Das vierte Capitel.

Der Urheber dieser Verschweigung in der Beicht ist mehrmahlen der böse Feind.

[901] Johannes von goldenen Mund, Chrysostomus genannt, redet weislich in der dritten Red-Verfassung von der Buß, Pudorem & verecundiam dedit Deus peccato, confessioni fiduciam: invertit rem Diabolus, & peccato fiduciam præbet, Confessioni pudorem & verecundiam. GOtt hat die Sünd mit Purpur-Farb bekleydet, das ist, mit der Schamhaftigkeit, damit wir also uns zu sündigen schämten: die Beicht und Bußfertigkeit aber, hat GOtt mit grüner Farb, als nemlich mit guter Hofnung bekleydet, damit der Mensch in Kraft dieser Hofnung hertzhaft wurde, seine Sünd rechtschaffen zu beichten der arglistige schleichende Teufel verwechslet die Farben: er bekleydet die Sünd gründlich, mit frischer Hofnung in die Gütigkeit GOttes, damit die Sünd vollzogen; entgegen bekleydet er die Beicht mit rother Farb der Schamhaftigkeit, damit die begangene Sünd verdecket, und nicht gebeichtet werde.

Der Heilige Antonius erzählet, was massen dieses von GOtt einem geistlich- und Heil. Vorsteher geoffenbaret worden: welcher, da er ein Frau Beicht gehöret, welche in der Beicht ein böse, doch beliebte Empfindlichkeit aus Schamhaftigkeit verschwiegen: da sahe er auf ihrer Seiten einen Teufel, den er gefragt, was machest du allhie? er antwortet, ich verrichte ein göttliches Gebott: wie da? fragt noch weiter der Heil. Mann, wie bist du ein fromm und H. Teufel worden? was ist das für ein göttliches Gebott, welches du hattest? der Teufel gibt abermahlen die [901] Antwort, ich stelle zu dieser Frauen, was ich ihr genommen, ich hab ihr genommen die Schamhaftigkeit, daß sie unverschamt gesündiget, nun stelle ich ihrs wiederum zu, daß sie die begangene Sünd aus Schamhaftigkeit nicht beichte.


Das ist, die boshaftige Art des reissenden Wolfs, ein Schäflein bey der Gurgel zu ergreiffen, und heftig zu fassen, auf daß es nicht schreye und plärre, und also errettet werde. Was für ein guter Rath ist darwider; schreyen, dann das Geschrey machet den Wolf zaghaftig: den Mund und die Aussprach will der böse Feind verhalten, und es bedarf grossen Gewalt, diesen zu eröfnen, die Sünd auszusprechen, erravi sicut ovis, quæ periit, mit dem büssenden David spreche der in Gefahr stehende Sünder, ich hab geirret, gleich einem verlohrnen Schaaf. Durch ein offenhertzige Bekanntnuß der Sünd, wird die Schamhaftigkeit überwunden. Beichte redlich deine Sünden die Schamhaftigkeit zu überwinden. Thust du dieses nicht, so habe Sorg, GOtt möcht zulassen, daß kein annemliche Zeit dir zu finden wäre, ein gute Beicht zu verrichten, indeme die Täg und Stunden der Gnaden-Zeit entfliehen. Ein gewisse Weibs-Person, welche bis in die Tods-Gefahr ihr Beicht verschoben, hat dieses mit unersetzlichen Schaden erfahren. Es erzählet solches Pater Ignatius Blanck, ein eyfriger Seel-Sorger. Die eytle Nacht war in mittlern Lauf, da ware dieser Pater zu einer krancken Frauen beruffen, er gieng eylends dahin, sie zu besuchen, und befand sie in grosser Gefahr des Tods: nach Gestalt seines Eyfers feyret er nicht, sondern beredet sie dermassen: Frau gar bald werdet ihr sterben, gar bald werdet ihr in die Ewigkeit abreisen müssen: es quälet aber mein Seel ein innerliche Forcht, indeme mich bedunckt, ihr möcht etwann vor Zeiten ein oder mehr schwäre Sünden verschwigen haben in euren Beichten, wann ihr solche nicht beichtet, so ist es mit euch verhauset, ohne Vermittlung werdet ihr ewiglich verdammet: die Krancke antwortet, es ist daran, daß ich so bald sterbe, mein Pater, ich bekenne die Wahrheit, durch viel verflossene Jahr habe ich alle meine Beichten übel verrichtet, ein Todsünd habe ich aus Schamhaftigkeit verschwigen: nachdeme sie dieses geredet, gleich darauf ziehet sie die Zungen tief in Gurgel, es entfallet ihr die Red, von dem Tod wird sie ergriffen, und übereylet. Prudentes ægri medicos non verentur in occultis quidem corporis partibus, spricht St. Patianus, die verborgene und geheime Leibs-Schäden, wird ein vernünftiger Krancker dem Artzten offenbaren, und dieses zu thun kein Abscheuen nehmen, deine Sünd bey einem allein zu entdecken, wohl wissend, daß dessen Mund versieglet und gesperret daß er keiner lebendigen Seel, etwas von deinen Sünden, auch dir selbsten nicht, ohne deine Bewilligung kan offenbahren.

[902] Nun du mein geliebte Schwester, die du etwann ein geheime Sünd aus Schamhaftigkeit verschweigest, bekenne mir es redlich, und berede dich selbsten, was woltest du lieber? dem Beicht-Vatter, in höchster Geheim deine begangene Sünden beichten, oder zulassen, daß diese im Schall der Trompeten, auf einem Volck-reichen Platz ausgeruffen wurden? erwähle eines aus beyden, nach deinem Belieben, und sey versichert, daß Christus der HErr mit allen Sündern diesen unveränderlichen Pact gemacht: oder aber sollen sie ihre Sünd wie schändlich und geheim sie immer seynd dem Beicht-Vatter bekennen und beichten, damit er diese urtheile, und sie von diesen loßspreche, und entbinde; oder aber er wird dieselbe am jüngsten Tag im Schall der Posaunen offenbahren, und sie kundbar machen vor allen Völckern zu dero grösten Spott und Schand, da sie den Berg und Felsen ruffen werden, fallet doch über uns, und bedecket uns: und wird also erfüllet werden die Weissagung des Propheten Nahum, welcher in seinem dritten Capitel also spricht, Revelabo pudenda tua in facie tua, & ostendam in gentibus nuditatem tuam. Ich, spricht GOtt der HErr, werde am freyem Platz deme schamhafte bemänlete Sünden entdecken. O! wie ein grosse Schand wird es dir seyn, wann du dich zu schanden gemacht wirst ansehen? in jenem grossen Schau-Platz der gantzen Welt, vor dem Angesicht des strengen göttlichen Gerichts, in dem Thal Josaphat, umgeben und bekleydet mit höllischem Feur, aus Ursach, weilen du jene Todsünd hast verschwiegen. Ach höre an die Schamhaftigkeit, welche dir mit dem Ausspruch des gelehrten Tertulliani also zuspricht: pro te mihi melius est perire, mache dein Schamhaftigkeit zu schanden, wann du beichtest: dann tausend und tausendmahl ist es besser, im Angesicht schamroth, als im Gewissen gedruckt werden.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 901-903.
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