Andere Fabel.

Ein arge Katz stiftet mit ihrem Ohrenblasen Mißtrauen zwischen einem Adler, und wilden Schwein, wordurch sie beyde ins Verderben gebracht hat.

[707] Es wohnten beysammen in einem hohlen Eich-Baum drey unterschiedliche Thier: ein Adler, ein Katz, und ein Wildschwein. Der Adler hatte sein Nest zu oberst auf dem Baum: die Katz in der Mitte: und das Wildschwein zu unterst. Doch lebten sie lange Zeit fridlich unter einander, bis sie alle drey Junge bekamen. Der Katz kame am allerersten ihrer Nachbarn Thun und Lassen verdächtig vor: förchtete ihr, das wilde Schwein möchte so lang unten wühlen, bis der Baum umfiele; der Adler aber gähling einmahl in ihrer Abweesenheit über die Junge herwischen. Was Raths? Höre was dieser verschlagene Katzen-Balg erdacht habe. Sie kriechete in der Still zu dem Adler hinauf, unter dem Schein, ihne Ehrenhalber zu besuchen: sagte ihme auch in Geheim, und höchsten Vertrauen, was sie unlängst von dem Wildschwein vernommen: wie daß nemlich selbiges dem gantzen Vogel-Geschlecht abhold wäre, und nicht gedulten könte, daß eben der Adler das vornehmste Ort innhaben solte, da doch von Alters her dem Wildschwein das Beste im Wald gebührte. Um welcher Ursach willen es nicht nachlassen wolte, so lang mit Wühlen die Wurtzel zu untergraben, bis der Baum umfalle, und das Adler-Rest vernichtet werde. [707] Ich solte mir gleichwohl auch um ein andere Herberg umsehen; dann es wolte hinführan den Eich-Baum allein innhaben. Ach liebe Frau Nachbarin! wie wird es uns gehen? der Adler bedanckte sich um dieses treue Freundstuck; versprache ihr, sich hierüber zu bedencken; und hernach ihr auch sein Gutduncken zu entdecken, wie man etwann dem Unheyl vorkommen möchte. Kaum war das arge Vieh (die Katz) von dem Adler hinweg, da mauete sie auch in der Still zu dem Wildschwein hinab, grüßte selbiges, und sprach: mein liebe Nachbarin, habt mir es nicht für übel, daß ich euch überlauffe: ich weiß meinem Sachen weder Hülf noch Rath. So thut ihr mich auch erbarmen samt den Eurigen. Dann höret, mein goldene Nachbarin, was muß ich euch doch sagen? aber ihr müßt bey leib nicht dergleichen thun. Ihr wisset selbst wohl, was es um die Vögel für ein leichtfertiges Volck seye, welches alle andere Thier verachtet. Das hab ich diese Täg an dem Adler handgreiflich spühren müssen, indem er ein langes Gespött über meinen grauen Balg, eueren Rüssel, Bürste, und kothige Füß getrieben hat: endlich sich auch verlauten lassen, er wolle keine solche Nachbarschaft länger neben sich mehr gedulten: ich könte zwar noch eine Zeit lang da verharren; aber euch wolle er bey nächster Gelegenheit über die Junge wischen, und euch schon zwingen, die Heerberg zu raumen. Also schwätzte die lose Katz dem Wildschwein die Ohren voll an; und richtete mit ihrem Ohrenblasen so viel aus, daß ihm weder der Adler von dem Nest, noch das Wildschwein aus dem Loch heraus trauete; sonderen beyde samt den Jungen verhungeret, und der Katzen zu einem Raub worden. Es hat aber dieses schlaue Vieh den Rest auch bald überkommen, indem es über kurtze Zeit hernach von denen Jagd-Hunden in Stuck zerrissen worden, Rauscher S.J. Dominicale 1. Conc. 1. post Pascha.


Wolte GOtt, es gebe nicht auch unter den Menschen eine solche Art der Ohrenblaser! die da unter dem Schein der Freundschaft daher kommen, und beynebens nur ihren eigenen Nutzen suchen: mithin gute Verträulichkeit zerstöhren, und Feindschaft unter Fried-liebende Hertzen stiften. Solche verruchte Leut kan man mit rechtem Fug des Teufels Blas-Balg nennen; als welche das Feur der Uneinigkeit unter anderen anblasen. Aber hören sie, was der weise Syrach schreibt, und wann noch ein Funcken der Forcht GOttes bey ihnen ist, so erschröcken sie darüber. Die Wort lauten also: Ein Ohrenblaser soll verflucht seyn: dann er hat schon unter vielen den Frieden zerstöhrt. Eccl. 28.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 707-708.
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