Das vierte Capitel.

Vollkommene Reu erstrecket sich auf eigene und alle Sünden.

[829] Camilla von Veranis.


Camilla, Fräulein Tochter Julii Cäsaris, Fürsten von Verano, aus dem Geschlecht der Cameriner, und Joannä Malaiesta, ergötzet sich von jungen Jahren in Ablesung der Trauer- und Martyr-Geschichten des Leydens Christi, doch zugleich dem eitlen Aufbutz ergeben; die Geschmuck und prächtige Kleyder-Trachten waren ihr Absehen und belieblicher Augen-Lust, die Gedancken vom Closter-Leben verdrießliche Mucken. Sie wollte GOtt lieben und die Welt nicht beleydigen, die Welt lieben und GOtt nicht beleydigen, die Andacht und Eitelkeit vergleichen.

Sie höret die Fasten-Predigen, welche P.F. Franciscus de Urbino gethan, eyfrig wie Elias, und nachdrucklich wie Johannes, seine Werck waren mehr Englisch als Menschlich, dahero hatten seine Wort Geist und Leben. Und wiewohlen in Haupt-Kirchen nicht gebräuchlich am Char-Sambstag einige Predig zu halten, haltete doch jetzt gedachter Pater eine Predig im Jahr 1458. dero Innhalt dieser war: daß Jener, welcher beichtet ohne Vorsatz alles das zu verlassen, was eine Gelegenheit gibt einiger Todsünd, nicht kan absolviert, noch gültig communicieret werden, dann es wäre ein verdammlicher Mißbrauch der Sacramenten. Die Predig rühret ihr das Gewissen, ihre vielleicht gar zu freche Trachten waren denen unbehutsamen Augen und Hertzen zum Anstoß und Fall: dieweilen sie solche nicht wollte lassen, wollte sie diese auch nie beichten; sie bemäntlete ihre Bosheit mit gemeiner Ausred, es ist der Brauch. Gleichwohl entschliesset sie heut noch auch dieses zu beichten für Ostern, und folgends morgiges Tags communicieren.


Hier beliebe es dem Leser ihre selbst eigene Erzählung zu vernehmen.


Am Char-Sambstag hab ich meinem Beichtvatter Fratri Oliverio gebeichtet von meinen gar zu eitlen hoffärtigen, wie dann auch frechen Kleyder-Trachten hab ich mich angeklagt, mit dem Zusatz, wiewohl ich vielmahl, so hab ich doch niemahlen dieses gebeichtet. Er aber beredet mich: mein Kind, Morgen erlaube ich ihr nicht, den zarten Fronleichnam unseres HErrn für Ostern zu geniessen, ernstlich und fleißig muß bevor das gantze Gewissen erforschet werden, in allem was sündlich geschehen, oder Gutes unterlassen worden, folgends komme sie die andere Wochen, und klage sich an mit zerknirschtem demüthigen Hertzen[830] in allen ihren Missethaten, welche durch ihren Lebens-Lauf geschehen, schamroth bin ich worden auf diese Ermahnung, mich kümmerte, daß ich am Oster-Sonntag, da jedermänniglich gespeiset wird, ungespeiset vom Tisch des HErrn abgehalten wurde. Acht Tag darnach hab ich in St. Peters-Kirch von gantzem meinem Leben gebeicht; F. Oliverius höret mich an, und speiset mich darauf mit dem Hochwürdigen Gut. Ich bekenne es mit vollkommener Reu und Leyd habe ich diese meine Beicht verrichtet; dann GOttes Gnad hat in mir gewürcket, daß ich durch die Fasten-Zeit immerzu hertzlich alle Sünden bereuet habe. Alsdann war ich wenig erleucht, ich hab nicht jedes kleines Verbrechen, wie nun, ausgewogen. Es begegnet mir die gewünschte Gelegenheit das erstemahl mit P. Francisco von Urbino geistreichen Prediger zu reden. Er fragte: ob ich wolte Geistlich werden, meine Antwort ware nein: dieses merckte ich, daß es seinen Geist hat betrübet, er sprach: nun ist sie gesund worden, hinführo sündige sie nimmer, sie wandle im Frieden.

Demnach hat GOtt der HErr an mein Hertz heftiger angeklopfet, nicht mehr von weiten, gantz nahend mit mir geredet. Ich verstopfte meine Ohren, wollte nichts hören, der Geist GOttes aber redet nicht äusserlich, sondern innerlich mit mir, und drohet mir: bin dann ich nicht derjenige, welchen deine Seel verlanget; gehe nur fort und weyde unter den Welt-Kindern, dein Ziel wirst du nicht erreichen. Es ringet ein andersmahl mit mir mein Fleisch, und mein Geist, ich wollte, und wolte doch nicht; in diesem Streit wurde mir also ängstig, daß ich durch und durch geschwitzet, da erscheinet mir der gewaltige Richter auf seinem Richterstuhl, welcher wider mich das Urtheil gefället. Die Freyheit meines Willens war mir nicht genommen, ungezwungen ergab ich mich. Alsobald entgienge mir alle Angst, und gleich einem geblumten Ruh-Bettlein zeiget sich in mir die Erwählung Geistlich zu werden.

Diese ist die Erzählung schriftlich von ihr selbsten verfasset, und ihrem geistlichen Vatter eingereichet.

Ihre vollkommene Reumüthigkeit beweget und begleitet sie zur aufrichtigen Beicht, und mit der zu sonderlichen göttlichen Gnaden, daß sie der Eitelkeit entgangen, und der Heiligkeit sich ergeben, fort und fort ihre und alle Sünden der Welt verworffen und verdammet hat. Merck allhier den Ausspruch des goldenen Munds: Impossibile est compuctionem cordis vigere in deliciis; contraria enim hæc sunt invicem, & peremptoria, illa enim Mater fletus, hæc Mater est risus, illa cor constringit, ista dissolvit. Joan. Chrysost. hom. in Matth. Unmöglich ist, daß das Hertz reumüthig in Freuden schwebe; ein streitiger Gegensatz ist, Freud und Leyd vereinbaren; die eytle Freud ist ein Mutter des Lachens, das büssende Leyd ist ein Mutter des Weinens. Aber seelig die, welche [831] weinen und Leyd tragen, dieweilen sie die göttliche Gnad verschwendet, GOtt beleydiget; ihr Leyd wird in Freud verändert werden.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 829-832.
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