Das vierte Capitel.

Ein Jungfrau beichtet dem seligen Heinrich Suso.

[858] Dem allwissenden GOtt, und dem verordneten Priester muß man beichten. Theresia erzählet in ihrem von ihr beschriebenen Leben cap. 40. Was ihr GOtt einsmahls in einer Erscheinung gewiesen: Er erscheinet ihr kugelrund gantz durchsichtig, wie ein klarer Diamant, welcher grösser war dann der Umkreiß der gantzen Welt: in diesem war alles zu sehen, was von Menschen offentlich, oder heimlich geschiehet. Und wer ist es, welcher diesem allwissenden GOtt nicht beichten wolte? Freylich wohl, spricht mancher mit dem büssenden David: Ich werde wider mich bekennen meine Missethaten dem HErrn, aber keinem andern, GOtt allein bin ich willkürig zu beichten, hat doch St. Anscharius GOtt gebeichtet. Dieser Bischof zu Hamburg sahe einmahls Christum den eingemenschten GOtt, welcher von ihm erforderet die Beicht seiner Sünden: Sage an deine Missethaten, damit du gerechtfertiget werdest, beredet et ihne: Mein HErr, antwortet Anscharius, du erkennest alles, und nichts ist dir verborgen, warum erforderst dannoch meine Beicht? Der HErr giebt die Ursach, damit die Menschen durch die Beicht ge rechtfertiget werden. Anscharius beichtet derowegen alle seine Sünd, ausführlich nach allen Unterschied, und Anzahl: und höret alsobald die tröstliche Stimm des HErrn: förchte dir nicht, ich bin der die Sünd austilget. Boland. 3. Febr. tom. 1. Auf diese Weis möchten nicht wenig GOtt allein, oder einem Heil. Engel, oder anderen Heiligen im Himmel, aber keinem andern Priester beichten.

Ein edle Jungfrau eben dieser Meinung, wolte Johanni dem geliebten Jünger des HErrn beichten. Im Schloß wo sie wohnhaft gewesen, war ihr mehrmahliges Betten und Bitten, O heiliger Johannes hilf mir aus meinen Sünden! Johannes der ewigen [858] Weisheit wohl bestelter Cantzler, wohl wissend, was unveränderlich geordnet ist, erscheinet ihr, leitet sie ab von ihrem Wunsch, und führet sie ein, einem Priester Dominicaner-Ordens mit Namen Heinrich Suso generaliter zu beichten. Dieser wurd ihr in einer Erscheinung gewisen, sitzend unter einer Dorn-Stauden, welche bewafnet war mit viel Dorn, und geziert mit viel Rosen; der mit frisch und fröhlichen Rosen gecrönte Bräutigam, JEsus stunde in Mitten des Busches, ein holdseliges Knäblein schön über alle Menschen Kinder, dessen Lust war Rosen abbrechen, und mit diesen den frommen Beichtvatter erfreuen: Eine um die andere warf er ihm zu, bis er unten und oben sich endlich unter lauter Rosen gefunden. Nun wohlan, gehe hin beichte diesem Beichtvatter, seynd dir deine Sünd stechende Dorn, so wisse dein Beicht wird dir bringen fröhliche Rosen, zeige dich dem Priester. Diese edle Jungfrau Anna genannt, laßt ihr diese Anleitung ihres heiligen Johannes gefallen, verfügt sich zum Closter, beruft P. Heinrich Suso, fallet ihm zu Füssen, beichtet offenhertzig alle ihre Sünd, wird loßgesprochen, und erkennet darauf, wie ihr gereinigtes Gewissen ihr zu einem Rosen-Bethlein tröstlicher Freuden worden. Ex vita P. Henr. Susonis. Ulmæ 1365. 25. Jan.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 858-859.
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