Das fünfte Capitel.

Kirchen-Raub wird der Kirchen zugestellt.

[846] Ragnerus Hertzog in Lothringen Anno 913.


Demnach Ragnerus wider alles Recht die Kirchen Güter angegriffen, ausgeraubt, an sich gezogen: GOtt gleichsam beneydet um das, was geopfert, der Kirchen gewidmet worden: ungeacht der Göttlichen Straffen, welche jene Hand aufschreibt, die des Babylonischen Königs Baltasar Mißbrauch der Kirchen-Geschirr aufgschrieben: ein zimliche Zeit in Ungerechtigkeiten versessen: ist er durch öftere Ermahnung eines geistreichen Seelsorgers, forderist durch die Langmüthigkeit GOttes beweget, den heylsamen Vorsatz eingangen, sich des vielfältigen Kirchen-Raubs zu entscheiden, GOtt und der Kirchen die benommene Haabschaften zuzustellen, offentlich durch ein besiglete Schrift, und heimlich durch ein Sacramentalische Beicht göttliche Gnad zu suchen, und zu finden.

Nach gepflegten vielfältigen Rath mit Einwilligung Ihro Heiligkeit Pabsten Johannes des Zehenden hat er zur Abstattung seiner verübten Ungerechtigkeiten folgende Stiftungen, Kraft eines offenen Briefs mit aller Fertigung gemacht.


Urkund dessen ist allen Gegenwärtigen und Zukünftigen zuwissen: daß ich Kirchen-Rauber Ragnerus, Herr des Ober-Lothringen, und untern Mosel-Strohms, Ardnams, Haßbanien, Buillon, Elsaß, der Metter, und Verduner unwürdiger Fürst, und Hertzog, Kraft dieses meines gegenwärtigen Briefs: aus Lieb des bittern Leydens unsers HErrn JEsu Christi, mit dessen Blut ich erlöset worden, und der seeligen Jungfrau Mariä seiner Mutter, zu Ehren der HH. Apostel Peter, und Paul, und des glorwürdigen Apostel Matthiä, wie dann auch der HH. Bischof und Beichtiger Eucharii, Valerii, und Materni: freywillig, aufrichtig, ohne Gefährde mit grosser Reu, und Zerknirschung meines Hertzens, das was ich mit Unrecht an mich gezogen, stelle ich zu, und gib dem Ehrwürdigen Vatter, und Abbten, auch den geistlichen Brüdern des Closters Eucharii, welches nun das Closter St. Mathiä genennt wird, ausser Trier an der Mosel gelegen, die Herrschaft Petersdorf mit allen zugehörigen Orten und Mayrschaften: und die Renthen von Coursan, jenseits der Mosel. Hoffentlich werden sie, dieweilen sie bey Tag und Nacht [847] vor dem Angesicht des HErn stehen, ihme stäts aufopferen, das Opfer des Lobs für mich grösten Sünder die Barmhertzigkeit GOttes zu erbitten, etc.

Damit aber dieser, mein bis in Tod bestättigter Will kräftig gehalten werde, hab ich diesen in Beyweesenheit meiner annoch lebenden HErren Söhn, und meiner getreuen Land-Ständ selbst unteschrieben, und mit meinem eingedruckten anhängenden Wappen fertigen lassen. In Trier den 9. May, im Jahr 913. Ex Baronio Annal. Eccl. ex monumentis Trevirensis Eccl.


Bey diesem Exempel ist zu mercken, daß es nicht genug, das ungerechte Gut nach dem Tod zustellen, oder aber auf weitere Zeit verschieben, oder mit wenigem viel Unbillichkeit ersetzen wollen. Dieser Hertzog Ragnerus hat abgemessen sein Unrecht, mit der Maß der gerechten Zustellung, viel besser als Heinrich König in Engelland der Achte dieses Namens, welcher die Plünderung etlich hundert, ja tausend Kirchen ersetzen wollen mit Zustellung einer zu Londen. Ich förchte, ich förchte, spricht Sanderus im Jahr 1546. drey Wochen vor dem Tod Luthers:


Unus mille decem templorum sustulit annus,

Quam timeo in Pœnam, vix fatis unus erit.


Ein Rebhun setzt sich über die Eyer, die es nicht gelegt hat, also der Reichthum mit Unrecht zusammen bringt, der wird sie verlassen müssen mitten in seinen Tägen. Jerom. 17. v. 11. De male quæsitis non gaudet tertius hæres. Ungerechtes Gut thut kein gut, es erspriesset nicht auf den dritten Sprossen. Wilst du deinen Kindern Reichthum überlassen? so besitze gerechte: diese erspriessen aus guter Wurtzel. Joan. Chrysost. in Ep. S. Paul. ad Ephes.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 846-848.
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