Siebenzehente Fabel.

Ein Fuchs ziehet sich durch listige Entschuldigung aus der Gefahr von dem Löwen zerrissen zu werden.

[760] Der Löw lage einstens in seiner Höle schwerlich kranck; und weilen solche an einem unsauberen und finsteren Ort gelegen, ware sie mit unleidentlichen Gestanck angefüllt. Nun begabe es sich, daß ein Wolf, ein [760] Bär und ein Fuchs zusammen kommen, und sich entschlossen den krancken Löwen, als ihren König heimzusuchen. Der Bär trittet demnach der erste in die Höle hinein, legt sein Traur-Compliment ab, und sagt, wie daß er wegen der Unpäßlichkeit seines Königs Leid trage. Der Löw bedanckt sich wegen solcher Höflichkeit; und nachdem er ihm eine Zeit lang von allerhand Sachen discuriert, sagt er: Mein! was haltest du von meiner Herberg? riechest du keinen Gestanck? ich für meine Person, weil ich des Geruchs schon voll, und immerdar in dieser Höle mich aufhalte, kan nichts spühren: will also hören, was du darzu sagest. Der gute Bär, welcher vorhin wenig zu Hof gewesen, und nicht wußte, was gestalten das Schmeichlen der Hof Leuten gröste Kunst wäre, sagte die liebe Wahrheit unverholen heraus mit diesen Worten: Allergnädigster Herr, und König! ich verwundere mich sehr, wie doch ihro Majestät an einem so stinckenden Ort sich mögen aufhalten. Wann einer auch die gesundeste Natur von der Welt hätte, müßte er bey so unerträglichen Gestanck die Gesundheit verliehren. Ein frischer Luft hilft viel zur Gesundheit. Uber diese aufrichtig-gemeinte, und wahrhafte Antwort erzörnte sich der Löw dermassen, daß er den armen Bären ergriffen, und jämmerlich zerrissen hat Der Wolf sahe diesem Traur-Spiel mit erschrockenem Hertzen zu; hofte also den Handel durch Schmeichlerey besser zu machen: Indem er nun in die Höle hinein trittet, und gleicher Gestalten des Geruchs halber befragt wird, antwortete er: Allergnädigster Herr, und König! es kommt mir nicht anderst vor, als wäre ich in einem Lust-Garten, in welchem lauter wohlriechende Violen, Rosen, und Nägelein-Blumen seynd. O was für ein lieblicher Geruch! ich wünschte, daß ich ein lautere Nase wäre; nur damit ich dieses Geruchs nach Genügen möchte theilhaftig werden. Das ware mehr, als viel geschmeichlet. Allein der Löw hielte diese Antwort für ein Gespött, welches ihn dann dergestalten verdrossen, daß er den Wolf mit gleicher Müntz, wie den Bären bezahlte. So kame dann letztlich die Frag an den Fuchs: Das listige Thier, nachdem es gesehen, daß weder mit der Wahrheit, noch mit Schmeichlen etwas zu gewinnen wäre, entschuldigte sich der Antwort halber folgender massen: Allergnädigster Herr und König! Ihro Majestät wollen mir gnädigst verzeihen, daß ich ihnen nicht antworten kan, wie sie es gnädigst verlangen: Dann weil ich schon von etlichen Tagen her den Pfnüsel, oder die Schnuppe hab, ist mir die Nasen also verstopft, daß ich im geringsten nichts riechen kan, sonsten wolte ich freylich mein Urtheil auch eröfnen. Durch diese listige Entschuldigung gewanne der Fuchs so viel, daß ihm der Löw nicht könnte zukommen: Truge also seinen Balg unverletzt davon. Herodotus lib. 3.

[761] Da mag man sich wohl lassen gesagt seyn das Sprichwort: Wo man mit der Löwen-Haut nicht kan durchdringen, da muß man den Fuchs-Balg anziehen.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 760-762.
Lizenz:
Kategorien: