe, daß nunmehr die Mohren selbst, aus ehrerbietigem Absehen zu dem See-Vogt, ein Schiflein bereit hielten, ihne über den Strom zu setzen, und durch das Land zu begleiten. Unweit von dem Wohn-Platz Brociadi kamen 4. Sclaven mit einer Tragbahr daher, ihn auf den Schulteren, weil er gantz ermüdet war, dahin zu tragen. Es hatte sich ihnen ein Boots-Knecht zugesellet, welcher bey oberzähltem Schifbruch neben anderen auf einem Floß entkommen war, und anjetzo sich zu erkennen gabe. Gedencke einer, mit was Verwunderung er diesen Menschen angesehen, und seine Abentheur vernommen habe. Die Zäher fielen ihm vor Freuden aus den Augen, und wußte er nichts anders vor Entsetzung zu antworten, als daß er die unermessene Barmhertzigkeit GOttes ohne Unterlaß lobprise. Also gelangte er endlich zu dem See-Vogt, der ihn mit gleich-freudigem Hertzen empfangen, und mit aller Nothdurft freygebigst versehen hat. Er liesse auch alsobald auf erhaltenen Bericht des elenden Stands, darinnen die übrige lagen, etlich Stuck Leinwath neben allerhand Weiber-Geschmuck von Sena bringen, schickte es mit vielen Eß-Waaren zu den Cafren, sie mit [627] jenen, als einer Schanck-Gaab zu vermögen, die angehaltene Christen desto ehender frey, und von sich zu lassen; mit diesen aber die arme Christen zu laben, und zu bevorstehender Reis zu stärcken. Solcher Gestalt wurden auch diese in die Freyheit gesetzt, und traffen bey Brociado diejenige an, so zu Qualimene, wie schon gemeldet worden, in einem zusammen geflickten Schiflein ans Land gerathen. Mit was Frolocken nun diese beyde Partheyen einander umhalset, welche unlängst zuvor auf der traurigen Stein-Klippe ihr Elend beweint hatten, ist schwerlich zu beschreiben. Es stiesse aber noch ein andere gleich-frölich Bottschaft hinzu, die ihnen anzeigte, wie daß auch jenes Schif, welches sie vermeint nebst dem Grösten gescheitert zu haben, mit 57. Schifbrüchigen glücklich zu Loranga angelandet, auch diese allbereit im Anzug wären, dahin zu kommen. Sie giengen ihnen alsobald entgegen, und traffen sie an von Hunger und Elend ausgemerglet, ja den Todten-Cörperen viel ähnlicher, als den annoch lebendigen Menschen. Ihre Errettung ware gantz wunderbarlich, und geschahe folgender massen.

Demnach die traurige Nacht unsers Schifbruchs (schreibt ferners Martinez) von dem anbrechenden Tag-Liecht verjagt worden, und ein jeder, wie oben gemeldet, sich des Untergangs zu erwehren beflissen war, auch etliche in dem Schiflein, so dem Schif pflegt anhängig zu seyn; manche auf den Mastbaum, Kisten, und Ballen; andere auf den zusammen gehefteten Schif-Trümmeren sich von den Wellen hinweg tragen liessen, ware auch Odoardus Melo, ein Spanischer von Adel, aber in Indien gebohren, nebst anderen beschäftiget, von den noch übrigen Bretteren ein Schiflein zu verfertigen, wodurch sie die gewisse Tods-Gefahr mit der ungewissen verwechslen, und sich der Vorsehung GOttes überlassen wolten. Was Bemühung aber solches gekostet, ist nicht wohl zu erzählen. Sie mußten bey Anlauf des Meers bis an die Brust im Wasser stehen, sich von den Wellen schlagen und werfen lassen, die Schif-Trümmer, damit sie nicht fortgetrieben wurden, mit höchster Sorg erhalten; auch also mit schmaler Nahrung, und starcker Arbeit Tag und Nacht dem Werck obliegen: jedoch entfiele ihnen das Hertz nicht, und brachten es den 3ten Tag zum End. Sie zwungen das Schiflein an 6. Orten mit grossen und kleinen Seilern zusammen, belegten den Boden mit Schachtlen, und Faß-Brettlein, verstopften die Klumsen mit eigenen Hemdern und Lumpen, verpichtens mit Käß an statt des Griechischen Pechs; und weilen dannoch das Wasser in grosser Menge hinein drunge, mußten sie 2. Täg und Nächt bemühet seyn, dasselbe auszuschöpfen. Dessen alles ungeacht, richtete Odoardus eine Stang in die Höhe, bande an statt des Segels ein Stuck-Tuch daran, und rufte uns Ordens-Leut, damit wir mit ihm auf gut Glück dahin fahren wolten. [628] Wir stunden im Zweifel, was hierinn füglichst zu thun wäre; in Bedencken, daß viel ohne Hofnung einiger Hilf, und gleichsam dem Tod übereignet auf der Stein-Klippe verharren müßten; andere aber sich bemüheten, auf kleineren Flössen, die sie ingleichem zusammen geheftet, davon zu kommen, wie auch Odoardo in solcher Begebenheit ein geistliche Beyhilf höchstens vonnöthen wäre; es thate aber Odoardus selbst, deme zu gehorsamen sich alle anerbotten, endlich den Ausspruch, daß keiner aus uns auf den Felsen verbleiben müßte, als welche (wie er sagte) unfehlbar verderben, hierdurch aber so viel 1000. Seelen, zu deren Hilf wir aus Europa dahin gesandt wären, derselben wurden müssen beraubt seyn. Jedoch liesse er zu, daß wir jene von ihren Sünden absolvirten, und uns bey den Ausfahrenden austheilen möchten, mit denenselben gleiches Glück oder Unglück zu erfahren. Er selbst nahme 4. zu sich, und gabe das Schiflein den Wellen über. Wir fuhren dahin mit sehr betrübten Hertzen und sahen mit innersten Mitleiden, was gestalt manche, so uns nach schwummen, von dem Schiflein, damit es nicht überladen wurde, abgetrieben, auch bald darauf beydes vor Schmertz und Schwachheit elendiglich versuncken. Sechs derselben warfen sich auf einen Mastbaum; wurden aber samt dem Holtz von den Wellen umgetrieben, und gleich den vorigen in die Tiefe gestürtzt.

Da wir nun gantz mitleidig von dar gewichen, und längst der Stein-Klippe daher fuhren, erkannten wir unseren, und vieler anderer Irrthum; in dem an statt der Bäumen, so wir allda zu seyn vermeinten, nichts als hoch-gespitzte Felsen, und an statt der Erden weisse Corallen, beydes in einer langen Reihe hinaus gezogen, anzutreffen war. Jedoch mußten wir die erste Nacht allda verweilen, und hatten abermahl ein neues Gezänck mit denen, welche ebenfalls auf Bretter, Bäumen, und Flössen dahin gelangt, und sich unsers Schifleins zu bedienen gedachten. Einer drunge mit Gewalt hinein, mußte aber bald wiederum neben 12. anderen, so das Loß getroffen, hinaus; alldieweilen sonst das Schiflein von so grossem Last, nemlich mehr, dann 60 Personen, unfehlbar hätte sincken müssen. Da erhube sich dann abermahl ein klägliches Geschrey, nicht allein bey jenen, so von dem Schiflein ausgeschlossen, und auf dem Felsen ohne Hofnung einiger Hilf verharren mußten; sondern auch bey diesen, welche davon schiften, und den Verlassenen, wie hoch sie es auch verlangten, in so augenscheinlicher Lebens-Gefahr nicht beyspringen konten; liessen ihnen allein etwas von unseren Vorrath, und versprachen, ehest wieder zukehren, so bald wir einigen Unterschlauf wurden angetroffen haben. Uns folgten 2. grosse, und viel kleine Flöß, deren einer auch glücklich gelandet. Die andere 3. trugen die Wellen gen Sofala, und verlohren [629] sich endlich aus unseren Augen. Wir behalfen uns der Land-Karten, und des gewöhnlichen Anweisers, unseren Strich gen Mozambique richtende; wobey uns das Wetter dermassen günstig war, daß wir 8. Täg nach einander ohne einige Ungestümme fortgeseglet, auch hierum die unermessene Güte GOttes ohne Unterlaß zu preisen hatten: Alldieweilen das übelgehefte Schiflein auch dem geringsten Gewalt der Winden oder Wellen keineswegs gewachsen, und also stets in Gefahr stunde, von dergleichen Unfall angefochten zu werden. Die Nahrung ward ingleichem sehr schmal, und gering, die Andacht aber desto eifriger, und gewanne es das Ansehen, als wäre bey diesen sonst ganz irrdischen Menschen aller Lust und Verlangen nach dem Zeitlichen ganz erstickt, und erloschen: Alldieweilen viel 1000. Thaler, so sie gerettet, auf dem Schif-Boden ausgestreuet lagen; jedoch nicht einer veranlaßt wurde, sich darum zu biegen, oder selbe auf zu klauben. So gar hatte die Sorg des in Gefahr stehenden Lebens alle Sinn eingenommen.

Da wir nun also glücklich vom hohen in das enge Meer gerathen, stiesse ungefähr das Schiflein an einen verborgenen Stock, oder Klippe, mit so grossem Gewalt, daß es häufig begunte Wasser zu trincken, und wir uns des Untergangs kaum verwehrt hätten; wann nemlich von so augenscheinlicher Gefahr unser Sorg nicht verdopplet, die Klumsen mit Sammet-Tuch (dann nichts anders verhanden war) und das Wasser durch ängstigen Fleiß der Arbeiter eilends wäre ausgeschöpft worden. Hierauf ziehleten wir abermahl gen Mozambique; wurden aber mit Gewalt davon ab- und gen Sofala getrieben; folgends gezwungen, weilen die Nahrung begunte zu schwinden, und die mehreste vor Durst und Mattigkeit dahin lagen; auch die Tiefe des Wassers nicht mehr, als 9. Klafter ware, nächstes Land einzufahren. Da wir nun hierüber äusserst bemühet waren, überfiele uns die finstere Nacht. Wir sammleten, das Schiflein zu befestigen, von dem zerstreuten Gold zu 300. Spanische Realen, banden es nebst etlichen Stuck-Eisen in einen Sack, und sencktens an statt des Anckers in die Tiefe. Folgenden Tags ersahen wir das Land mit freudigen Augen, allda wir auch endlich, jedoch nicht ohne Gefahr, geländet. Dann unfern davon erhube sich ein urplötzlicher Wind-Sturm, als gereuete es das Meer, daß es uns also unversehrt hätte durchkommen lassen; deme aber zeitlich zu entgehen wir alle Segel ausgespannt, und also mit grossem Gewalt auf den Sand getrieben, ja samt dem Schiflein ins Wasser seynd gesetzt worden. Wir krochen alle, so schwach und ausgemerglet wir waren, an das Gestatt, und preißten GOtt auf gebogenen Knien, um so wunderbarliche Errettung, die er uns so gnädiglich wiederfahren lassen. Demnach stunde unser gantze Sorg nach [630] dem süssen Wasser, damit unseren unleidentlichen Durst, und dahin fallende Kräften zu erquicken. Etliche Mohren, so uns von fern ersehen, weil wir sehr Zahlbar, das ist, 57. waren, getraueten sich nicht, wie hoch wir es auch verlangten, herzu zu nahen, bis sie sich zu 200. zusammen gerottet, und mit gewafneter Hand auf uns ankommen. Manche aus uns, wie schwach sie auch waren, griffen nach dem Degen, den unbillichen Gewalt, so viel möglich, abzulencken. Als sie aber hierüber etliche Pfeil in den Leib bekamen, ergaben sich die übrige freywillig, und wurden insgesamt von den zornigen, und blutgierigen Barbaren aller Kleider beraubt, und 2. gefänglich davon geführt. Worauf füglich die Nacht eingefallen, theils unsere Blosheit zu bedecken; theils alle fernere Wüterey wider uns zu verhinderen. Wir zogen fast die halbe Nacht neben dem Meer-Gelände daher, in Hofnung, etwann einen Wasser-Strom, und nebst demselben einen Portugesischen Kaufmann anzutreffen, bis wir vor Durst und Mattigkeit dahin fielen, und einer sich da in die Erd vergrube; ein anderer mit Baum-Blätter sich bedeckte, und also gezwungen wurden Ruhe und Rast zu suchen, wo sie nicht anzutreffen war. Und in der Wahrheit, es gelustete uns auf so harten Polsteren wenig zu schlaffen; dannenhero kaum, daß der Morgen angebrochen, tratten wir unsere Reis wiederum an: und weilen selbige Gegend mit wilden Cafern dick besetzt ist, geriethen wir abermahl in ihre Händ, und wurden als ein Vieh-Heerde in ihre Wohnstatt getrieben. Da erfuhren wir wohl redlich, was der Heil. Paulus selbst an seiner Person erfahren, da er von sich Meldung thut 2. Corinth. 11. mit diesen Worten: in Frost, und Blösse, in Hunger und Durst, in Mühe und Arbeit. Unser Speis war in Wasser gesottener Hirsch-Brey, so klein ausgemessen, daß etliche, ihren Hunger zu stillen die Kleyen sammleten, und nach Europäischer Weis in der Aschen ausbachten; auch mancher sich für glückselig hielte, wann ihm ein Stuck davon zu Theil wurde. Die Tag-Hitz war dermassen groß, daß unsere Leiber, als wärens mit dem Aussatz geschlagen, erdorret, und angesengt wurden. Hinwiederum hielte die nächtliche Kälte dergestalten an, daß, wann wir nicht Feuer angesteckt hätten, selbe uns unerträglich geweßt wäre. Also sehr haben sich jene verstossen, welche diesen Erdstrich wegen allzu grosser Hitz für unbewohnlich gehalten.


Indem wir nun eine Zeitlang dies Ungemach erfahren, und sich niemands finden liesse, der unser Freyheit halber gen Mozambique, oder Qualimene möchte abgefertiget werden, kame eines Xechi Sohn (also werden die mindere Befehlshaber benamset) der Sect nach ein Mahometaner, und 8. Meil von dar beym Fluß Loranga wohnhaft, ungefehr dahin, zwar unsere Erledigung, jedoch mit seinem Vortheil zu erhalten: Wie dann dergleichen [631] Leut fremden Nutzen ohne eigenen Aufnahm zu suchen nicht gewohnt haben. Weilen aber das Löß-Geld von den Cafren allzu hoch gesteigert wurde, liesse er von dem Kauf ab, und zoge sich unverrichter Sachen in seine Wohnstatt. Wir sandten ihm etliche Mohren nach, innständigist bittende, sich unser zu erbarmen, nebst treuen angeloben, daß alles, was er hierinn leisten wurde, von den Portugesen zu Mozambique, oder anderwärtig, mit doppelter Vergeltung solte ersetzt werden. Er wolte sich auch auf dieses nicht bereden lassen. Als aber bald hernach 2. Ordens-Brüder, Emanuel Herera, und Adrianus, jener aus unser Gesellschaft, dieser aus dem Orden des H. Dominici, so wir einhelliglich erwählet, und zu diesem End dahin geschickt, damit sie um gedachte Gunst-Erweisung zu erlangen heftig darauf dringen solten, liesse er sich endlich erweichen, und brachte so viel Stuck Leinwath zusammen, als die Mohren für unsere Erledigung gefordert hatten.


Inzwischen solches beym Zecho abgehandlet wurde, ergriffe uns zu Haus ein neue Gefahr, so fast alle so gut gemachte Anstalten auf einmahl zu Grund gerichtet hätte. Etliche aus uns, denen dies Elend allzuschwer fallen wolte, machten sich heimlich, und bey nächtlicher Weil unvermerckt davon, wodurch die Barbaren, als sie folgenden Tags die Zahl vermindert sahen, dergestalt seynd erzörnt worden, daß sie die übrige insgesamt etlich und 30. mit vielen Troh- und Schmäh-Worten in einen so engen und niedrigen Kercker zusammen gesperrt, in welchem man nicht aufrecht stehen, sondern einer über den anderen liegen mußte, und über das noch 2. davon ausgeschlossen, aber deswegen mit groben Schlägen gantz jämmerlich abgedroschen worden. Der Hunger, so wir zu leiden hatten, war sehr groß; die Hitz aber noch weit grösser, also daß wir uns in einem brennenden Kalch-Ofen, ja wohl im Fegfeuer selbst zu seyn gedunckten. Ueber alles fielen uns höchst empfindlich die Schmäh- und Lästerungen, so das wilde Mohren-Gesind, die Schuld der Flüchtigen dergestalt zu rächen, ohne Unterlaß wider uns ausgosse; daß wir also viel heftiger, als jemahls zu GOTT schryen, und die gelobte Andachten verdoppelten, dieses Elends einsmahl ledig zu werden.


Nach etlich Tägen gelangte einer von obgedachtem Zecho mit dem gewünschten Loß-Geld bey uns an, den wir als einen vom Himmel mit häufigen Zäheren empfiengen, auch alsobald von der so elenden Herberg, darinn wir so viel Ungemach erlitten, mit freudigen Hertzen Abschied nahmen. Er führte uns theils zu Land, theils zu Wasser, jedoch bey einer ungemeinen Hitze, zu seinem Herrn, der uns zwar liebreichst angenommen, jedoch seines geringen Vermögens halber nicht nach Nothdurft hat versehen können. Wir mußten uns täglich [632] mit einer Hand-voll Reiß, oder Hirsch beschlagen lassen, und, ob schon etliche in andere Herberg verlegt wurden, manche auch das Brod von Haus zu Haus begehrten, kame doch dasselbe so klein heraus, daß es zur Erhaltung des Lebens nicht erklecken wolte. Dannenhero die mehreste vor Schwachheit dahin lagen, auch bald darauf viel derselben, darunter 4. von unser Gesellschaft, welche auf Flössen bey Sofala angeländet, aus Mangel der Hilf-Mittlen ihr Leben haben lassen müssen.


Da wir nun in solchem Zustand GOttes Verordnung noch ferner gewärtig waren, ersahen wir den 1ten Tag Winter-Monats (ungezweifelt durch Fürbitt der Auserwählten GOttes, um deren Beystand wir unabläßlich zu GOTT schryen) ein Schif mit vollen Seglen von Mozambique auf Cuama zu fliegen, dessen Steurman, wie uns nachmahls erzählt worden, befehliget war, die bey dem Fluß Loranga gescheiterte, und von den Cafren noch angehaltene Portugesen aufzunehmen. Er fande sich sehr bald an jenem Ort, da er mit 1000. Seufzer erwartet wurde, legte bey Zecho das vorgestreckte Loß-Geld ab, und führte uns glücklich dahin. Nach 50. Meil Reisens gelangten wir zu dem Strom Luabo, und trafen daselbst unsere Schif-Genossene an, so wohl diejenige, welche auf den Flössen, als die sich in den Schiflein, wie oben gedacht worden, errettet hatten. Mit was beyderseits Trost und Vergnügen solche Zusammenkunft geschehen, wird derjenige erachten können, der einsmahl mit ungehofter, jedoch höchstverlangter Zeitung urplötzlich ist erquickt worden. Bald hierauf geriethen wir zu obbelobtem See-Vogt Brociado, der uns frolockend, und als seine eigene Kinder empfangen, eine Zeit lang recht Christlich, das ist, willfährigst bewirthet, und letztlich von dar nach Mozambique hat abführen lassen. Allhier legten wir einen Theil unserer angelobten Andachten GOtt dem HErrn ab, giengen mit blossen Füssen, ja krochen mehrentheils auf den Knien zur Schloß-Kirch der Jungfräulichen Mutter GOttes, und wurden von einer Menge des Volcks, so mit unserem ausgestandenem Elend Erbarmnuß hatte, dahin begleitet. Nach Verfliessung etlicher Monat lieffe ein Schif aus Portugall in den Hafen, welches mit 12. aus unserem Orden unter Anleitung Pater Agres Sosa nach Ost-Indien seglete, denen wir uns beygesellet, und also mit sehr gutem Wind, und in kurtzer Zeit nach Goa gelangt seynd, zu End des Herbst Monats im Jahr 1586. bishero Petrus Martinez.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 617-633.
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