Das fünfte Capitel.

Grosse Reumuth zweyer Frauen.

[832] Nach Christlicher Jahr-Zahl 1250. lebte Bertoldus aus den Mindern-Brüdern, ein Regenspurger, geistreich und streng in sich selbsten, auch in Predigen. Keine Kirch war groß genug das Volck zu fassen, welches von dem Wort GOttes, das aus seinem Mund geflossen, gezogen wurde; Sechzig Tausend Menschen höreten ihm zu, und vielen war seine Predig, gleich einem Morgen-Thau über das Gras, vielen ein blitzendes Donnerwetter, diesen GOttes Gericht und die ewige Verdammnus zu förchten, jenen ein Erquickung, GOtt und die Tugend zu lieben.

Einsmahlen prediget er wider das schändliche stinckende Laster der Unkeuschheit. Seine Wort durchdrungen wie goldene und feurige Pfeil, also daß ein Weib, welches in solchen Sünden gewesen, sich darüber bestürtzt, die grundlose Barmhertzigkeit GOttes innerlich angeruffen, in schmertzlicher Reumuth ihrer Sünden unter dem Volck gähling niedergefallen und gestorben. Der Fall beweget den Prediger und das Volck für die jetzt gleich Verstorbne GOtt zu bitten. Nach vollendetem Gebett wird die Todte wiederum lebendig, bekennet, daß sie mit Unkeuschheit ihren Leib und Seel beflecket, wider GOtt schwehrlich gesündiget habe; dann die Predig entzündete in ihrem Hertzen solche Reu und Leyd, daß sie vor Schmertzen wahrhaftig gestorben, dieser eintzige Gedancken, du hast GOtt das höchste Gut beleydiget, hat mir mein Hertz abgestossen, sprach sie. Mein Leib war todt, meine Seel aber ward hingebracht zum Richterstuhl GOttes, dannoch wegen der inniglichen Reu und Leyd ist mir der strenge Richter gnädig worden, daß ich wiederum zum Leben kommen, und beichten konnte. Dannenhero, wann sie zuvor aus Reu, so ist sie jetzt vielmehr zerknirscht gewesen in der Beicht, welche sie verrichtet, Gnad und Glory erlanget. Henricus Spondanus anno Eccl. ad annum 1250. item Antonius.

Cantacuzenus l. 3. c. 27. erzählet von einer anderen verehlichten Frauen, welche bey ihrem Ehemann in Verdacht gekommen. Der Spur forschet er nach, als ein Jäger dem Wild, befand etwas, doch nicht alles; entgegen rechtfertiget sie sich mit Lugen und Schwören, es blickte doch etwas unverschamtes aus ihrem Angesicht. Dann, Heu! quam difficile est crimen non prodere vultu! Ovid. in Metam. de Calisto. Ach! wie hart läßt sich die verübte Bosheit [832] verbergen: so du Böses thust, wird dann nicht alsobald die Sünd zugegen in der Thür seyn? spricht der HErr Gen. 4. v. 7. Der Mann drohet seinem Weib Feur, und Brand zu erfahren, das was der Argwohn vorwendt, wird sie in Berührung des Feurs wie ein Salamandra unverletzt bleiben, so werd ich sie wie Kayser Heinrich seine Kunegund ehren; geschiehet es aber, daß sie sich verbrennet, so jag ich sie dahin, wo sie ewig brinnet. Diese Droh-Wort giengen aus dem Mund eines solchen Manns, welcher die ehliche Treu mehr liebt als sein, und seiner Ehefrau Leben. Laut jenes Salomonischen Sprüchworts, der Eyfer, und Grimm des Manns wird am Tag der Rach nicht schonen: er wird sich auch von niemand erbitten lassen, noch sehr viel Gaaben zur Erlösung annehmen. Prov. 6. v. 34. Ein bittere Reu, die im Gemüth dieser Frauen aufwallet, gibt ihr den besten Rath, GOtt um Gnad, und Barmhertzigkeit zu bitten: dahero eylet sie zum Bischof, sie fallet ihm zu Füssen, beichtet reumüthig den Ehebruch samt allen ihren Sünden: erkläret und klaget ihr Noth, was massen ihr Ehemann mit glimmenden Feur ihr gedrohet, er wolle erfahren ihr Schuld, oder Unschuld. Der Bischof war ein Gewalt-habender, doch nicht heiliger Beicht-Vatter, nichts destoweniger war sein Rath heilig, sein Loßbündung kräftig, und sein Trost wunderbarlich.

Nach verrichter Beicht, als die Frau nach Haus kommen, begegnet ihr der Mann entzündet von Grimm der Eyfersucht, nöthiget sie ein glüend entzündetes Eysen, zu Bewährung ihrer Unschuld anzugreiffen: bezwungen ergreift sie solches, und siehe Wunder, ohne alle Verletzung. Darauf erlöschet aller Grimm, und Argwohn dieses Manns, er umfanget, und liebet sie folgends als den Schatz seines Hauses, und die Freud seines Lebens. Spondanus ad annum 1341. O GOtt! wie wunderbarlich machst du auch die Schuldigen in Kraft der Sacramentalischen Beicht unschuldig.

Diese zwey Geschichten beweisen die vollkommene, und unvollkommene Bereuung der Sünden. Die vollkommene errettet jenes Weib von ewiger, die unvollkommene aber diese Frau von zeitlicher Straf. Die vollkommene hat vor, die unvollkommene mit der Sacramentalischen Beicht sehr gewaltige Wirckung. Tröstet euch alle büssende Sünder in jenen Worten des HErrn, welche er durch seinen Propheten verzeichnet hat. Ich bins, ja ich bins selbst, der ich deine Ubertrettung austilge um meinetwillen, und will an deine Sünd nicht mehr gedencken. Isaiæ 43. v. 25.

Mit allen diesen war nothwendig, daß die Frau sich zeigte dem Priester, und ihm anzeigte alle grosse Sünd: die andere aber müßte sich vor dem Bischof in der Beicht zu Schanden [833] machen, damit sie nicht vor ihrem Ehemann zu Schanden stunde. Und dieweilen dieser ein nicht zuläßliches, sondern verbottenes Mittel zur Prüffung ergriffen, also ist es nicht seiner Klug- oder Künheit, sondern der Frauen ihrer Bußfertigkeit gelungen. Zur Beicht- und Büssenden spricht der HErr, ich hab mein Kleid ausgebreitet, und deine Schand bedeckt. Ezech. 15. v. 8. Ach! wie seelig seynd die, denen ihre Missethaten erlassen, und deren ihre Sünd bedecket. Psal. 31. v. 1.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 832-834.
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