Das sechste Capitel.

Der Vorsatz soll auch das ererbte ungerechte Gut ersetzen.

[848] Ein Sohn eines Wucherer.


Guilielmus Paraldus von der Wucherey, erzählet von einem reichen Vatter zweyer Söhn: welcher in letzter Kranckheit vom Seel-Sorger wegen des Wuchers, den er getrieben, vermahnet, daß er, indem es noch Zeit ist, sich des ungerechten Guts entscheiden solle: thut er dieses nicht, so kan er weder von Sünden losgesprochen, weder seelig werden. Die zwey erwachsene Söhn bitten gleichermassen ihren HErrn [848] Vattern. Er aber widerredet er mit diesen Worten: meine Kinder, das kan ich nicht thun, soll ich dann auf den Bettelstab, ihr aber ins Spittal kommen? die gute Söhn sprachen, unsertwegen sorg sich der Herr Vatter mit nichten: schweiget, sprach er: ich vertraue mehr auf GOttes Barmhertzigkeit, als auf zerbrechliche Menschen-Hülf, sein Gütigkeit ist unermeßlich.

Schöne Wort wie klares Gold, doch schwerer als Bley. Der Ausspruch S. Augustini Epist. 54. ad Macedonium, item Jus Canonicum c. 1. causa 14. quæst. 6. kan dannoch nicht verkehrt werden: es bleibt darbey; non dimittitur peccatum, nisi restituatur ablatum. Ungerechtes Gut muß zugestellet, sonsten kan die Sünd nicht vergeben werden. Wer sich bemühet um flüchtig Geld, muß ohne Geld zur Erden; er sammlet fleißig, doch für andere ein, und stirbt allein.

Der Vatter verharret, und stirbt in seiner Meynung, niemand mehr untreu, als ihme selbsten. Groß war das Erbtheil, aber grösser das Bedencken solches anzunehmen. Ein Bruder beredet den andern: mein Bruder, wir wollen nicht theilhaftig werden, und Erben seyn der Ungerechtigkeit unsers Vatters: ungerechtes Gut ist süß, aber bringt den Tod. Dieses brüderliche aufrichtige Zusprechen verwirft der andere Bruder mit diesem Vorwand: hat der Vatter gewuchert, ist die Sünd sein, mein ist das Erbtheil; ich muß meine Lebens-Mittlen haben, das Künftige gibt die Zeit. Der andere Bruder ingedenck der guten Ermahnung, welche der Seel-Sorger im Tod-Beth seinem Vattern gegeben, nahm zwar sein Erbtheil, aber gab es aus Lieb der Gerechtigkeit auf gehörige Ort zu Abstattung des Wuchers, den Uberfluß vertheilet er unter die nothleydende Arme: wird also arm, und geistliche vergwist des Himmelreichs, dann, seelig seynd die Armen im Geist, dann ihr ist das Reich der Himmlen.

Wie alle Sachen ein kurtze Zeit gewähren, also gewähret nicht lang das Leben des weltlichen Bruders, er stirbt, und fahret unglückseelig seinem Vatter nach. Der geistliche Bruder wurde berichtet wegen des Todfalls, bedauret den zeitlichen, aber besorget vielmehr den ewigen Tod des Brudern. Er nahm ihm vor, und verharret in Casteyung, und vielfältigen Gebett. Einsmahls in seiner Andacht begriffen, eröffnet sich gähling ein erschröcklicher Abgrund, hierin ersihet er in quälender Peyn seinen verstorbenen Vatter und Bruder, die höret er unaufhörlich gegeneinander streitten, und ruffen: seye verflucht, deinetwegen bin ich verdammet, dir hab ich zeitliches Gut, mir hab ich ewige Peyn gesammlet. Im Gegenwurf mit Zetter-Geschrey schrye der Sohn, du seye verflucht, deinetwegen bin ich verdammet, dein ungerechtes Gut hab ich gebraucht, und mißbrauchet [849] zu sündigen, das hat mich in diese immerwährende Noth gebracht. Ach! wie jämmerlich ware dieses erschröckliche Fluch-Gefecht zu sehen und zu hören; hundert tausendmahl widerwärtiger, als wann zwey in ihrem Gift entzündete Nattern widereinander streiten. Der Fromme konnte nimmer helffen diesen, welche das unwiderrufliche Urtheil mit so gerechter Hand getroffen, die Gerechtigkeit GOttes bettet er an, und dancket GOtt, daß er dem gefährlichen Mammon der Ungerechtigkeit entgangen; er psalliret in seinem guten Vorsatz, Die Mäschen ist zertretten, und ich bin errettet worden. Dann laqueos posuit in divitiis: der uns die Fallstrick geleget hat in Reichthum, der soll uns das verbleibende ewige Erbtheil nicht verhinderen. S. Aug. Solil. c. 16.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 848-850.
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