Das zwölfte Capitel.

Eine Frau wird verdammet wegen eines bewilligten unehrbahren Gedancken, den sie nicht gebeicht.

[926] Viele werden zwar verdammet, aus Ursach der würcklich begangenen und nicht gebeichten Sünden, viele auch werden verdammet aus Ursachen der nicht zwar würcklich begangenen, aber in Gedancken verwilligten Sünden, welche sie nicht gebeicht haben. Dieses zu bekräftigen führet ein eine denckwürdige Geschicht Joannes Rausinus in seinem Buch Itinerarium paradisi genannt, die Weg-Begleitung zum Himmelreich in seinen geistlichen Ermahnungen von der Buß.

Es ware eine Frau, also sittlich und tugendlich in ihren scheinbar guten Wercken, daß der Bischof selbiger Stadt sie als eine heiligt Frau geschätzet. Einsmahls hat es sich zugetragen, daß sie ihre Augen auf einen aus ihren Bedienten geworffen, und gar bald liesse sie ihr Gemüth von einem unehrbahren Gedancken einnehmen, darein sie auch bey ihr selbsten verwilliget. Aber gleichwie dieses ihr Verlangen nie nicht in das Werck gestellet, ist es auch nie nicht von ihr gebeichtet worden, in Meynung, ein solcher Gedancken seye nicht zu achten, wiewohlen ihr mehrmahlen das Gewissen gedrucket, und dieses als ein nagender Wurm beunruhiget, voraus in der letzten zustehenden Kranckheit, in welcher sie gestorben. Die Schamhaftigkeit drunge allezeit vor, daß sie [926] diese Sünd niemahlen in der Beicht geoffenbahret.

Ihr Beichtvatter der Bischof, nachdeme sie verschieden, gabe den Befehl, ihren Leichnam in seiner eignen Bischöflichen Capellen zu begraben, weilen er von ihr alles heiliges und unschuldiges geglaubet. Den nachfolgenden Tag stunde der Bischof früh vor anderen auf, begabe sich in seine Capellen, und sihe, die Verstorbne begegnet ihm in Gestalt eines grossen Feurs, gleich einem feurigen Ofen. Er lasset sich doch nicht abhalten, sondern er gehet fort in die Capellen, und ersihet auf der Todten-Bahr der gestrigen Tags begrabnen Frauen einen Cörper ausgedehnet, darunter ein starckes Feur herfür geschlagen. Es verwundert sich der Bischof über dieses Gesicht, und erkennet, daß eben diß der Leib seye seiner Beicht-Tochter, jener Frauen, welche selbiges Orts begraben worden. Damit er aber dessen besser verständiget wurde, hat er sie im heiligen Namen JEsu Christi, und in dem gebenedeyten Namen Mariä beschworen, sie wolle es doch aussagen, wer sie seye, und warum sie so erschröckliche Peyn leyde? sie beantwortet diese Beschwörung und diese Frag sprechend: Ich bin deine gewesene Beicht-Tochter, wegen eines unzüchtigen Gedanckens, in welchen ich verwilliget, und niemahlen gebeichtet, bin ich ewig zum höllischen Feur verdammet.

Hier geduncket mich höchst nothwendig zu seyn, jedermänniglich zu berichten, wie leichtlich es kan gesündiget werden in böser Begierd, und in innerlicher Bewilligung mit einem Gedancken, forderist in unzüchtigen Einbildungen. Dieses wird mit der nutzlichen Lehr des H. Gregorii des Pabsten sehr gut erkläret. Dieser H. Kirchen-Lehrer beweiset drey Staffel in boßhafter Begierlichkeit. Der erste wird genennt Suggestio, die Anfechtung, der andere Delectatio, die Belustigung, der dritte Consensus, die Bewilligung, wann uns in unsern Gedancken etwas unzüchtiges einfallet mit einer gähen Begierd, wann aber dieser Anfechtung unverzüglich alsobald widerstanden wird, ohne freywillige Belustigung, alsdann sündiget der Mensch nicht allein nicht, sondern sein Widerstand ist bey GOtt verdienstlich. Aber wann die Anfechtung hinein schleicht bis zu einer empfindlichen Belustigung, wiewohl das Gemüth nicht mit völliger Bedachtsamkeit, noch mit gäntzlicher Bewilligung dahin gehet, alsdann ist es nicht gar ohne Sünd. Wann es aber so weit kommet, daß die Anfechtung und Belustigung bedachtsam, völlig gemerckt, und der Willen dardurch eingenommen wird, also zwar, daß das menschliche Gemüth nachgedenckt, dasselbe verlanget, sich freywillig darinnen aufhaltet, und gleichsam dieses böse Verlangen innerlich verkostet, da ist es eine tödtliche Sünd, eine Sünd, welche im neunten Gebott wird begriffen.

Dieses alles hat GOtt einem seiner getreuen Dieneren Franciscaner Ordens Johanni Alverno genannt, durch eine [927] Erscheinung erkläret; wie solches in Jahr-Brieffen Seraphischen Ordens zu lesen p. 2. lib. 6. c. 18. GOtt wolte zu verstehen geben diesem frommen Mann, wie die Menschen von fleischlichen Begierden angefochten, Theils überwunden werden: etliche allein, die zuweilen in läßliche, zuweilen auch in tödtliche Sünden fallen. Er sahe unzahlbar viele höllische Geister, welche unaufhörlich mit gezwungener Mühe viele Pfeil abgeschossen, Theils fliegeten eylfertig wieder zuruck wider die Teufel, daß sie flüchtig geschryen, weilen sie überwunden werden, Theils hat viel der Menschen getroffen, doch ohne grossen Schaden, indeme sie nicht eingangen, sondern zur Erden abgefallen. Nicht wenig der Pfeil giengen doch mit dem Spitz in das Fleisch hinein, Theils durchdrungen den gantzen Leib. Dieses nemlich waren jene, welche gäntzlich vermerckt, und völlig in boßhafte Begierden verwilliget haben.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 926-928.
Lizenz:
Kategorien: