Das erste Capitel.

Beschaffenheit eines guten Beichtvatters.

[853] D. Johannes Nepomucenus.


Ein Vätterliche und Mütterliche Lieb und Treu wird erforderet gegen den Kindern, forderist gegen den Beicht-Kindern. Vatter und Mutter lassen zwar ihnen mit nichten das Maul sperren, gleichwie es der Beichtvatter schuldig ist zu thun, indem er geordnet ist, und annimmt ein Beichtvatter zu seyn, so verbindt er sich mit einer unzerbrechlichen Verschwiegenheit, weniger dasjenige zu wissen, was er in der Beicht gehört, als was er nicht weiß. Wie solches aus folgender Geschicht zu erkennen.

Der seelige Johannes, aus dem Marckfleck Nepomuck in Christlicher Jahr-Zahl 1340. gebürtig, wohl ein guter Hirt, ein Richtschnur aller Beichtvätter, gleich einer Henn, welche ihre Junge, also versammlete er seine Beicht-Kinder, seine Flügel waren sein ausgebreitete Lieb, und seine heilige Lehr.

Kayserin Johanna, Albrechts, Hertzogs in Bayern, zugleich Grafens in Holland Tochter, Kaysers Wentzel Lobwürdigste Ehe-Gemahlin, demnach sie alle Tugend eines guten Beichtvatters gefunden in diesem, war sie ihme zur Reinigkeit des Gewissens, und zur Versicherung der Seeligkeit offenhertzig vertrauet; sie beichtet ihre innerste Gedancken und Anmuthungen, wiewohlen ihre Sünden nur läßliche, keine Todtsünden waren, so ware doch ihr Reumuth voller Zäher, und ihre Unschuld gleich der Morgenröth.

In Ansehung so zarter Andacht fraget der Römische Kayser Wenceslaus Piger benamset, Johannam die Kayserin, was bedeuten Euer Lieb denn ihre vielfältige Seuftzer und Thränen, die Seuftzer seynd Verräther einer verborgenen Lieb, die Thränen seynd Zeugen eines betrübten unvergnügten Hertzens. Sie antwortet, allergnädigster Kayser, Euer Majestät fassen keinen argen Gedancken, die Lieb meiner Schuldigkeit ist GOtt im Himmel, auf Erden die Lieb meiner Ehr und Ehe. Dieweilen diese Antwort ihne nicht vergnüget, sucht er Gelegenheit aus dem Beichtvatter zu forschen, was doch die Kayserin beichtet mit diesem Vorwand, zu Erhaltung einer guten Ehr seye forderist in Fürst- und Königlichen Häusern nothwendig, daß die Geheimnus des Hertzens dem Haupt unverborgen seyn sollen. Entweder ist ein Eyfersucht, die sie verwendet oder aber eine fremde Lieb, welche sie anreitzet, vielleicht will sie ihre unziemliche Begierden mit ihrer Andacht vergleißnen, diese Fragen beantwortet Johannes sprechend: Euer Majestät [854] wollen das Schloß des grösten Geheimnuß, welches die ewige Weisheit verschliesset, eröfnen, vom Beichtvatter wissen, was die Kayserin gebeichtet, kein goldener, auch kein eisener Schlüssel kayserliches Gewalts wird solches vermögen. Der Kayserin scheinbare Tugend erfreuet das böhmische und römische Reich. Aber mit dem wurde der Fürwitz, und das freventliche Urtheil des Kaysers nicht hintertrieben. Die Wunden des Fürwitz wurde mit viel Kratzen grösser: und das gallsüchtige Aug des freventlichen Urtheils sahe die schöne Lilien, und Rosen an, wie verwelckende Blumen. Ein andersmahl wolte der Kayser mit Versprechung oder Drohung vom Beichtvatter wissen, was die Kayserin gebeichtet: Der Fürwitz bringt Erfahrnuß, und der Argwohn kommt auf den Grund, sprach er: Johannes entgegen, der Fürwitz ist verdammlich, nach St. Zenonis Ausspruch, curiositas rerum efficit non peritum, machet nicht erfahren, sondern strafmässig: wolte, und konte weiter nichts reden. Darauf befahl der Kayser dem Scharfrichter (welchen er sein Gevattern zu nennen pflegte) zu beruffen, Johannem an die Roß-Rahm zu spannen, den oberen Leib entblössen, und brennen: diese Marter brachte heraus die Fette des Leibs, kein Geheimnuß des Hertzens, JESUS und MARIA, kein anders Wort wurde von ihme erzwungen: Das beichtvätterliche Stillschweigen wurde mit Gedult bewähret, die kayserliche Boßheit mehr, und mehr erhitzet: dahero er ihne auf eine bestimmte Zeit, bey abendlicher Dunckle mit Stricken gebunden, von der Prager-Brucken in die Moldau stürtzen, und versencken lassen. Das geschahe den Abend vor dem Auffahrts-Tag unseres HErr im Jahr 1383. Der Kayser wolte zwar dem heiligen Beicht-Vatter im Wasser sein Mordthat in die Vergessenheit begraben, aber konte solches mit nichten zuwegen bringen, das unschuldige Blut schrye gen Himmel: der Himmel aber, der Johannis reine Seel über alle Stern erhoben, hat seinen Leib im Wasser wunderlich verehret. Die Moldau ware ergossen, und helleuchtende Flammen, wie Stern schwebeten ob dem Wasser, zum schönsten begleitend den entseelten Leib.

Das pragerische Volck sahe solches Wunder, unwissend, was sich mit der Kayserin Beichtvatter zugetragen: die Kayserin selbsten nahme den Augenschein vom Kön. Schloß hinab sehend, berichtet auch in der Eil dem Kayser, wie wunderlich die Moldau mit Sternen erleuchtet. Der Kayser erkennet gleich, daß eben dies sein Unstern seye, erschröckt darob und hielt sich drey Tage etwas verborgen.


Bey anbrechendem Tag fande man den heiligen Leib am Ufer auf dem Sand. Alsobald wird bekannt, was geschehen, und was die ob dem Wasser schwebende Flammen bedeutet haben. Der Kayser verordnet den Leib unbekannt in ein verschwigenes Ort zu verscharren, aber ein lieblicher Geruch, [855] welchen man gespühret, ließ solches nicht zu, dieweilen durch solchen viel Volck gezogen worden, daß die Dom-Herren mit gewöhnlichem Kirchen-Gepräng ihne erhoben, auf den Schloßberg Ratschin in der Haupt-Kirchen begraben müssen. Das Ort der Begräbnuß entdecket einen köstlichen Schatz, der kommt ans Tagliecht, indem der heilige Leib unter die Erden kommen. Bohuslaus Balbinus S.J. ex munusc. & impressis.

Der einen solchen Beichtvatter, hat wahrhaftig einen köstlichen Schatz gefunden, welcher köstlicher ist als Gold, und Edelgestein.


Confessor dulcis, affabilis, atque suavis.

Prudens, discretus, miris, pius, atque benignus.


Der Beichtvatter sey kein saurer Cato, kein erschröcklicher Rhadamant: sondern 1. Liebreich. 2. Leutselig. 3. Annehmlich. 4. Verständig. 5. Bescheiden. 6. Sanftmüthig. 7. Andächtig. 8. Gütig. Beynebens auch 9. Gedultig. 10. Mitleidig. 11. Barmhertzig. 12. Verschwiegen. Das war das köstlichste Brust-Stuck der zwölf Edelgestein, Rationale genannt, welches diesen heiligen Johannem Nepomucenum gezieret, und alle Beichtvätter werth, und ehrwürdig machen, und zieren soll.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 853-856.
Lizenz:
Kategorien: