Neunzehente Begebenheit.

Ein alter Greiß giebt noch im Tod-Beth zu verstehen, was Gestalten er vor diesem, da er noch frisch und gesund war, gern nach neuen Zeitungen gefragt habe.

[654] P. Wolfgang Rauscher S. J. ein berühmter Prediger erzählt von sich selbsten, wie daß er gedachtem alten Greisen, seinem Beicht-Sohn zugesprochen, da er im Todbeth lage, und männiglich auf sein Seel wartete. Ehe und bevor er gar ligerhaft wurde, setzte man ihn täglich bey schönem Wetter in einem Sessel für die Haus-Thür hinaus an die Sonnen, nur damit er den Leuten aus den Füssen käme. Der gute Alte war vor diesem auch ein frische Haut, und seiner Kunst nach ein treflicher Spilmann; wie er dann das Geigen dermassen in die Uebung gebracht, daß ihme stets der Arm davon zitterte, und er auch in seinem höchsten Alter, so wohl wachend, als schlaffend, unaussetzlich bis in die letzte Züg die rechte Hand, damit er vormahls den Figelbogen geführt, auf- und ab- bewegte. Jetzt liesse man ihn vor der Thür sitzen, von männiglich verachtet, und würdigten sich kaum die Hausgenossene, ihme die Hand zu bieten, wann er etwas vonnöthen hatte. Wie dann ihn sein eigene Tochter aus Unachtsamkeit die Stiegen hat lassen einfallen, welcher Fall ihme über einen und anderen Tag hernach gar den Rest gegeben. Nun (wie gedacht) dieser Alte sasse vor der Haus-Thür an der Sonnen, und konte man ihm kein grössere Freud machen, als wann einer aus den Fürbeygehenden einen Ständerling bey ihm hielte, und neue Zeitungen erzählte. Also gern hörte er Zeitungen; und das bis in sein letztes End. Er ware schon mit den H. Sacramenten der Sterbenden versehen, auch zum letzten Kampf (so viel man menschlicher Weis wissen kan) wohl verfaßt, als ihn ein starcke Ohnmacht überfiele, aus welcher er sich doch wiederum, ohngefähr nach einer Viertel-Stund erholet, und alle Umstehende kennete. Mittler Weil, da andere den Leib stärckten mit Kraft-Wasser, bemühete sich der Pater, die Seel mit etwelchen geistlichen Trost-Sprüchen zu laben. Er aber gleich, als wann er wieder in ein Ohnmacht sincken wolte, schwige eine Weil still; gähling aber wendete er sich gegen dem Pater, und mit gantz deutlicher [654] Stimm, daß es auch andere vernommen, sprache er: Pater, was haben wir guts Neues?


Mein GOTT! was thut nicht die Gewohnheit in einer Sach! dieser Alte, der schon mit einem Fuß in dem Grab stunde, wolte noch neue Zeitungen hören. Der Pater begegnete ihm gar bald, und sagte ihm die beste Zeitungen von dem Himmel, wohin er hoffentlich bald wurde abfahren, etc. Er aber redete kein Wort mehr; sondern griffe in die Züg, und ward nach wenig Schupferlein eine Leich. Præfatus Rauscher in Festivali, 1. Con. 2. à princip. Exord. in Comm. Fidel.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 654-655.
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