3. Auf Titrauchius

[213] Ist nicht Titrauchius in seiner Neigung blind?

Er liebt Betrug im Spiel' und Redligkeit im Sauffen;

Er liebt die, die mit ihm aus Lust nach Unglück lauffen,

Und seiner Heimligkeit1 beschwätzte Zeugen sind;

Er liebt ein lüstern Weib, das von den Lastern lebt,

Und sich dem Mann zur Lust wollüstig weiss zu wenden,

Das seinen matten Leib mit ihren starcken Lenden,

Gleichwie die Fluth ein Schiff vor Ancker liegend, hebt;

Er liebt die Lästerung, die nichts was heilig scheut,

Durch die er sich umsonst verdammt; er liebt die Lügen,

Die erstlich seine Freund', hernach ihn selbst betrügen;2

Er liebt Verläumbdung, Zorn, Zanck, Hoffarth, Hass und Neid:

Ja, dass nichts bösses sey auff Erden, dass Titrauch

Nicht hertzlich lieben solt, so liebet Er sich auch.


Fußnoten

1 Und seiner Heimligkeit. Die von seinen Liebes Händeln wissen, und dieselbe nachgehends unter die Leute mit besserm Glauben zu bringen wissen, als wenn er sich derselben, nach der jetzigen löblichen Gewohnheit, selbst berühmte.


2 Hernach ihn selbst betrügen. Sintemahl, wie man schon vorher erwehnet, mancher eine Lügen so offt erzehlet, dass er sie zuletzt selber wahr zu sein glaubet.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 213.
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