Das eilfte Capitel.

Mittel in dem guten Vorsatz zu verharren.

[963] Wann jemand bey sich befindet, daß er seine gut geschöpfte Vorsätz, nimmer einige Tod-Sünd zu begehen, mehrmahlen zerbricht, der erwege als ein hochwichtige Sach, wie gefährlich dieses seye, und zwar das allergefährlichste, an dem das ewige Verderben hanget, und ergebe sich folgenden Mittlen, solcher würcklich zu gebrauchen.

Nemlich öfter zu beichten, und das Hochwürdige Gut zu empfahen. Mehrmahlen mit Andacht ein eyfriges Gebett zu verrichten. Er verehre absonderlich die heiligste Jungfrau in ihren Schutz sich befehlend. Er gebe nach seinem Vermögen reichliches Allmosen. Von diesen spricht der König David, und Paulus der Apostel, daß es ein kräftiges Mittel sey, beständig in gutem Vorsatz zu verharren dispersit, dedit pauperibus, justitia ejus manet: er hat ausgestreuet, den Armen geben, sein Gerechtigkeit verbleibet, wiewohlen viel darauf kein Absehen haben. Neben disem will ich noch zwey andere wider dieses Unheyl sehr taugliche Mittel vortragen.


Das erste ist, nicht auf sich selbsten vertrauen, dann es stehet geschrieben, verflucht ist der Mensch, der auf einen Menschen vertrauet, wer aber auf sich selbsten vertrauet, vertrauet auf einen Menschen. Da ist die Vermessenheit ein schleuniger Weeg vieler Sünden. Dahero wann man einen Vorsatz macht nimmer zu sündigen, alsdann soll man sprechen, mit göttlicher Hülf und Gnad will ich mich vorsehen, daß ich in keine schwehre Sünd falle. Maria die heilige Mutter GOttes, meine gnädige Fürsprecherin wird mich von aller Todsünd bewahren, mein H. Schutz-Engel wird mich nie verlassen, sondern mich in allen meinen Weegen begleiten. Auf die göttliche Gnad, auf den Beystand der gebenedeyten Mutter GOttes, und auf den guten Engel, der uns beschützet, sollen wir uns allezeit vertröstlich steuren; wiewohlen etwann ein Jahr verwichen, ohne dem, daß wir in eine Todsünd gefallen; Ja ach! wiewohlen wir villeicht durch mehr Jahr uns enthalten haben von aller Belustigung oder Einverwilligung in einen schlimmen Gedancken, nichts destoweniger in allem Verlauf unsers Lebens, alle Tag und alle Stund seynd wir bedürftig der Hülf von dem Himmel.


Gleichwie eine gläserne an einem Stricklein im Luft hangende Ampel, [963] wann diese hundert Jahr ungebrochen gehangen, nicht sicher ist, daß sie nicht zerbrochen werde, sondern allzeit eines Strickleins bedürftig vor dem Anstoß oder Fall behutsam muß aufgehalten werden; also auch ein Mensch soll sich mit tieffer Demuth betrachten in seiner Gebrechlichkeit, und wie ihme jederzeit höchst nothwendig sey das Stricklein der göttlichen Gnad, auf daß er in keine Todsünd falle, seine Dürftigkeit nie vergessen. Die gläserne Ampel kan nicht sprechen, hundert Jahr bin ich nicht gebrochen, weder zu Boden gefallen so werde ich keines Schnürleins bedürftig, im Luft auch hinführo hangen, und nicht zerfallen noch zerbrechen; niemand aus den Menschen vertraue auf sich selbsten, so lang als er ein gebrechliches Geschirr der Erhaltung und Handhabung GOttes bedürftig ist. Er spreche zum öftern, unter der Hülf des Allerhöchsten will ich wohnen, unter dem Schirm GOttes des Himmels verlang ich zu bleiben; Führe O gütigster Vatter uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Ubel.

Aus diesem Mißtrauen auf sich selbsten erspriesset das andere Mittel, welches da ist die Flucht der Gefahr, und die Abweichung von denen Gelegenheiten zu sündigen; es stehet geschrieben, wer die Gefahr liebet, wird in der Gefahr verderben. Die beste Schwimmer seynd ertruncken; jene, welche Löwen und Tyger-Thier sanft gemacht, und gezämet haben, seynd mehrmahlen von diesen zerbissen und aufgerieben worden. Der König David unvorsichtiger Weiß weydet einsmahls an einem Tod seinen Fürwitz, besichtiget ein verehlichtes Weib, benamse-Bethsabea, und mit diesem einigen Anblick seiner Augen, verursachet er grosse Ungewitter über sein Haus, und Wolckenbrüch eines betrübten Gemüths, das er sein Lebenlang genugsam hätte zu beweinen. Dieses Köings sein Sohn und Nachfolger im Reich Salomon, aus Ursach der unordentlichen Neigung und Wohlgewogenheit gegen denen ausländischen Weiberen, wiewohlen der Allerweiseste wird also bethöret, daß er den wahren GOtt verlassen, und die teuflische Götzen viel Zeitlang angebetten, und sehr gezweiflet wird, ob er dieser Gottlosigkeit wiederum abgesagt, und wahre Früchten der Buß gewürcket habe. Der gewaltigste Held Samson zerrisse einen Löwen, und in Kraft des Geists GOttes schlug er zu Boden, ermordete etliche tausend streitbare Männer mit einem Kinnbacken eines Esels, welchen er an statt eines Schwerds in seiner Hand geführet; doch eben dieser, weilen er stete Verträulichkeit mit der Dalila gepflegt, befande sich verrathen, und seinen Feinden verkauft, welche ihme seine Augen ausgestochen, den zuvor die blinde Lieb hatte verblendet.


Demnach der Heil. Kirchen Lehrer Hieronymus dieses wohl erwogen, hat er aus seinem grossen Eyffer und Verständnus folgenden weisen Spruch ausgesprochen. Ich bin nicht heiliger [964] als der David, nicht weiser als Salomon, noch stärcker als Samson, nun wie kan ich mich in so gefährliche und betriegliche Gelegenheiten begeben, allwo viele Tugend-Männer schändlich seynd gefallen? wie solt ich über diesen grossen Graben springen, da doch viel tapffere Pferd diß nicht konnten. Keine bessere Sicherheit ist dißfalls zu finden, als die Flucht der Gefahr, damit man der sündlichen Gelegenheit entweiche, fliehen in dergleichen Begebenheiten ist überwinden.

Paulus der Heil. Lehrer aller Völcker, gibt uns eben diesen sicheren Rath, fliehet die Hurerey, spricht er. Als Joseph unversehens in sündlicher Gefahr, wicklet sich aus seinem Mantel, verlasset diesen, zu handen der begierigen Frauen, entspringt flüchtig aus der Schlaf-Kammer, und (nach Vermerckung eines Gelehrten) verlanget er nimmer seinen Mantel, weilen er von unkeuschen Händen einsmahlen angegriffen worden. Auf gleiche Weiß der Gefahr zu entfliehen, lasse manche Person ihren Mantel in dem Stich auf den Hörneren eines muthigen Ochsens.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 963-965.
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