Vier und dreyßigste Fabel.

Wunderlicher Gerichts-Handel.

Der sich zwischen etlichen Tugenden, als Klägerinnen, einer, und zwischen dem edelsten Metall, dem Gold, anderer Seits solle ereignet haben; dessen Ausspruch GOtt, als dem höchsten Richter heimgestellt wird.

Religion oder GOttes-Dienst.

[778] Erste Klägerin.


Allmächtiger GOtt und höchster Richter, wie sehr ich mir Euer Majestät Glory, Ehr und Namen lasse angelegen seyn, davon weißt die gantze Welt zu sagen; und bezeugen die allenthalben hin und wieder aufgerichtete ansehnliche Kirchen und Altäre zu Genügen, wann ich auch kein Wort rede. Aber was mich an Dero schuldigstem Dienst nicht wenig verhindert, und ich deßwegen gezwungen worden Euer Majestät mit Klagen zu belästigen, ist das meyneidige, und nunmehr für Gericht gestellte lasterhafte Gold. So lang es vorlieb nahme an dem untersten Saum des Priesterlichen Kleyds, allwo ich auf Euer Majestät Befehl (Exodi 39. [778] v. 23.) goldene Glöcklein und Granat-Aepfel untereinander anhenckte, stunde es mit mir noch wohl; dann das geschahe theils damit man den Priester gehen hörte, wann er in das Heiligthum eintratte, theils auch darum: der gantzen Welt zu bezeugen, daß eines Priesters wenigste und schlechteste Sorg seyn solle das Gold (Oliva S.J. in Cap. 9. 1. 1. Esdrä) gleichwie man gering achtet den untersten Saum des Rocks, darauf man oft mit Füssen trittet, oder ihn doch vielmahl im Koth herum ziehet. So lang (sag ich) das Gold an einem so schiechten Orth vorlieb genommen, stunde es wohl mit mir. Aber nachdem es sich nach und nach in kleine Haus-Götzen hat lassen umgiessen, seynd so gar einer unschuldigen Rachel Händ nicht allerdings rein davon kommen, welche ihrem Vatter Laban die goldene und silberne Götzen-Bilder entfremdet hat, worüber grosses Gezänck entstanden, und sie, die Rachel selbst in Leib und Lebens-Gefahr gerathen ist. Bey dem ist es nicht geblieben; der Ehrgeitz dieses Klumpens wuchse je länger je mehr, bis gar ein goldenes Kalb daraus worden, welches die Israeliter in der Wüsten, und hernach auch unter der Regierung des Königs Jeroboam auf der Höhe des Gebürgs, und in den Wälderen angebettet haben. O Uebermuth dieses Erdklotzes, der sich auch für einen GOtt aufwerffen, und die Ehr, so Euer Majestät allein gebührt, ihme freventlich unverschamter Weis hat dörffen zumessen. Was ist es Wunder, daß der grosse Eyferer meines Wohlstands, der Moyses, die Gesatz-Taflen vor Zorn und Unmuth auf die Erden geschmitzt und zerbrochen hat? Das Gold, aller Abgötterey war schuldig daran. Alsdann nemlich hat der Moyses die so schätzbare, und von dem Finger GOttes selbst überschriebene Taflen des Gesatzes an einem Stein zerschmettert, da er das goldene Kalb in der Höhe stehen sahe: weilen er gar vernünftig geurtheilet, daß bey denjenigen Leuten, welche Gold für GOtt anbetteten, die Gebott GOttes wenig verfangen; ja wohl gar umsonst seyn wurden. Von der Zeit an hat die Abgötterey allenthalben eingerissen, und ist so weit kommen, daß der König Crösus in Lydien keinen GOtt mehr wolte anbetten, er wäre dann von Gold. Jetzt gibt es so verblendete Leut, welche das Gold anbetten, ob es schon die Bildnus eines Götzens nicht hat. Dem Gold zu lieb wagt man alles. Um einen und andere Ducaten schwört mancher 1000. Eyd. Um das Gold seynd die geistliche Pfrunden feil. Des Golds wegen bricht man in die Kirchen, und begeht mit Entführung der geweyhten Geschirren einen gottsrauberischen Diebstahl; woran dieses hochtragende Metall vielmahl schuldig ist, als welches viel lieber auf der Tafel eines Königs Balthasars prangen, als von ungewaschenen Händen manches Priesters sich berühren; oder etwann von dem Meßner Jahr und Tag ungebutzt im Winckel eines Kasten stehen will. So gar [779] (wo kommts nicht hin? ewiger GOtt!) wegen des Golds bricht man die Gräber auf, und beraubt die Verstorbene. Wie dann einer so verwegener That sich unterfangen hat ein edler, aber sehr frecher Jüngling (dessen Sophronius ein alter Scribent Meldung thut) welcher bey nächtlicher Weil das Grab wiederum eröfnet einer reichen Jungfrauen, die man dahin in köstlichem Kleyder-Geschmuck begraben hatte, und ihr fein sauber alles, was von Gold und Silber war abgezogen. Ich geschweige vieler anderer Mißhandlungen, damit ich es nicht zu lang mache, und anderen Klägeren nicht vorgreiffe. Daß allein, was ich bishero vorgebracht, kan genug seyn, mir das Recht zu ertheilen, und diesen Ubelthäter (das Gold) den Verdiensten nach scharf abzustraffen.


Ehrbarkeit.

Anderte Klägerin wider das Gold.


Dero anstatt eines Advocatens die Schamhaftigkeit an der Seiten stunde. Diese gab unter anderen vielen Inzuchten die gantze Schuld dem Gold, daß sich hin und wieder so viel Schleppsäck aufhalten. Wäre das Gold und Geld nicht (sprache sie) so findete dergleichen Lumppen-Gesind kein Herberg; will geschweigen erst einen Herren-Tisch. Die gemeine Frauen-Häuser und heimliche Schliefwinckel in grossen Städten haben ja kein andere Fundation und Einkommen, als dort und da ein Dupplonen, oder Ducätlein. Jene allgemeine babylonische Hur (mit Gunst zu melden) welche der Heil Evangelist Johannes in seiner heimlichen Offenbahrung auf einer Bestie sitzend gesehen, hatte einen goldenen Kelch in der Hand, woraus sie allen ihren Liebhaberen zu trincken gabe. Viel tausend noch heut zu Tag lauffen zu, und thun daraus einen Suf. Und weil das Getranck einem für sich selbst nicht schmecken kan (dann es ist Gift: wie der Heil. Ambrosius sagt über den 1ten Psalm.) reitzt aufs wenigst der Glantz des Golds einen zum Trincken an. Siehet man jetzt, wer die meiste Ursach der Unzucht und Schandthaten seye? doch muß ich auch zugleich bekennen, daß das Gold nicht alle Schuld habe. Es braucht nicht allzeit ein Dupplon, oder Ducaten. Es ist vielen um ein schlechters jetzt der Leib feil. Pfui der Schand!


[780]

Freygebigkeit.

Dritte Klägerin wider das Gold.


Diese beschwerte sich wider das Gold, wie daß selbiges am allerersten den Nahmen Schatz erdacht habe; auch ein so enge Verbündnuß mit solchem gemacht, vermög deren zwischen beyden beschlossen worden, die meiste Zeit nur in den eisenen Truchen grosser Herren eingesperrt; oder gar unter der Erden vergraben zu verbleiben; dieweil kein gutes Geld mehr unter die Leut kommt. Und obschon diejenige, welche ihr Gold vergraben, damit verfahren, als mit ihrem eigenen Gut; handlen sie doch gantz unbarmhertzig und thorrecht. Ihnen nutzen sie nichts (wie Theodoricus der König zu sagen pflegt) und uns, ihren Nachkömmlingen, die wir nichts darum wissen, gehen sie zu grund. Wäre es nicht besser, es spatzierte bisweilen mit mir ein, und das andere Ducätlein in das Haus eines wohl verdienten Manns, als daß es in dem Winckel einer schwartzen Truchen Jahr und Tag verborgen ligt? ich schäme mich, wo ich hinkomme; so gar mager und hungerig siehe ich aus, daß mich fast niemand mehr kennen will. Ich gedencke noch wohl der guten Zeit, da es anderst gewesen. Jetzt, nachdem sich das Gold also zu verstecken angefangen, geschiehet mir, und vielen anderen zu kurtz. Dann, weil man das Gold nicht angreiffen will; das Silber aber selbst ins Hausweesen, oder zum Sauffen, und Spielen braucht, werden die Schulden nicht bezahlt. Der jährliche Zinß bleibt ausständig; Bierbräu, Metzger, und Becken müssen lang borgen; Schuster, Schneider, und andere Hand-Wercker lang mit ihrem Flick-Zettel hinnach lauffen, bis man ihnen auf einem Spänlein Geld gibt; und auch dieses nicht gantz: sondern halb abbricht.


Justitz, oder Gerechtigkeit.

Vierte Klägerin wider das Gold.


Die Freygebigkeit hatte noch kaum geendet, da fienge die Justitz mit einem tieffen Seuftzer an, als die sich schier am meisten von dem Gold beschwert, und verletzt befande. Sie brachte gantz beweglich vor, wußte auch mit Brief und Zeugen zu beweisen, wie daß nemlich das Gold den Dieben lange Finger; den Vormunderen heimliche Schlüssel zu dem Geldkasten ihrer ihnen anvertrauten Waißlen; denen Testaments-Vollzieheren lauter Schnecken-Füß; denen Advocaten ein neues Recht; und denen Richtern zu viel lange Bänck machte, auf welche sie ihr Urtheil in Endscheidung der Gerichts-Händlen verschiebten. Ach! (sprache sie) seithero die goldene Handschuh aufkommen kan ich nicht mehr fortkommen. Andere Tugenden fahren auf einem Triumph-Wagen daher; vermögen Gutschen und Pferd. Ich hab mich allzeit eines schlechteren beholffen; bin zu Fuß [781] gangen, nur alles schmiereu zu vermeiden; damit meine Räder, wann ich einen Wagen hätte, keines Schmierens bedärften. Jetzt steckt es sich oft, wann man nicht schmiert, ob ich schon zu Fuß gehe. Wer aber gleich Anfangs das schmieren nicht sparet, dem fliegen Klafter lange Willkomm entgegen; das Ja-Wort steht schon unter der Thür, ehe die Ansuchung, oder Bitt recht angeklopft hat. O du allvermögendes Gold, O du verfluchtes Gold, hätte ich sagen sollen! du bringst mich noch ins Verderben. Recht hin; Recht her: wo das Gold zu reden anfangt, gilt alles Einwenden nichts (wie der Heil. Gregorius von Naziantz sagt) es überredet den Richter, ob es schon kein Wort sagt: der Augenschein hat dieses zum öfteren erwiesen. Wo ist einē zu kurtz geschehē, daß nicht das Gold den Handel verschnitzelt hat? wo wird einer bald verurtheilt, der mehr Ducaten, als sein Gegen-Part zeigt? wer erhaltet nicht aufs wenigst einen gütlichen Vergleich, den man nach verlohrnen Handel von Rechtswegen auch zu denen Unkösten anhalten, und verurtheilen solte, wann er eine goldene Ketten, oder mit köstlichen Stein versetzten goldenen Ring zum Unterhändler braucht? mit einem Wort: es hat sein Verbleiben bey jenen bekannten Reimen:


Das Silber samt dem Gold

Macht alle Händel krumm,

Bricht es nicht gar das Recht

Reibts ihm ein Ohr doch um.


Die Justitz hatte noch mehr vorzubringen; weilen sie aber zugegen sahe Treu und Glauben, zwey leibliche Schwesteren, brache sie ab, und machte diesen Platz, wohl wissend, daß ihre Klag von diesen zwey Klägerinnen in vielen Stucken wurd bestättiget werden. Hierauf fienge die Treu an also zu reden:


Treu und Glauben /

Die letzte Klägerinnen wider das Gold.


Gerechtister Richter! etc. Es seynd zwar von denen anwesenden Partheyen wider diesen Böswicht, das Gold, schwere Klagen genug mit allem Grund und Wahrheit vorgekommen. Aber, wann man erwegen will den allgemeinen Schaden, welcher Land und Leut huet zu Tag von dem Gold zugefügt wird, weiß ich nicht ob sich jemand mehrer beschwerd befinde, als Treu, und Glauben; ich und meine Schwester. Seithero die Teutsche ihre Wammes und Gürtel weg gelegt, und einen fremden Kopf aufgesetzt, seynd wir fast nirgends mehr sicher, weder zu Friedens-Zeiten, noch im Krieg. Es ist alles ein verwirrtes Weesen durch einander. Man verspricht viel; und halt wenig. Man richtet Verträg auf; und bleibt nicht darbey. Man unterschreibt sich; und laugnet seine eigene Hand ab. [782] Man gibt Brief und Siegel her; und laßt doch nicht gelten. Man schwört auf die Heil. Evangelien; und thut just das Widerspiel. O! was Zeiten! was für Sitten haben wir erlebt! wir seynd verkauft; wir seynd verrathen bey dieser verkehrten Welt, wo wir hinkommen: und wird nur gar zu wahr gemacht des alten Comödianten Spruch: man traut, man glaubt heut zu Tag kaum der Treu selbst mehr; oder thut mans, so geht es doch ohne Betrug nicht bald leer ab. Und an diesem Unweesen allem ist niemand schuldig, als das diebische, verrätherische Gold. So weit kommt es schier: wann man ein Stuck Golds zeigt, dem ist Treu und Glauben schon feil; etlich wenigen, welche bey uns noch Stand halten, hierdurch nichts benommen. So gehts im Frieden zu; ist leicht zu gedencken, wie es im Krieg gehen werde. Viel hundert mahl schon ist der Spruch des Königs Philippi in Macedonien wahr worden, indem er zu sagen pflegte: seye ein Schloß so hoch gelegen, auch von Natur und Kunst so starck bevestiget, als eines seyn kan, wann es nur so weit ein Thürlein offen laßt, daß ein Maul-Esel mit Gold beladen hinein kan, so ist es hin. Wegen des Golds werden die geheime Rathschläg der Fürsten entdeckt; gantz veste Städt und Länder dem Feind verkauft; die Unterthanen wider ihr rechtmäßiges Haupt zur Rebellion aufgewicklet; alle Verräthereyen werden um ein Stuck Golds zu wegen gebracht. Und ob man schon zur Aufrichtung solcher gottlosen Tractaten die Feder an statt der Dinten in Zäher und Blut so vieler tausend Menschen einduncken muß, achtet man es doch nicht, wann nur das Streu-Sand golden, und das Pittschier, das man aufdruckt, ein Edelgestein ist. Mancher braver Soldat siehet mit unerschrockenen Augen einen blossen Degen an; den blossen Glantz des Golds kan er nicht erdulten. So bald man ihm Ducaten zeigt, wird er gleich verblendet, und williget in solche Sachen ein (ach leyder!) daraus dem Vatterland alles Unheyl erfolget. Das ist heut zu Tag gewiß: so bald man aus silbernen Stucken (will sagen, silbernen Becher und Pocal) mit goldenen Kuglen (verstehe Ducaten und Dupplonen) Vresche schießt da fallen gleich Mauren und Bollwerck über einen Hauffen. Solches, und noch viel anderes Unheyl mehr stiftet das allenthalben verschreyte Gold. Was zitterest? was erstaunest du? warum erbleichest? warum förchtest dir? gibe Antwort. Ist es nicht wahr? sehet! es schweigt still; und eben darum (der Juristen Regel gemäß) gibt es sich schuldig. Derohalben, gerechtister Richter! lasse das verdiente Urtheil ergehen: das erfordert die Billichkeit: das bitte ich; das erwarten wir, und alle Anwesende Partheyen.


Bisher hast du lieber Leser! allerhand Klagen wider einen Maleficitzen angehört. Jetzt vernehme auch [783] des beklagten Golds Verantwortung. Dann, wo man nicht beyde Theil anhört, kan man kein vernünftiges, noch gerechtes Urtheil fällen. Nachdem dann obgedachte Partheyen nach einander ihre Klagen abgelegt, gabe der Richter dem beklagten Gold (welches bis dahin bey seinen Füssen gelegen) einen Winck, sich zu verantworten: welches sich dann aufgerichtet, und folgender Gestalt zu sprechen angefangen.


Verantwortung des Golds

Wider die ihm aufgeburdete Mißhandlungen.


Großmächtigster König, und Herr, etc.


Wann ich vor einem anderen, als euer Majestät Richterstuhl stunde, wurde ich in Erwegung meines starcken Widerparts mir nicht getraut haben gantz allein, und ohne Beystand zu erscheinen. Dann ob ich mir schon keines Lasters bewußt, und deswegen gantz frey, und unerschrocken reden werde; ist es doch über die massen schwer, sein Unschuld genugsam zu er weisen, wo man die Tugenden selbst zu Anklägeren hat. Dieweilen ich aber denjenigen zum Richter erhalten, der die Gerechtigkeit selber ist, soll mir gar nicht schwer fallen, alle mir aufgeburdete Mißhandlungen mit sattsamen Grund und Beweißthum abzuleinen.

Und zwar fürs erste, überhaupt auf alles zu antworten. Wer siehet nicht, daß die Schuld, die mir zugemessen wird, nicht mein! sondern gewisser Personen sey. Und weil man den Thäter nicht allzeit haben kan, will man den Werckzeug radbrechen. Aber was kan das arme Gold darfür, daß es hin und wieder in der Welt so viel Schelmen und Dieb abgiebt? nehme man bey dem Kopf, die sich vergriffen haben; nicht ein unschuldiges Metall, das sich nicht wehren noch widersetzen kan; sondern mit sich muß umgehen lassen, wie es dem, der es in der Hand hat, gefällig ist. Was einer nicht hinderen kan, das laßt er geschehen. Solte es aber mir frey stehen, mit Schelmen und Verrätheren nach Belieben umzuspringen, solte sicherlich schon längst keinem mehr nach Gold der Lust ankommen seyn. Aber der Ordnung nach von einer Auflag zuranderen zu kommen, und von der letzten anzufangen:


Ist es gantz lächerlich, daß Treu und Glauben aus meiner bleichen Farb und langem Stillschweigen mich gleichsam für überwisen erkennen wollen. Ich hab geschwiegen, bis das Reden an mich kommen: jetzt werd ich mehr reden, als meinem Gegentheil lieb ist. Ich hab ein bleiche Farb nicht wegen des bösen Gewissens (dann GOtt Lob! mich dieses im geringsten nicht anklagt) sondern aus Beysorg, und eingejagter[784] Forcht, etwann abermahl von diebischen Händen entzuckt zu werden. Eine Daub, die einmahl mit harter Mühe dem Habicht entgangen, zitteret, wann sie einen Stoßvogel von weitem siehet. Nicht ich; sondern Schelmen und Verräther seynd dran schuldig, wann zu Frieden- und Kriegs-Zeit Treu und Glauben so schlecht in Ehren gehalten wird. Wann es aber je um das Gold ein so schädliches, und dem gemeinen Wohlstand des Vatterlands so nachtheiliges Weesen ist, warum hat man mich dann aus so weit entlegenen Orten beruffen; und da ich nicht kommen wolte, mit bewafneter Hand gezwungen? mir ware wohl in der Schooß meiner Mutter, der Erden. Warum hat man mich beunruhiget? gantze Kriegs-Heer der Bergknappen hat man wider mich ausgeschickt, die mit Pickel und Hauen die Berg durchgraben, und nicht nachgelassen haben, bis nach viel empfangenen Schlägen ich mich ihnen endlich ergeben hab. O wie oft hat mein Mutter da und dort eine Bergwand eingeworfen, und die Rauber erschlagen? wie oft ihnen Basilisken, Schlangen, und andere Thier entgegen geschickt, in Meinung, sie zu erschröcken? wie mancher schädlicher Erd-Dampf hat sie angewehet, und billig zuruck halten sollen? ich selbst, da ich die Gefahr merckte, hab mich unter das Kupfer, meine nächste Baase, verborgen unter das Koth vermischt, und also gleichsam fremde Kleider angelegt, damit man mich nicht kennen solte. Aber alles umsonst. Die Begierd, mich zu haben, ware so groß, daß man mich auch in der Gestalt, in welcher man mich antraffe, in schlechten Baurs-Kleideren (so zu reden) auf Schubkärrlein fortgeführt hat. Und da ich ans Tagliecht kommen, und mein Nam und Geschlecht nicht gleich anmelden wollen, hat man mir mit dem Feur gedrohet, auch würcklich darein geworfen; und ist noch über das mit Feilen und Bürsten über mich kommen, und hat mich von allem Unrath so lang gesäubert, und gebutzt, bis ich diejenige schöne Gestalt überkommen, die ja auch einem Blinden gefallen soll? aber, warum ist anderer Leuten Augen ein Schalck, dieweil ich schön bin? man sagt aber, ich helfe zu allerhand List und Betrug in burgerlichen Contracten und Handlungen; befördere Schelmen-Stücklein im Frieden; Verrätherey im Krieg, und seye kein Vestung vor mir sicher, die ich nicht dem Feind in die Händ spiele. Ja, das sagt man: ist bald gesagt; aber noch lang nicht erwiesen. Warum erzählt man nicht viel mehr die grosse Nutzbarkeiten, die man zu Fried- und Kriegs Zeiten von mir hat? ist es Fried, so erhalte ich denselbigen durch Handel und Gewerbschaft der Kaufleuten. Ist es Krieg, so kan man ohne mich den Krieg nicht glücklich fortsetzen. Daß aber Betrug und Verräthereyen zuweilen unterlauffen, das hat man der Untreu der Verrätherin zuzuschreiben. So weit ist von mir, gerechtester Richter! daß ich einigen Vorschub zur Verrätherey geben solte, daß man schier kein [785] besseres Mittel hat, solche zu verhinderen, als mich; wann man nemlich den Verrätheren zerlassenes Gold eingiessen wolte, ihren teufelhaften Geitz einmahl zu ersättigen. Zu solcher gantz billigen Abstraffung meineidiger Verrätheren bin ich alle Stund willig und bereit, mich brauchen zu lassen, wann es solte vonnöthen seyn, und man den verlohrnen Schmeltz-Tigel noch wird finden können. Urtheilen jetzt Ihre Majestät, ob man mich mehr mit Fug einiger Verrätherey beschuldigen möge.

Zu der anderen Auflag zu kommen, welche die Justitz wider mich führt, nimmt mich sehr Wunder, wie ein so hohe, und sonst der Billigkeit so beflissene Tugend also hitzig habe mögen aufschneiden. Bald macht sie einen Schreiner; bald einen Seckler aus mir, als wann ich alle Bänck in die Rathstuben, und Handschuh für die geldsüchtige partheyische Richter machte. Geschiehet mir aber in beydem Gewalt, und Unrecht. Eben also unverantwortlich ist es, was man mir, und meinem Befreundten dem Silber mit jenen Spott-Reimen vorruckt:


Das Silber samt dem Gold

Macht alle Händel krumm,

Bricht es nicht gar das Recht

Reibts ihm ein Ohr doch um.


Nun aber kan ich GOtt zu Zeugen nehmen, daß nicht ich an den krummen Händlen Schuld habe; sondern der unersättliche Geitz etwelcher Beyständ, und Richteren, denen wohl bisweilen um etwas schlechters, als um Ducaten und Dupplonen das Recht feil ist. So geldsüchtig, und reich zu werden ist bisweilen die Begierd etlicher Richtern (bisweilen, und etlicher sage ich: Den Guten nichts zum Nachtheil geredt) daß sie auch (wie der hochgelehrte Oliva S.J. in c. 2. l. 2. Esdrä reden darf) den Judas wurden vom Strick erledigen, wann er ihnen die weggeworfene 30. Silberling (dieses wenige Blut-Geld) wolte lassen zukommen, etc. Nicht ich derohalben, allerweisester Richter! sondern der Geitz bieget das Recht, und handelt wider alle Billigkeit.

Eben das antworte ich der Freygebigkeit: welche freylich ja nicht so gutthätig mehr sich erzeigen kan, wie vor diesem; weil die Geitzhäls mich also in die Truchen versperren, und in die Keller und Wälder vergraben. Was kan aber ich darfür, wann man einen Unschuldigen in die Keichen wirft? Nachdem ich einmahl das Präg in der Müntz empfangen, wolte ich freylich lieber dem Menschen zum Dienst seyn, als nur in der Truchen eines schindhärigen Kissen-Pfennings schimlicht werden.

Die wider mich geführte Klag der Ehrbarkeit betreffend, hat solche auch keinen Bestand. Es liegt am Tag, daß die Leichtfertigkeit die gemeine Frauen-Häuser gestiftet habe, und solchen Vettlen in grossen Städten Kost und Herberg aushalte; nicht ich. Eben darum, weil es so viel Geld kostet, solte es einem das Buhlen verleiden, wann nicht der Muthwill und Geilheit vieler jungen Leuten allzu groß [786] wäre. Daß der babylonischen Huren-Pocal aus Gold gewesen, ist mir leid genug. Aber was waget ein unverschamtes Weib nicht, wann sie einmahl von Liebhaberen den Zulauf überkommt. Doch ist derjenige ein Narr, welcher dem Gold zu Lieb aus einem Geschirr trinckt, worin er weißt, daß Gift seye.

Nun aber auch die erste Auflag der Religion abzuleinen, welche den meisten Schein der Wahrheit hat, gestehe ich gar gern, daß durch mein Geschlecht die Abgötterey auf Erden seye eingeführt worden. Wer hat aber die Schuld? Die Materi, die sich gleichgiltig haltet (weil sie sich nicht kan widersetzen) und eben so gern, ja lieber ein andere Form und Gestalt wolte annehmen? oder der Meister, der nur ein Kalb daraus macht, da er etwann einen Cherubin hätte giessen sollen warum hat der Aaron einen so schlechten Goldschmied abgeben? ihme, als dem Obersten Priester ist es zu gestanden, alle Aergernuß zu verhinderen; dann mir, als einem schlechten, und zu dem untersten Saum des Rocks verordnetem Metall, wolte es nicht gebühren, einem hohen Priester Maaß und Ordnung zu geben. Du, mein Religion! hättest ihm, und dem Jeroboam sollen darüber ein grösseres Gewissen machen; den Zorn GOttes besser vorstellen, etc. So wäre alle Abgötterey verhindert worden. Mit der Rachel kommt man mir eben recht. Wann hat sie sich an den goldenen Götzen-Bildlein ihres Vatters vergriffen? Text her; Schrift her. Um dieselbige Zeit nemlich ist es geschehen, da der Laban auf seinem Land-Gut mit dem Schaafscheren umgienge. Mercks: Die Rachel hat ihren Vortheil ersehen, und ist über die goldene Haus-Götzen hergewischt, da ihr Vatter mit dem Schafscheeren beschäftiget ware Hatte aber der Laban diese Bildlein vielleicht wenig geachtet? mit nichten. Sie waren ihm so lieb, daß er ihrenthalben, und nicht wegen seiner 2. entführten Töchteren, dem Jacob mit grossem Unwillen nachgesetzt. Warum hat er sie dann nicht besser verwahret? Antwort: Dieweil er dem Schaaf-Scheren nachgangen. Wohl ein schöne, erhebliche Ursach! dann wo der Geitz gar zu emsig ist, da gehet es bey der Religion kaltsinnig zu. Die Schaaf gehen vor; GOtt nach. Stehle man die Götzen, wann man nur Woll hat. Wo dem Geitz zu warm ist, da frieret die Religion. Und hiemit haben meine Gegner auch ein Antwort auf die übrige vorgeworfene, aber niemahls erwisene Mißhandlungen; nemlich Verkauffung geistlicher Pfrunden, Kirchen-Raub, Eröfnung der Gräber, und dergleichen. Welche alle ich mit wenig Worten verneine; dann nicht ich, sondern Geitz und Hochmuth haben es gethan. Im übrigen hat sich fürwahr die Religion wider das Gold nicht zu beschweren; sondern vielmehr gegen selbigem sich dankbar einzustellen. Dann wer hat den Tempel zu Jerusalem ausgezieret? wer den Bunds-Kasten überzogen? aus was für einer Materi war dann der vor dem Heiligthum stehende Leuchter [787] von sieben Amplen? aus wem die zwey grosse Cherubin, so den Gnaden-Thron hielten? Aus wem schier alle Opfer-Geschirr, Gold, Gold, aus purem Gold. Auch jetzt im neuen Testament lasse ich mich zum GOttes-Dienst brauchen. Gehe einer hinein in die Kirchen der Christen an vielen Orthen (aufs wenigst an denen, wo den Reichen nicht auch das Schaaf-Scheren lieber, als die Zierd des Altars ist) so wird er sehen, was an vornehmen Festen von Leuchteren, Bilderen, Mayen-Taflen, Kelchen, Monstrantzen, von Antipendien, Pluvialen, Meß-Gewändteren und anderem Kirchen Ornat, am meisten schimmert, Gold oder Silber seye.


Will nicht anregen, daß ich mich zu kleinen dünnen Blätlein werde schlagen lassen, nur damit man die Altär und Bildnussen der Heiligen fassen und vergulden könne. Ich geschweige so vieler 1000. Schläg, die ich von des Goldschmids Hammer empfangen werde. Ich gedencke nicht des feurigen Ofens und Schmeltz-Tiegels, darinn man mich zu mehrmahlen wird werffen, des langweiligen Feilens, Polirens und Ausbutzens, biß ich die rechte Form etwann eines Crucifix oder Kelches überkomme. Welches alles ich gern und gedultig, ohne eintzige Wiederspenstigkeit der Religion zu lieb, theils schon ausgestanden hab, theils noch inskünftig auszustehen bereit bin. Was hat man dann wider mich zu klagen? habe ich nicht meine Unschuld bis dato wider alle mir, und meinem Geschlecht zugemessene Unbild genugsam wiederlegt? doch alles dem Gerechten, freyen Urtheil Euer Majestät gäntzlich heimgestellt, dero Ausspruch ich in aller Unterthänigkeit erwarte.


Anjetzo wirst du lieber Leser wollen hören, wie dieser Ausspruch laute. Allein, weilen er uns eigentlich nicht bekannt ist, werden wir die Vernunft müssen zu Rath ziehen, welche uns muthmassen macht, das Gold seye ledig gesprochen, jedoch unter dieser Bedingnus, wann man selbiges zur Nothwendigkeit des Hausweesens anwende; das übrige aber unter die Arme austheile. Dann auf solche Weiß gibt der gerechteste Richter denen Tugenden nicht unrecht, weilen ihm wohl bewußt, daß ihre Klagen nicht so sehr wider das Gold, als dessen Mißbrauch gangen. Mit welchem Ausspruch dann beyde Partheyen wohl zufrieden seyn können, und werden die Tugenden auf ein neues des Schlusses seyn, forthin so viel ihnen möglich, beste Oösicht zu haben, damit dieses edle Metall den Geitzigen, den Dieben, Verrätheren, und anderen nichtswerthen Leuten nicht viel in die Händ komme, sondern zur Nothdurft, Kirchen-Zierd, und Beyhülf der Armen angewendet werde. Rauscher S.J. in Festivali 1. Conc. 2. de 3. SS. Regibus.


Bericht an den Catholischen Leser.

[788] Folgendes Examen, weilen es einer Fabel gleich ist, kan es den Vorhergehenden den Beschluß machen. Jedoch kommen darin viele Sachen vor, die zum Grund die pur lautere Wahrheit baben, was zur Verthädigung Catholischer Lehr eingemengt wird.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 778-789.
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